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Fünf Wolfsrudel im Kanton und deutlich mehr Risse

Um Sedrun zieht ein Wolfspaar mindestens drei Welpen gross. Somit haben neu fünf Rudel ihr Revier im Kanton.

Ursina
Straub
26.07.20 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Nachwuchs: Ein Welpe des neuen Wolfsrudels Stagias, das sein Revier um Sedrun hat.
Nachwuchs: Ein Welpe des neuen Wolfsrudels Stagias, das sein Revier um Sedrun hat.
FOTOFALLE DES KANTONALEN JAGDAMTES

Was die lokale Wildhut bereits während der Paarungszeit der Wölfe im Winter vermutete, hat das kantonale Amt für Jagd und Fischerei nun gestern bestätigt: Um Sedrun und Disentis hat sich ein weiteres Wolfsrudel gebildet. Bislang konnten drei Jungtiere beobachtet werden. Somit haben fünf Rudel ihr Revier in Graubünden. Zählt man das Morobbia-Wolfsrudel an der Kantonsgrenze zum Tessin dazu, sind es sechs bestätigte Rudel, welche ihre Streifgebiete im Kanton haben.

Das Revier des neuen Wolfsrudels um Sedrun umfasst das Gebiet Sursassiala und erstreckt sich über die Gemeindegebiete Tujetsch, Disentis/Mustér und Medel/Lucmagn. Der Wolfsrüde M125 wurde gemäss dem kantonalen Jagdinspektor Adrian Arquint im vergangenen Winter besendert, um das Tier zu vergrämen. Das neue fünfköpfige Wolfsrudel heisst gemäss Jagdamt Stagiasrudel.

Weitere Rudel mit Welpen

Ebenfalls Nachwuchs haben drei weitere Bündner Wolfsrudel, nämlich das Beverinrudel, das Ringelspitzrudel und das Valgrondarudel um Obersaxen, wie Arquint gestern bestätigte.

Beim Beverinrudel ist noch nicht klar, wie viele Welpen in diesem Sommer zu Welt kamen. Das kantonale Jagdamt geht aber davon aus, dass das Wolfspaar zum zweiten Mal Nachwuchs hat; denn rund um den Glaspass haben sowohl Schafhirtinnen wie auch Wildhüter mehrere Male die Rufe von Wolfswelpen gehört.

Sicher ist hingegen, dass sich das Ringelspitzrudel zum dritten Mal vermehrt hat. Auf einer Alp auf der Nordseite von Ilanz hat die Wildhut nämlich zwei erwachsene Wölfe mit fünf Jungwölfen beobachtet. «Der Aufenthaltsort deutet darauf hin, dass es sich dabei um das Ringelspitzrudel handelt», sagt Arquint.

Schliesslich gibt es Hinweise darauf, dass sich das Valgronda-Wolfsrudel um Obersaxen fortgepflanzt hat. Auf einem Fotofallenbild sind drei oder vier Welpen zu erkennen.

Typische Ausbreitung

Immer noch zu den Rudeln gezählt werden die Wölfe am Calanda, obwohl unklar ist, wann sie das letzte Mal Nachwuchs hatten. Arquint vermutet, dass dies im letzten, allenfalls im vorletzten Jahr der Fall war. «Dennoch gelten die restlichen Tiere des einstigen Rudels immer noch als Gruppenverband», erklärt Arquint.

Wenig überraschend ist für ihn, dass sich – trotz hoher Sterblichkeit der Jungtiere – jetzt ein weiteres Wolfsrudel in der Surselva gebildet hat. «Es ist typisch, dass das Revier eines neuen Rudels an ein bestehendes Revier grenzt», erklärt er. Hinzu kommt, dass die Leitwölfin F31 des neuen Stagiasrudels vom Calandarudel abstammt.

Mehr Konfliktpotenzial

Die Landwirtschaft sei durch die exponentielle Zunahme der Wolfspopulation stark gefordert, betont Arquint einmal mehr. «In unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft birgt die zunehmende Wolfspopulation aber auch weiteres Konfliktpotenzial, etwa, wenn man an Herdenschutzhunde und Wanderer oder Biker denkt», sagt er.

Deutlich mehr Risse

Bislang wurden in diesem Jahr insgesamt rund 120 Nutztiere gerissen, davon rund 60 Tiere aus geschützten Herden. «Die Risse sind gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen», erklärt Arquint.

