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Den Wandervögeln genau auf die Schuhe geschaut

Die Wanderer sind eine heftig umworbene Gästegruppe. Eine neue Studie zeigt jetzt erstmals, wer sie sind und was sie wirklich wollen. Das Fazit: Wanderer ist nicht gleich Wanderer.

Olivier
Berger
21.07.18 - 04:30 Uhr
Tourismus
Das Wanderverhalten der Schweizer wurde in einer Studie von Graubünden Hike  untersucht.
Das Wanderverhalten der Schweizer wurde in einer Studie von Graubünden Hike untersucht.
YANIK BÜRKLI

Bis ins Jahr 1804 und zur Erfindung der Dampflokomotive hatten die meisten Menschen ohnehin keine grosse Wahl. Wer sich Pferd und Kutsche nicht leisten konnte, ging zu Fuss. Wer dagegen in der heutigen Zeit der schier unbegrenzten Mobilität auf Schusters Rappen unterwegs ist, tut dies meist freiwillig – jedenfalls in unseren Breitengraden. Die Schweizerinnen und Schweizer tun dies gern und oft: Zwei Drittel der Bevölkerung machen Wanderferien; über die Hälfte wandert seit mehr als zehn Jahren. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, welche Graubünden Ferien (GRF) gemeinsam mit ausländischen Partnern in Auftrag gegeben hat.

Der Schweizer will Natur

Für die Studie «Die Motive und Bedürfnisse der Wanderer von morgen» haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer österreichischen Firma über 4000 Personen in acht Ländern befragt. Die Erkenntnis aus den Befragungen: Wanderer ist nicht gleich Wanderer. Im Wesentlichen können fünf Gruppen unterschieden werden: Naturliebhaber, Abenteurer, Genusswanderer, Outdoor-Familien und Abwechslungssuchende.

In der Schweiz stellen die Naturliebhaber mit 27 Prozent die grösste Gruppe. Sie wünschen sich ausgedehnte Wanderungen in engem Kontakt mit der Natur. Mit einigem Abstand folgen die Genusswanderer, die gerne per Seilbahn auf den Berg fahren und kulinarische Zwischenstopps einlegen. Abenteurer, die aussergewöhnliche Bergerlebnisse mit viel Adrenalin suchen, und die Outdoor-Familien bringen es auf jeweils 19 Prozent der Nennungen. Mit 14 Prozent an letzter Stelle liegen jene, welche das Wandern als Abwechslung zu anderen sportlichen Tätigkeiten sehen.

Die britischen Abenteurer

Auch wenn die fünf Zielgruppen in den Ländermärkten gleich sind: Was ihre Verteilung angeht, gibt es grosse Unterschiede. Die Naturliebhaber etwa belegen nur in der Schweiz, Deutschland, Österreich und den Niederlanden den Spitzenplatz. Die Franzosen, Italiener und Briten dagegen sind ausgesprochene Abenteurer am Berg; die Tschechen wiederum lieben das Genusswandern. Umgekehrt gibt es nirgendwo einen so tiefen Anteil an Outdoor-Familien wie in Deutschland.

Die Studie zeigt weiter: Wandern ist ein Männersport. Nur in Tschechien halten sich die Geschlechter die Waage. In Frankreich dagegen wandern 60 Prozent Männer, in der Schweiz liegt der Frauenanteil bei immerhin 47 Prozent. Die jüngsten Wandererinnen und Wanderer stellt Grossbritannien, wo fast die Hälfte unter 29 Jahre alt ist. In Italien wiederum haben nur 23 Prozent der Wanderbegeisterten ihren 30. Geburtstag noch nicht gefeiert. Am wenigsten Personen über 50 Jahren stellen mit zehn Prozent die Niederlande. Zum Vergleich: In Italien ist mehr als ein Drittel der Wanderer älter als 50 Jahre.

Top ist der Schweizer Bergsee

Die Urheber der Studie haben zudem die Schweizer Wandererinnen und Wanderer nach ihren Vorlieben gefragt. Hoch im Kurs stehen bei 87 Prozent Bergseen, während nur 32 Prozent regelmässig eine Bergbahn benutzen. Zwei Drittel wandern mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner; zwei Drittel wünschen sich regionale Gerichte und Getränke in der Unterkunft, welche wiederum 69 Prozent mit ihrem eigenen Auto anfahren.

Am liebsten wandern die Schweizerinnen und Schweizer im eigenen Land. Dies geben 72 Prozent in der Deutsch- und 68 Prozent in der Westschweiz an. In der Deutschschweiz folgen Österreich (13 Prozent) sowie Italien und Deutschland (je fünf Prozent) auf den weiteren Plätzen. In der Romandie zieht es 15 Prozent ins benachbarte Frankreich; Österreich (5 Prozent) und Italien (3 Prozent) sind deutlich abgeschlagen.

Graubünden auf Platz 2

Einen Wermutstropfen aus Bündner Sicht gibt es allerdings. Graubünden liegt bei den bevorzugten Zielen für Wanderferien der Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer lediglich auf Platz 2 – hinter dem Wallis. Die beliebteste Wanderregion im Kanton ist demnach das Engadin, gefolgt von Davos, Arosa und der Lenzerheide. In Österreich zieht es die Deutschschweizer Wanderinnen und Wanderer vor allem ins Tirol und nicht etwa ins nahe Vorarlberg. In Italien dominiert das Südtirol, in Deutschland der Schwarzwald.

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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