×

Wird der erste künstliche Wissenschaftler ein «Davoser» sein?

Die Mindfire-Stiftung und Davos – diese Liaison soll bald Früchte tragen. Am 22. März berichtete die DZ, dass das Lab 42 – ein Institut, das sich dem Bau von Robotern im virtuellen Raum widmet – in der Villa Fontana eröffnet werden soll. Die DZ traf den Kopf hinter dem neuen Institut.

Andri
Dürst
15.04.22 - 08:00 Uhr
Wirtschaft
Ein Haus mit langer Forscher-Tradition: Ab 1. Juli wird hier im Bereich der KI geforscht.
Ein Haus mit langer Forscher-Tradition: Ab 1. Juli wird hier im Bereich der KI geforscht.
ad

Als Pascal Kaufmann den Raum betritt, in dem das DZ-Interview stattfindet, ist ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. Der Gründer der Mindfire-Stiftung – er ist zudem auch ausgebildeter Hirnwissenschaftler – ist ein offener, kommunikativer Mensch. Trotz seines eng getakteten Terminkalenders nimmt er sich Zeit, um über das Lab 42 zu sprechen und wirkt dabei immer noch entspannt.

Das Feld nicht China und den USA überlassen

Das Lab 42 wird zum einem weiteren ­Davoser Forschungsinstitut. Doch was wird dort genau gemacht? «Wir bauen Roboter in der virtuellen Welt», erklärt Kaufmann. Er holt einen Handschuh aus einer Tasche hervor und zieht ihn an. «Mit diesem Handschuh kann ich mich im virtuellen Raum bewegen. Bald wird es auch möglich sein, dass ich nebst der Übertragung meiner Fingerbewegungen auf mein virtuelles Abbild selber Berührungen wahrnehmen kann», erklärt er zu diesem faszinierenden «Gadget». Man merkt, in welche Richtung es in der Lab-42-Welt gehen soll.

Doch nicht nur für solche Apparaturen soll künftig die Technologie in Davos entwickelt werden. Auch Simulatoren sollen hier gebaut werden. Dabei arbeite man mit vielen Leuten aus der ganzen Welt zusammen, erläutert der Mindfire-Unternehmer. Es ist ihm ein grosses Anliegen, dass im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) nicht nur China oder US-Techkonzerne federführend sind, sondern auch in Europa. Seine Vision geht aber weiter. «Wir wollen das Wissen aus der ganzen Welt zusammentragen, um den ‹Braincode› zu knacken». Oder anders gesagt: In Davos soll ein künstlicher Forscher erschaffen werden, der wissenschaftliche Publikationen generieren kann.

Um dieses Ziel zu verfolgen, binde man beispielsweise Gamer auf der ganzen Welt in die Forschung mit ein. «Anstatt Ballergames zu spielen, animieren wir sie, Roboter in der künstlichen Welt zu bauen. In einer virtuellen Arena lassen wir dann verschiedene solcher Roboter gegeneinander antreten, um zu sehen, welcher der beste ist». Kaufmann selber sei ein totaler Fan von diesen 15- bis 16-Jährigen, die bereits im jungen Alter mit viel technologischem Wissen ausgestattet seien.