Mehr Risse gab es heuer auf Heimweiden: Von den total 120 gerissenen Tieren wurden 60 auf einer Heimweide getötet. Sorgen bereiten dem Jagdinspektor denn auch verhaltensauffällige Einzelwölfe und Rudel.

Zuordnung nicht einfach

Dennoch kann der Kanton keine Abschussbewilligung beim Bund beantragen. Nach der heute geltenden Jagdgesetzgebung kann eine solche erteilt werden, wenn ein Wolf erheblichen Schaden an einer geschützten Nutztierherde anrichtet. Dies ist mit den aktuellen Rissen nicht gegeben.

Zudem, so Arquint, sei es nicht immer einfach, die Nutztierrisse einzelnen Wölfen oder Wolfsrudeln zuzuordnen. Eine eindeutige Identifikation sei erst mit einer DNA-Analyse möglich.

Ursina Straub schreibt als Redaktorin der «Südostschweiz» für den Regionalteil der Zeitung und für Online. Ihre Themenschwerpunkte sind Landwirtschaft, Alp, Jagd, Grossraubtiere, Natur; zudem berichtet sie regelmässig aus dem Grossen Rat. Die gelernte Journalistin, diplomierte Landwirtin und Korrektorin EFA ist auch Leiterin Qualität. Mehr Infos

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Die Wölfe nehmen rasant zu, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Innert Jahresfrist haben sich die Wolfsrudel auf 8 verdoppelt. Wenn es so weiter geht, werden es im nächsten Jahr 16 sein usw. Selbst die Kühe werden unruhig, soeben sind in Obwalden 8 Kühe tödlich abgestürzt. Wie in Frankreich hat der Wolf gelernt, Schutzmassnahmen zu umgehen und über Schutzzäune zu springen, die Nutztiere können wegen dem Zaun nicht fliehen und sind dem Wolf ausgeliefert. Offenbar ist es für Wölfe einfacher Nutztiere zu reissen als den Rotwildbestand zu regulieren, wie man sich erhofft hat. Als Wanderer muss ich mir nun überlegen, wo ich meine Ferien verbringe.

Immer wieder dasselbe Thema…
Das ist so eine Sache; praktisch alle finden diese Tiere schön und faszinierend, doch am Umgang mit ihnen scheiden sich die Geister! Diese Raubtiere wandern enorme Strecken, was zu den bekannten Problemen führt. Bei dieser Bevölkerungsdichte Bären und Wölfe auszusetzen, finde ich ziemlich daneben. Da kann man nur hoffen, dass man solchen Raubtieren nie begegnet! Raubtiere waren aus unseren Gebieten verschwunden, weil es schon dazumal keinen Platz gab. Die Umwelt hat sich verändert, die Landschaft mit Straßen und Bauten zugepflastert. Man mag dies bedauern, aber man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Ein Nebeneinander von Bär und Wolf sowie Mensch ist schlicht nicht möglich. Immer wieder ist darüber zu lesen was diese Tiere auf grausamste Weise anrichten. Im benachbartem Vinschgau it. zum Münstertal heisst es; es sei anzunehmen, dass es sich um Wölfe des Calanda-Rudels handle, das bei uns in der Schweiz im Norden Graubündens angesiedelt ist. Diese Situation ist untragbar geworden, und ich fühle mich auf eine Art mitschuldig. Ich denke, jetzt sollten auch die Politiker gefordert sein! Aber vielleicht gibt es ein Umdenken bei den selbsternannten Bären- und Wolfsschützern und den übrigen Besserwissern, wenn tatsächlich Wanderer oder Pilzsucher angegriffen werden. Oder soll man zuwarten bis es zu tödlichen Ereignissen kommt? Wir sind nicht Kanada und nicht Sibirien; bei uns ist es letztlich eine Frage der Vernunft. Die Medien bringen farbige Bilder dieser Tragödien auf Schafweiden, die wie Schlachtfelder aussehen. Da kann ich mir kaum vorstellen, dass ein überzeugter Tierschützer dies befürworten kann! Ich kritisiere, dass sich manche freuen, dass solche Raubtiere angesiedelt wurden. Das unsägliche Leid, das diese Tiere anrichten, sollte zu denken geben. Ich wünsche, dass die Vernunft siegen möge und Schutz und Sicherheit der Menschen Vorrang haben, ohne Wenn und Aber!

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