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Rapperswil fremdelt mit Knies Zauberhut

Die Meinungen zum neuen Zauberhut in Knies Kinderzoo in Rapperswil gehen auseinander. Der Architekt begrüsst die Kontroverse, aber bittet noch um etwas Geduld: Das Bauwerk sei noch nicht fertig und werde sich noch verändern.

Fabio
Wyss
16.07.20 - 09:22 Uhr
Tourismus
Zankapfel Zauberhut: Das Bauwerk im Knies Kinderzoo stösst bei der Bevölkerung nicht nur auf Begeisterung.
Zankapfel Zauberhut: Das Bauwerk im Knies Kinderzoo stösst bei der Bevölkerung nicht nur auf Begeisterung.
BILD FABIO WYSS

Ein 800 Jahre altes Schloss, die Lakers-Arena und neuerdings ein 25 Meter hoher Zauberhut. Das Stadtbild von Rapperswil-Jona ist um einen Blickfang reicher. Diverse Anwohner halten den Zauberhut von Knies Kinderzoo aber überhaupt nicht für eine Bereicherung. Dutzende Facebook-Nutzer vergleichen das Bauwerk mit einem AKW-Kühlturm. So auch der Musiker Frédéric Zwicker: Der Kühlturm sei eingehüllt in «grau-schwarz-weisse Camouflage», schreibt er in einer Kolumne in der «Linth-Zeitung» vom 7. Juli.

Die viele Kritik deckt sich aber nicht mit dem Widerstand während der Einsprachefrist überein. Diese lief im Februar des letzten Jahres, aber: «Niemand äusserte damals der Bauverwaltung gegenüber Einwände», sagt Thomas Furrer, Bauchef von Rapperswil‑Jona. Es habe zwar eine Einsprache aus der Anwohnerschaft gegeben. Diese sei aber vor Ablauf der Frist zurückgezogen worden; deshalb ist deren Inhalt dem Bauamt unbekannt.

Den geringen Widerstand führt Furrer auf die gute Kommunikation seitens Knies Kinderzoo zurück. Dessen Team habe die Bewohner des Südquartiers transparent und mehrmals über das Vorhaben informiert und die Diskussion nicht gescheut.

Problematisches Siegerprojekt

Dennoch wird nun in den Sozialen Medien hinterfragt, wieso im Vorfeld der Bautätigkeit die Stadtbildkommission (SBK) nicht intervenierte. Ein Irrglaube. Die SBK hatte sehr wohl Einwände, das beweisen Protokollauszüge der SBK: «Bezüglich Turbine auf dem Hut ist festzuhalten, dass ohnehin bereits ein sehr präsentes Gebäude entsteht und eine Überinszenierung dem Ganzen schadet.» Die erwähnte Turbine liessen die Projektverantwortlichen der Ghisleni und Partner AG nun weg (siehe Visualisierungen).

Noch da: An der Spitze steht eine Art Turbine auf dem Zauberhut. VISUALISIERUNGEN ZVG
Noch da: An der Spitze steht eine Art Turbine auf dem Zauberhut. VISUALISIERUNGEN ZVG

Die ursprüngliche Abbildung stammt vom Sieger des Projektwettbewerbs Carlos Martinez. Dieses Siegerprojekt wurde weiter abgeändert. So riet die SBK zu einer üppigeren Begrünung: «Der Hut braucht einen genügend grossen Vorraum mit entsprechender Gestaltung auch in der Vegetation.»

Die wohl offensichtlichste Veränderung ist die farbliche Ausgestaltung des Zauberhuts. Diese wurde laut Furrer nötig, weil die Verglasung zu stark reflektierte und spiegelte:

«Wir beurteilten dies in dieser Form als problematisch und nicht bewilligungsfähig.»

Turbine weg, Reflexion reduziert: Bei der zweiten Visualisierung sind deutliche Veränderungen erkennbar.
Turbine weg, Reflexion reduziert: Bei der zweiten Visualisierung sind deutliche Veränderungen erkennbar.

Der ausführende Architekt Stefano Ghisleni lobt die kritische Analyse der SBK und zeigt Verständnis für die Einwände: «Zu stark reflektierende Materialien könnten gerade nach Regenfällen stark blenden. Das würde nicht nur die Vögel empfindlich stören, sondern hätte eine erhebliche Gefahr für den Verkehr über den Seedamm dargestellt.»

Gefunden wurde ein Kompromiss, der die Anliegen von Vogel- und Naturschutzorganisationen berücksichtigt. So sagt Ghisleni, dass das nun verwendete Material wenig reflektiere, aber die Umgebung aufnehme. Bei zahlreichen anderen Gebäuden habe sich das Material bewährt.

Verständnis für Kritik

Architekt Ghisleni zeigt für die trotzdem entstandene Kontroverse teilweise Verständnis (siehe unten). Er möchte aber daran erinnern, dass an der Stelle des Zauberhuts vorher ein voluminöserer Bau stand: die Seelöwen-Arena. «Deren Verkleidung aus Kunststoff-Wellplatten war keine Augenweide.»

Dieses Argument trieb auch die SBK an, das Projekt Zauberhut zu unterstützen. Das geht aus dem Protokoll vom Oktober 2018 hervor «Der neue Baukörper als ‘Mittelpunkt des Areals’ klärt die heutige Situation», heisst es dort.

