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Ignazio Cassis macht den Münstertalern Mut

Am Samstag hat Bundesrat Ignazio Cassis die Val Müstair besucht. Der Tessiner hat die Münstertaler nicht nur mit seiner Anwesenheit für sich eingenommen, sondern vor allem mit seinen Worten.

09.07.18 - 04:30 Uhr
Politik
Offen: Am Jubiläumsfest der Tessanda zeigte sich Ignazio Cassis als volksnaher Bundesrat.
Offen: Am Jubiläumsfest der Tessanda zeigte sich Ignazio Cassis als volksnaher Bundesrat.
ROLF CANAL

Keinen Moment habe er gezögert, in die Val Müstair zu kommen, sagte Bundesrat Ignazio Cassis in seiner Rede vor einer vollen Turnhalle in Sta. Maria. «Ich habe mich während meiner Wahlvorbereitung zum Bundesrat im letzten Sommer verpflichtet, die italienischsprachigen Täler Graubündens und die rätoromanischen Südtäler nicht zu vergessen.»

Das war aber nicht der einzige Grund für den Besuch des Bundesrats. Gekommen war Cassis auf Einladung des Stiftungsrates der Tessanda Val Müstair. 90 Jahre existiert die Handweberei bereits. Gemäss dem Bundesrat hat die Tessanda einen exemplarischen Charakter. Sie sei ein «Leuchtturm, ein Symbol für Eigeninitiative».

Schmied im Dienst des Landes

Schon in der Gründerzeit der Tessanda ging es darum, Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im Tal zu schaffen. Heute produzieren zwölf Angestellte qualitativ hochstehende Produkte, die weit über den Ofenpass hinaus vertrieben werden. In seiner Rede benutzte Cassis bewusst kein einziges Mal Begriffe wie «entlegen», «peripher» oder «strukturschwach». «Wir verwenden im Zusammenhang mit der Val Müstair völlig falsch den Ausdruck peripher, denn das ist eine reine Frage der Perspektive», betonte der Bundesrat. Für eine Münchnerin befinde sich das Tal mitten in Europa.

«Als ich die Wahl als Bundesrat angenommen habe, gab ich das Versprechen ab, mich als Schmied in den Dienst des Landes zu stellen. Ich will zusammenschmieden, was zusammengehört», erklärte Cassis. Jedes Bergtal sei ein wichtiges Stück Schweiz, welches er zusammenschmieden wolle. In den Alpen sei die Schweiz entstanden, nicht in den Städten. «Das Rückgrat der Schweiz bilden die Täler», betonte er. Ihm gehe es mit seinem Besuch in der Val Müstair auch darum, die «vergessene Schweiz» auf den Radar der Öffentlichkeit zu bringen.

«Ihr Tal hat Charisma»

In manchen Gebieten der Alpen hat sich laut Cassis eine defätistische Haltung breit gemacht – nach dem Motto: Wir können nichts mehr für die Entwicklung tun. Subventionen müssen es richten. Mit einer solchen Lehnstuhl-Haltung komme man aber nicht weiter. «Wichtig ist, dass man das touristische Potenzial seiner engeren Heimat erkennt», meinte der Bundesrat. Im Fall Val Müstair seien das die stille, intakte Landschaft, der nahe Nationalpark und das Unesco-Biosphärenreservat sowie das Unesco-Weltkulturerbe Kloster St. Johann. «Ihr Tal hat Charisma. Und das hat in allen Jahreszei- ten eine grosse Anziehungskraft», meinte Cassis. Er wolle den Münstertalern Mut machen. «Setzen Sie für die Entwicklung der Val Müstair weiterhin auf Eigeninitiative», lautete sein Appell an die rund 240 geladenen Gäste im Raum. Die Tessanda sei das beste Beispiel dafür, dass Resignation den Münstertalern fremd sei.

Zum Jubiläumsfest waren auch die Nationalrats-Mitglieder Silva Semadeni, Heinz Brand und Duri Campell erschienen. Die offiziellen Grussworte des Kantons Graubünden überbrachte Regierungsrat Christian Rathgeb. Er besuchte mit dem Bundesrat vor dem Festakt auch die Webstube. Sogar am Webstuhl namens «Mammut» sassen die beiden Politiker gemeinsam. Auf die Frage der Moderatorin Sara Hauschild, wer dabei mehr Geschick bewiesen habe – der Arzt Cassis oder der Jurist Rathgeb –, lenkte Letzterer geschickt ab: «Wir haben politisch eine sehr gute Zusammenarbeit.» Und das Foto sei gut geworden. Rathgeb zeigte sich beeindruckt, mit welcher Leidenschaft und Kunstfertigkeit das Handwerk im Tal ausgeübt wird.

Nach Kaffee und Kuchen bei strahlendem Sonnenschein und der noch strahlenderen Müns- tertaler Bevölkerung liess es sich Cassis nicht nehmen, auch noch das Gesundheitszentrum und das Kloster St. Johann zu besuchen.

Fadrina Hofmann ist als Redaktorin für die Region Südbünden verantwortlich. Sie berichtet über alle gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen, die in diesem dreisprachigen Gebiet relevant sind. Sie hat Medien- und Kommunikationswissenschaften, Journalismus und Rätoromanisch an der Universität Fribourg studiert und lebt in Scuol im Unterengadin. Mehr Infos

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Kopfstehend finde ich diesen Artikel. Wenn es im Münstertal wirklich "Ruhe" gäbe, würde ich sofort dorthin ziehen. Und wenn Cassis das als "touristisches Potenzial" bezeichnet, das die Münstertaler mit "Eigeninitiative" realisieren sollen, tja, wieviele Jahre warte ich darauf schon? Was "Kaffee und Kuchen" (Jungbrunnenkost?) mit "Gesundheitszentrum" zu tun haben soll, ist mir ebenso ein Rätsel. Stattdessen würde ich nüchtern feststellen: Ist nicht dieser Tage ein "Oldtimer" am Ofenpass ausgebrannt? Ist nicht mit der x-millionenschweren Siedlung "La Sassa" ein weiterer Metoo from Yesterday in der Pipeline? Tessanda-Handweberei als "Leuchtturm"? Und dann noch obendrauf die Moderatorin-Frage, ob Cassis oder Rathgeb geschickter am Webstuhl gearbeitet habe. Oje. Gehts NOCH irrelevanter?
Tja, liebes Publikum, Sie sehen wohl, hier scheint es fast zuzugehen wie bei GRF, über die ich bereits vor Jahren schrieb: Heisse Luft only.
Siehe Kommentare:
https://www.suedostschweiz.ch/polizeimeldungen/2018-07-06/oldtimer-bren…
https://www.suedostschweiz.ch/politik/2018-07-02/das-projekt-la-sassa-s…
https://www.suedostschweiz.ch/wirtschaft/2018-06-05/neues-kapitel-fuer-…

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