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Mafia macht sich in Graubünden breit - bisher fast ungehindert

Hunderte Mafiosi operieren in Graubünden – sagt nicht irgendwer, sondern Mafiaexperte Paolo Bernasconi. Sie nutzen dazu wahrscheinlich Briefkastenfirmen, die im Kanton legal sind und sich vornehmlich im Misox angesiedelt haben. 1600 waren es vor zwei Jahren.

Südostschweiz
08.11.19 - 17:51 Uhr
Wirtschaft
Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen liegen die Behörden des Kantons Graubünden im Hintertreffen.
Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen liegen die Behörden des Kantons Graubünden im Hintertreffen.
KEYSTONE-SDA

von Pierina Hassler und Simon Lechmann

Wenn es um Graubünden und das organisierte Verbrechen geht, spricht der bekannte Tessiner Mafiaexperte und frühere Staatsanwalt Paolo Bernasconi Klartext. «Es ist bekannt, dass Briefkastenfirmen der Geldwäscherei dienen», sagt er. Und genau von solchen Briefkastenfirmen wird das Misox schon eine ganze Weile überschwemmt. Das Bündner Südtal beherbergt rund 1600 Firmen, hat aber nur etwas über 8000 Einwohner. Ein Schelm, wer solche Verhältnisse für bare Münze nimmt. Und schon sind wir mittendrin im schmutzigen Geschäft um dreckiges Geld.

Im Kanton Tessin wurden vor ein paar Jahren die Gesetze zu Briefkastenfirmen verschärft, in Graubünden sind diese aber nicht per se illegal. Ein Grund mehr für das organisierte Verbrechen, weiter nach Norden zu rücken. Mafiaexperte Bernasconi sagt: «Ich bin beunruhigt, dass unsere Abwehr gegen die kriminellen Organisationen zu schwach ist.» Das erleichtere eben die Infiltration durch die Mafia auf Schweizer Boden ungemein, so Bernasconi. Er geht von mehreren Hundert Personen aus, die für die italienische Mafia in der Schweiz und in Graubünden aktiv sind.

Und Bernasconi ist mit seinen Warnungen und Szenarien kein einsamer Rufer in der Wüste. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bestätigt gegenüber RSO-Moderator Simon Lechmann, dass die Mafia in der Schweiz und in Graubünden sehr aktiv ist. «Die Mafia ist eine Realität in der Schweiz. Auch in Graubünden oder St. Gallen», sagt Mediensprecherin Anne-Florence Débois. Und: man habe die Stärke der Mafia lange Zeit unterschätzt.

Im Kanton Graubünden scheint das Thema Mafia auch heute noch keine Priorität zu geniessen. Auf Anfrage von Radio Südostschweiz erklärt die Bündner Staatsanwaltschaft, man könne dazu nichts sagen, da man keine Statistik dazu führe. Ausserdem gebe es keinen Straftatbestand «Mafia» was eine Erfassung unmöglich mache. Nicht besser klingt es bei der Kantonspolizei: man habe keine Kenntnis zu Mafiamitgliedern, die sich im Kanton aufhalten würden.

Und genau das sei der Grund, warum sich die Mafia in der Schweiz einnisten könne, sagt Experte Bernasconi. Die Behörden – Staatsanwaltschaften, Bundesanwaltschaft und Polizei – seien schlicht nicht darauf vorbereitet oder dafür ausgebildet Personen mit Mafia-Hintergrund einzuvernehmen. Im Tessin sei man da schon weiter, was mit ein Grund sei, warum Firmen über die Kantonsgrenzen nach Graubünden wechselten, um ihren illegalen Geschäften nach zu gehen.

Ausführlicher über die Entwicklungen und Verfehlungen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen im Kanton hört Ihr in den Radio-Beiträgen und lest Ihr im Aboartikel unten:

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