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Churerin soll mit 1,60 Franken pro Tag auskommen

Seit dem Lockdown mussten viele Betriebe in Graubünden schliessen. Besonders für Selbstständige entstanden so finanzielle Engpässe. Auch für die Inhaberin der Churer Buchhandlung Karlihof, Carmen Cavegn, blieben die Kassen in den letzten Wochen leer. Darum beantragte sie eine Corona-Entschädigung – diese ist aber mehr schlecht als recht.

Südostschweiz
30.04.20 - 11:39 Uhr
Politik
Buchhandlung Karlihof
Die Inhaberin der Buchhandlung Karlihof erhält eine Corona-Entschädigung von 1,60 Franken pro Tag.
OLIVIA ITEM-AEBLI

Aufgrund der aktuellen Coronakrise mussten viele Selbstständige in den letzten Wochen ihr Unternehmen schliessen. Damit die Betroffenen trotz fehlender Einnahmen über die Runden kommen, werden sie mit Tagessätzen nach Erwerbseratzordnung entschädigt. Auch Carmen Cavegn, Inhaberin der Buchhandlung Karlihof in Chur, beansprucht die Corona-Entschädigung, wie die Wochenzeitung (WOZ) berichtet. Sie erhält 1.60 Franken mal 15 Tage – minus 1.25 Franken Abzug für die AHV. Sprich, pro Monat werden ihr 22 Franken und 75 Rappen ausbezahlt.

Cavegn sagt selbst, sie habe nicht viel erwartet, jedoch sei sie auf dieses läppische Trinkgeld nicht gefasst gewesen. Daher glaubte sie zuerst an ein Missverständnis. Nach einem Anruf bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) Graubünden kam jedoch heraus, dass alles korrekt berechnet wurde. Carmen Cavegn soll also mit 1,60 Franken pro Tag auskommen. Das kann die Inhaberin der Buchhandlung nicht nachvollziehen: «Wie soll das gehen?» Sie habe eine Wohnung, Kind, Hund und Katze, all dies koste Geld.

Ebenfalls sei sie keine Unbekannte bei der SVA. Denn bis zur Schliessung wegen des Lockdowns erhielt Cavegn monatlich um die 1200 Franken für die Betreuung ihres beeinträchtigten Praktikanten, wie es heisst. Dementsprechend müsste die SVA die Umstände und die finanzielle Lage von Cavegn gut kennen. Auf Anfrage der WOZ äussert sich die SVA Graubünden aber nicht detailliert zur Situation. Man sei eine Durchführungsstelle des Bundes und Kantons und müsse sich an Vorgaben und gesetzliche Grundlagen halten.

Keine Kulanz für Cavegn

Gemäss Erwerbsersatzordnung (EO) beträgt die Coronaentschädigung achtzig Prozent des Einkommens. Der maximale Tagessatz betrage 196 Franken, jedoch gibt es anders als im Zivil- und Militärdienst keinen minimalen Tagessatz. Das sei für Selbstständige, die ein niedriges Einkommen versteuerten, ungünstig. Im Fall von Cavegn wurde ihre Coronaentschädigung auf Basis der Steuererklärung von 2017 ausgerechnet. In diesem Jahr habe sie die Buchhandlung übernommen und mehr Geld reingesteckt als eingenommen. Auch sei ihr Einkommen in den letzten Jahren zu hoch eingeschätzt wurden. Darum habe die Treuhändlerin von Cavegn die Steuerunterlagen neu zusammengestellt und teilweise wieder eingereicht.

Auf Kulanz seitens der Behörden könne Carmen Cavegn allerdings nicht hoffen. «Wie immer bei Sozialversicherungen folgen Leistungsanspruch und Leistungsbemessung klaren, rechtlich definierten Kriterien. Kulanz hat in einer Sozialversicherung keinen Platz», so eine Sprecherin des Bundesamtes für Sozialversicherungen, gegenüber der WOZ. Auch müsste die Coronaentschädigung aufgrund der vielen Anspruchsberechtigten eine schematische Regel sein. Dieses Schematische der Behörden mache Cavegn jedoch wütend: «Die Abrechnung zu erstellen, hat die SVA mehr gekostet, als bei mir ankommt», sagt sie.