Neuer Mittelpunkt und kein profaner Bau: Das ist so gedacht. BILD PHILIPP BAER
Neuer Mittelpunkt und kein profaner Bau: Das ist so gedacht. BILD PHILIPP BAER

Ghisleni appelliert nicht nur an das Erinnerungsvermögen der Bürger, sondern wünscht sich auch etwas Geduld. Stadtrat Furrer pflichtet ihm bei, denn die Baurealisierung sei noch im Gange. Der Zauberhut werde seine Erscheinung noch verändern. Sprich: «Was heute sichtbar ist, ist nicht das, was am Schluss sichtbar sein wird.»

Überdies sei der Zauberhut im Vergleich zu einem Gebäude in der Wohnzone kein profaner Bau, sagt Furrer. Werden die AKW-Vergleiche also durch kunstvolle Architektur begründet? Ghisleni meint dazu:

«Ich denke nicht, dass irgendein Kind jemals einen solchen Vergleich ziehen würde. Da können wir von den Kleinen sicher etwas lernen.»

Viel Lob – und etwas Schalk

Weil Kinder das Zielpublikum sind, sagt auch Furrer: «Der Zauberhut steht für den Zirkus, das Spielerische – auch ein bisschen für Mystik, Geheimnis und Spannung.» Der Bauchef findet, das gelinge dem Bau ganz gut, darum passe er ins Gelände.

Die aktuelle Entrüstung bezeichnen sowohl Ghisleni als auch Furrer als normal bei ungewöhnlichen Gebäuden. Der Bauchef sagt, das beste Beispiel dafür sei der Neubau Janus beim Stadtmuseum. Nach anfänglicher Kritik sei er heute in der Altstadt ein Vorzeigeobjekt, wenn es um Einbettung von Neubauten gehe. Eine zu Ghisleni abweichende Haltung hat Furrer aber doch. Mit leicht schalkhaftem Unterton sagt er: «Ob der Zauberhut dereinst als Architekturikone bezeichnet wird, bleibt offen.»

 

Interview: "Ein gewisser Wirbel ist völlig normal"

Jetzt spricht der Architekt: Interview mit dem Gesamtprojektleiter Stefano Ghisleni. BILD ZVG
Jetzt spricht der Architekt: Interview mit dem Gesamtprojektleiter Stefano Ghisleni. BILD ZVG

Stefano Ghisleni, was sagen Sie als ausführender Architekt zur Polemik, die der Zauberhut bei Knies Kinderzoo unter Teilen der Bevölkerung auslöst?
Es ist völlig normal, dass aussergewöhnliche Projekte wie der Zauberhut grundsätzlich für kontroverse Debatten in der Öffentlichkeit und einen gewissen Wirbel sorgen. Wir haben es hier aber auch mit einer aussergewöhnlichen Situation und Nutzung zu tun, denn die Familie Knie verzaubert seit Generationen Klein und Gross mit künstlerischen Attraktionen. Wie könnte dieser Anspruch mit einem konventionellen Bauwerk bedient werden? Bis zur definitiven Fertigstellung geht es nicht mehr lange, da brauchen wir noch ein bisschen Geduld.
Der Bau wird sich also noch verändern, bis er im September abgeschlossen ist?
Dem Zauberhut fehlen noch diverse Metallschuppen bis zur Fertigstellung. Danach kann man sich ein Gesamtbild des Projekts machen. Ich bin mir sicher, dass der Zauberhut von der Bevölkerung mit Neugierde und Freude angenommen wird, sobald die Tore für den Betrieb öffnen und alle sich ein Bild machen können.
Was bleiben wird, ist die Silhouette. Einzelne Bürger assoziieren damit einen AKW-Kühlturm. Was sagen Sie dazu?
Die Gestaltung des Bauwerks erfüllt offenbar seinen Zweck, nämlich die Anregung der Fantasie. Die Sichtweise liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Der Interpretation und Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wer Polemik üben möchte, zieht Vergleiche wie den erwähnten heran. Wir sollten aber auch nicht ausser Acht lassen, was vorher dastand: die Seelöwen-Arena mit einem viel grösseren Volumen.
Von aussen konnte man die Seelöwen-Arena aber nicht sehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich den Blickwinkel auf die Eishalle Lido richten. Obwohl diese mitten im Quartier steht – und zudem viel grösser ist als der Zauberhut –, hat die Bevölkerung das exponierte Volumen akzeptiert und angenommen. Die Diskussion beim Zauberhut dreht sich darum, dass hier etwas Neues und Unkonventionelles entsteht.
Sie machen sich demnach keine Sorgen?
Ganz im Gegenteil: Nach der Realisation des Elefantenparks und des Himmapans wird die Stadt erneut um eine Attraktion mit grosser überregionaler Wirkung reicher. Eine Attraktion, welche der Bevölkerung durch die Investition der Familie Knie zugute kommt. Wir sind sehr zufrieden, dass wir den ästhetischen Anspruch des Entwerfers Carlos Martinez in diesem technisch anspruchsvollen Bauwerk in allen Belangen erfolgreich mitplanen und umsetzen konnten. (wyf)

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