Davos bietet viele Vorteile

Doch wieso kürte die Stiftung gerade das Landwassertal als den idealen Ort für ihr Institut? Für Kaufmann waren drei Gründe dafür ausschlaggebend. Zum einen die «Science City», die hier besteht. «Es ist beeindruckend, was Davos im Bereich der Wissenschaft bereits zu bieten hat», sagt der Unternehmer. Zum anderen sei die Marke Davos exzellent – vor allem wegen des WEF. Und zu guter Letzt führt er die hohe Lebensqualität ins Feld. ­«Natur, gute Infrastruktur und ein gutes WLAN», fasst er einige Punkte zusammen. Das Lab 42 profitiert somit von der Region, aber auch umgekehrt soll dies der Fall sein. «Derzeit werden im Kanton Graubünden kaum Start-Ups gegründet. Wir hoffen, dass wir mit dem Lab 42 diese Entwicklung begünstigen», meint Kaufmann. Und auch mit den anderen ­Forschungsinstituten im Ort wolle man zusammenarbeiten. «Wir stellen allen ein Tool zur Verfügung, mit dem man Know-how besser nutzen kann». Stehe ein Wissenschaftler – beispielsweise im SIAF – vor einem Problem, könne er mit dieser Lab-42-Technologie herausfinden, wer ihm am besten dabei helfen könne. Die Technologie sucht dann mittels einer Publikationsabfrage diese Person – die beispielsweise im AO arbeitet. «Dieses System soll sich mit der Zeit selber weiterentwickeln», ergänzt Kaufmann. «Wir haben schlussendlich eine Verantwortung gegenüber der Welt. Davos kann im Bereich der KI somit eine führende Rolle einnehmen».

Dazu sei es wichtig, dass Davos wisse, was das «Metaverse» ist. «Diese moderne, neue Welt wird immer wichtiger». Er ­selber bewege sich zwar nach wie vor sehr gerne in der biologischen Welt, doch für Menschen in anderen Regionen auf der Erde könne die virtuelle Welt ­immer wichtiger werden, erklärt Kaufmann.

Zu Pascal Kaufmanns Alltag gehört auch der Gebrauch von «Gadgets», wie dieser Handschuh.
Zu Pascal Kaufmanns Alltag gehört auch der Gebrauch von «Gadgets», wie dieser Handschuh.
bg

Vielversprechende Businesspläne

Richtig losgehen soll es mit dem Lab 42 im Juli. Dann würden die ersten Mitarbeitenden die Villa Fontana beziehen. «Wir planen in den nächsten drei bis vier Jahren, 80 Arbeitsplätze zu schaffen, wobei 50 bis 60 Mitarbeitende fix angestellt sind», erklärt der Mindfire-Gründer. Den Mitarbeitendenbestand werde man «peu à peu» hochfahren. Finanziert werde der Betrieb zu einem grossen Teil durch die Privatwirtschaft. Die Koordination der Gelder erfolge durch die Stiftung Mind­fire. Gerade hierbei sei die Rechtsform von Mindfire entscheidend: «Uns ist Ethik sehr wichtig. Daher wollen wir uns auch nicht von Grossunternehmungen abhängig machen». Das Geld komme viel mehr von Privatpersonen als von Konzernen, fügt Kaufmann an. Doch auch die öffentliche Hand leiste eine Anschub­finanzierung. In diesem Zusammenhang kommt er auch auf die Zusammenarbeit mit Landammann Philipp Wilhelm und Valérie Favre Accola zu sprechen. Sie hätten ihm viel Wohlwollen entgegengebracht. Er lobt auch die Konstellation – dass Vertretende zweier verschiedener Parteien hier zusammenspannen, erachte er als zukunftsweisend.

Kaufmann selber ist derzeit noch vorwiegend zu Hause in Meilen (ZH) anzutreffen – wo er im Home-Office arbeitet. Doch künftig sei er auch vermehrt in ­Davos anzutreffen, verspricht er.

Aufruf

Mindfire sucht junge Menschen, die gerne beim Lab 42 mitwirken wollen. «Pfiffige Leute», nennt Kaufmann die Zielgruppe. Er könnte sich beispielsweise vorstellen, SAMD-Schülerinnen und -schüler zu engagieren. Grosse Programmierkenntnisse seien nicht notwendig, beim Eintritt jedoch müssten einige «Brain teasers» gelöst werden. Wer diese besteht, kann in Teilzeit- oder Wochenendarbeit im Lab 42 beschäftigt werden. Interessierte wenden sich an: contact@mindfire.global

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Wirtschaft MEHR