Die Arbeit geht anders weiter

Trotzdem möchte Cavegn die Hoffnung nicht verlieren. «Immerhin gehören alle Bücher wirklich mir», meint sie. Sie habe gewusst, dass sie mit der Buchhandlung nicht reich werde. Trotzdem habe sie sie übernommen und viel Zeit investiert. Sieben Tage in der Woche sei sie in der Buchhandlung. Und auch während des Lockdowns arbeitet Cavegn. Denn vom Karlihof aus koordiniert sie die Hilfsgruppe Altstadt Chur. Freiwillige kaufen für Personen aus der Risikogruppe ein. Sie sei also engagiert und kein bisschen systemkonform, betont Cavegn selbst. (paa)

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Ich bin in einer ganz ähnlichen Lage. Dass es keinen Mindestsatz gibt, ist für ein Land wie die Schweiz wirklich beschämend.

Schön wäre doch, wenn Kunden von Frau Cavegn oder vielleicht die Eltern des Praktikanten, eine Sammlung eg. Crowdfunding starten würden. Auch ich als NochNicht Kundin würde einen kleinen Beitrag dazusteuern, auch wenn ich nur 1 kleine Pension erhalte,,, dafür bin ich eine passionierte Leseratte.

Und was passiert mit den vielen Krediten, die der Bundesrat (unrechtmässig?) verbürgt? Da hats wohl etliche Betrüger, die die Lücke ausnützen - und die ehrlichen sind wieder die Doofen. Wie blöd ist unser Bundesrat nur???

Auch ich ärgere mich gerade über die offensichtlichen Haarspalterei-Prozesse, die im Zusammenhang mit der Erwerbsersatzentschädigung für betroffene Selbstständige praktiziert werden. Was zunächst wie populistische Schönmalerei aussah, stellt sich nun in Wahrheit wie folgt dar: Der Erwerbsersatz (Covid) soll auf das Einkommen von 2019 berechnet werden - theoretisch ok - faktisch bei Selbstständigen aber gar nicht möglich, da dies erst nach Abschluss der Steuererklärung, die man ja erst 2020 abgeben kann und erst 2021 offiziell festgelegt wird, dann auch erst final berechnet wird. Daraus ergibt sich natürlich - jetzt aktuell, formal - ein Einkommen von "0" für 2019 ( da es ja noch nicht deklariert ist & folglich ergeben sich daraus auch *keine Erwerbsesatzleistungen... das legt vorsätzliche Heimtücke von den Formalen Verantwortlichen dar.. ). Nun gut: Der dann gebeutelte Selbstständige denkt sich vielleicht noch ( wenn er noch nicht aufgegeben hat ): - Es gibt ja noch das Selbstdeklarations-Formular für 2019 ! das - offiziell - von der SVA vorgesehene, damit wird es schon gelingen ! - Positiv gedacht & darauf die besagte Selbstdeklaration hoffnungsvoll nachträglich & wahrheitsgetreu vorgenommen und das vorläufige Ergebnis für 2019 eingetragen und an die SVA gesendet, um damit das Einkommen für 2019 wahrheitsgemäss aufzuklären. Auf Nachfrage zu diesem Entscheid wurde mir erläutert: "Erneute Anträge für die Erwerbsersatzentschädigung werden nicht angenommen" ... Ääätsch ( wurde natürlich nicht gesagt, das kam aber so rüber ) - Nun denn, mir geht es da gar nicht so sehr um das Geld, sondern um diesen unsagbar verachtenden Prozess und die willkürliche Un-Rechtmässigkeit mit der die Behörden hier Wahrheit, Würde und Sinnhaftigkeit treten. - Es kann ja wohl nicht sein, das die Zahlung von Notlagen-Hilfe ("Härtefall-Regelung " : O-Ton SVA ) wegen eines FORMFEHLERS ! verweigert wird...

Melden Sie sich beim Sozialamt mit dem Zusatz Flüchtling/Asyl an und Sie sind alle Sorgen los! Traurig aber so geht es leider im CH-System!

Nicht nur das es keine Mindestentschädigung gibt, welches ein Menschenwürdiges Leben ermöglichen könnte, so wird im Gegensatz zum Militärdienst auch keine Betriebsentschädigung ausgezahlt , welches laut EO Verordnung 67 Franken pro Tag betragen würde.
Nur erzählt uns dies der Bundesrat bei keiner Pressekonferenz. Da zählen Sprüche wie "Niemand wird alleine gelassen. Hilfe ist unterwegs"
Nur sind die dafür vorgesehenen Kredite für viele Unternehmer nur eine Verschiebung und Verschlimmerung ihrer Notsituation.

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