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Reto Gurtner verkauft den Winter - und die Gemeinden kaufen das Risiko

Reto Gurtner, Verwaltungsratspräsident der Weissen Arena Gruppe, zählt zu den prägendsten Figuren des Schweizer Alpentourismus. Ein Visionär und Stratege par excellence: Sein Lebenswerk – insbesondere die Transformation von Laax zu einer ganzjährig begehrten Lifestyle-Destination – wurde mit mehreren hochkarätigen Auszeichnungen in Strategie und Unternehmensführung geehrt.

2014 bekam er den renommierten Milestone-Preis in der Kategorie «Lebenswerk» – eine der höchsten Anerkennungen im Schweizer Tourismus. Damit wurde nicht nur seine Pionierleistung gewürdigt, mit der er ein Berggebiet modernisierte, sondern auch sein Mut, ein althergebrachtes Geschäftsmodell neu zu denken. Seine strategische Ausrichtung – auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Erlebnisökonomie – gilt heute weit über die Alpen hinaus als Massstab.

Nun zeichnet sich ein Deal ab, so schlau wie provokant: Die touristische Infrastruktur der Weisse Arena Bergbahnen AG soll für 94,5 Millionen Franken von den Gemeinden Flims, Laax und Falera übernommen werden – auf Basis des Restbuchwerts der Anlagen. Die Weisse Arena AG bleibt Betreiberin und pachtet die Anlage mit einem Pachtzins von rund 13 Millionen Franken pro Jahr über zehn Jahre hinweg.
Risiken? Klar erkennbar und schon im Zentrum der öffentlichen Debatte: Wenn der Schnee ausbleibt oder die Touristenzahlen sinken, tragen die Gemeinden die Last. Die Betreiber gewinnen Flexibilität und entlasten ihre Bilanz – während die Gemeinschaft erhebliche finanzielle Verpflichtungen eingeht.

Dieser Deal stammt aus der Feder eines erfahrenen Unternehmers, der genau weiss, wie volatil Gästeströme sein können – ein Blick auf die Internetseite der Weissen-Arena-Gruppe spricht Bände. Zum Ende seiner Karriere scheint Gurtner erkannt zu haben, dass der klassische Wintertourismus vor dem Kollaps steht: Klimawandel, Schneemangel und instabile Rahmenbedingungen lassen die Saison zur Wackelkandidatin werden, während Bergbahnen längst zu strukturellen Kapitalfressern mit hohem Risiko geworden sind.

Ob Flims, Laax und Falera ihrem Lokalkönig einen goldenen Fallschirm spendieren werden, bleibt abzuwarten. Für alle anderen alpinen Wintersportorte gilt jedoch: Wenn Reto Gurtner seine Bergbahnen so verkauft, markiert das mehr als nur eine Transaktion – es ist ein vorsichtig gezogener Vorhang über ein ganzes Kapitel. Denn manchmal ist der beste Zeitpunkt, loszulassen, nicht wenn man fallen könnte – sondern wenn man erkennt, dass der Boden längst schwankt.

Karin Moham
18.10.25 - 13:14 Uhr
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Ort:
Flims Waldhaus
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