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Andri Ragettli: Mit grossem Namen und grosser Ambition

Andri Ragettli ist mit 20 Jahren im Ski-Freestyle-Sport schon eines der dominanten Gesichter. Der Flimser sorgt auf seinen Skiern ebenso für Bewunderung wie mit seinen Videos abseits der Freestyle-Parcours.

Südostschweiz
03.11.18 - 04:30 Uhr
Schneesport
Andri Ragettli bei sich zu Hause in Flims.
Andri Ragettli bei sich zu Hause in Flims.
YANIK BÜRKLI

Sie brauchen wenig, um Spass zu haben: Eine Langhantel ohne Gewichte oder eine Podesttreppe auf Rollen genügt den Schweizer Freeski-Profis am Medientag von Swiss Ski, um sich zu amüsieren, dass alsbald sämtliche Blicke in der überproportionierten Lagerhalle in Willisau auf sie gerichtet sind. Oben auf der Treppe steht Andri Ragettli, einen Fuss auf dem Podest, den anderen auf der zweit obersten Treppenstufe, die Hände umklammern das kalte Aluminium des Geländers. Unten schiebt Fabian Bösch seinen Teamkollegen an, in halsbrecherischem Tempo würden manche denken, weil es Spass macht, würden Ragettli und Bösch wohl sagen.

Beide sorgen immer wieder mit unkonventionellen Akrobatik-Aktionen für Aufsehen, an den meisten lassen sie später via Soziale Medien die Öffentlichkeit teilhaben. Bösch machte sich an den Olympischen Spielen mit seinem Rolltreppen-Video sogar Lindsey Vonn zur Bewunderin, Ragettli erlangte mit seinen Videos beim Bewältigen von Geschicklichkeitsparcours weltweit Bekanntheit - und im serbischen Tennis-Star Novak Djokovic einen hochkarätigen Nachahmer.

«Ich will den Sport dominieren»

Die Flausen im Kopf hat Ragettli mit 20 Jahren nicht verloren, geändert hat sich aber die Reichweite seiner Video-Blogs - und auch die Ambition des Flimser. Bereits als 8-jähriger Bursche nahm er an Nachwuchs-Events teil. Um überhaupt starten zu können, korrigierte er kurzum sein Alter um zwei Jahre nach oben. Das Weltcup-Debüt gab er zwei Tage nach seinem 15. Geburtstag in Neuseeland - diesmal brauchte Ragettli mit seinem Alter nicht zu tricksen, Weltcup-Starts sind mit Erreichen des 16. Lebensjahrs gestattet. Sein Talent war augenfällig, das Repertoire an verschiedenen Sprüngen bereits beachtlich, einzig die Ansprüche formulierte Ragettli noch zurückhaltender. Aus dem: «Man weiss nie, was passiert», ist heute ein: «Ich will den Sport dominieren» geworden.

Seit dem Weltcup-Debüt vor fünf Jahren sind zwei Weltcup-Kristallkugeln in der Disziplin Slopestyle sein Eigentum geworden, nach der Saison 2015/16 triumphierte er auch im vergangenen Winter. Heuer soll nicht nur der dritte Slopestyle-Triumph folgen, Ragettli will mehr, will dominieren. «Ziel ist es, auch den Big-Air-Weltcup zu gewinnen», sagt er. Den Auftakt dazu hat er mit seinem Sieg beim ersten Big-Air-Wettkampf im neuseeländischen Cardrona bereits gemacht. Beim ersten Big-Air-Contest in Europa, am Sonntag in der norditalienischen Stadt Modena, soll der nächste Schritt folgen.

Ein Makel ist in der Vita des 1,84 m grosse Freestylers allerdings zu finden: seine Performance bei Grossanlässen. Obschon er im vergangenen Jahr der konstanteste Slopestyle-Athlet war, ging es für ihn im Parcours über Kicker und Rails beim Saison-Höhepunkt nicht auf. Mit dem Ziel Gold zu holen, war Ragettli an den Olympischen Winterspielen in Pyeonchang angetreten. Dementsprechend gross war die Enttäuschung nach dem 7. Rang beim ambitionierten Sportler. Statt Freudentränen auf dem Podest kullerten noch im Zielhang Tränen der Ernüchterung. Die Jury habe seine Sprünge zu schlecht bewertet, sagten einige, er habe den falschen Matchplan gehabt, sagt er selber. «Das gehört zum Freestyle-Sport. Einmal wird man etwas besser, einmal etwas schlechter bewertet, als man sich es erhofft.»

Wenn der Name hilft

Für einen, der in seinem Sport alles gewinnen will, hat Ragettli sehr gut gelernt, mit den Tücken des Wettkampfs umzugehen. Früher habe er damit stärker zu kämpfen gehabt, gibt er zu. So musste er lernen, dass der Status des Athleten im Freeski-Business eine Rolle spielt. «So blöd es klingt, einen bekannten Namen zu haben, ist in unserem Sport nicht unwichtig», sagt Ragettli. Wenn die Punktrichter wüssten, jetzt kommt der Ragettli, der liefert immer top ab, dann sei das gut für die Bewertung. Und Ragettli arbeitet emsig an seinem Namen, im Park und daneben auch. Im Produzieren seiner Youtube-Videos hat er neben Freeski längst eine zweite Passion gefunden. Wenn seine Clips um die Welt gehen, freut ihn dies ebenso, wie wenn er im Park dominiert.

An Möglichkeiten, seine Prävalenz im Freeski unter Beweis zu stellen, mangelt es Ragettli im Winter nach Olympia jedenfalls nicht. Neben den Weltcup-Anlässen folgen die wichtigsten Events Ende Januar und Anfang Februar mit den X-Games in Aspen und den Weltmeisterschaften in Park City. Läuft es nach Plan, soll die Saison für Ragettli dort so weiterlaufen, wie sie beim Medientag in Willisau begonnen hat: Er steht oben auf dem Podest, unten rüttelt und schiebt die Konkurrenz. Ragettli hält sich oben fest, weil es ihm Spass macht. (sda/so)

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