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Geld und Herzblut – das brauchts für eine Einbürgerung in Chur

Wer Bürger eines Schweizer Hauptortes werden will, muss in Chur tiefer in die Tasche greifen als beispielsweise in Lausanne, wie der Vergleichsdienst Comparis aufzeigt. Wir zeigen Euch, wie sich diese Kosten in Chur zusammensetzen. Und weshalb das Konzept der Bürgergemeinden alt und dennoch zeitlos ist.

Simone
Zwinggi
31.07.19 - 04:30 Uhr
Politik
Um Bürger der Stadt Chur zu werden, muss man verschiedene Voraussetzungen erfüllen.
Um Bürger der Stadt Chur zu werden, muss man verschiedene Voraussetzungen erfüllen.
ARCHIV

«Der maximale Einbürgerungsbetrag in Chur beläuft sich auf 1900 Franken», sagt Marco Caduff, Ratsschreiber der Bürgergemeinde Chur. «Er gilt für ein ausländisches Ehepaar mit Kindern.» Diese Gebühr decke den gesamten Arbeitsaufwand der Bürgergemeinde ab, die bei einem Einbürgerungsantrag verschiedene Aspekte abklären muss. Es gilt, sich ein Bild zu machen von der finanziellen Situation des Antragsstellers. «Dies geschieht mithilfe von Rücksprachen mit verschiedenen Amtsstellen wie z.B. der regionalen Arbeitsvermittlung (RAV), dem Steuer- und dem Betreibungsamt oder mit den Sozialen Diensten der Stadt», erklärt Caduff. Ebenso prüfe man die allgemeine Integration. «Seit drei Jahren werden dazu in Chur Kurse als Vorbereitung auf den schriftlichen Einbürgerungstest angeboten. Die Kurse werden gemäss Caduff von einem ehemaligen Kantonsschullehrer begleitet und vermitteln unter anderem Wissen zu Land, Kanton und Stadt, zum politischen Aufbau der Schweiz und zur Geografie. Nach bestandenem Test werden die Gesuchsteller zu einem Gespräch mit der dreiköpfigen Einbürgerungskommission eingeladen, wie Caduff weiter ausführt. «Die detaillierten Kosten, die bei einer Einbürgerung anfallen, sind auf unserer Website transparent aufgeführt», erklärt Caduff. Zusätzliche Kosten würden keine anfallen.

Höhere und tiefere politische Hürden

Comparis hat nun die Einbürgerungskosten für ausländische Einzelpersonen verglichen. Diese Kosten setzen sich aus drei Teilen zusammen. Für alle Einbürgerungswilligen einheitlich ist die Gebühr auf Bundesebene. Diese beträgt für eine Einzelperson 100 Franken. Doch dann ist es bereits vorbei mit der Einheit. Bei der Gebühr für die kantonale Bürgerschaft treten grosse Unterschiede auf. Als günstigsten Kanton listet Comparis Luzern mit 350 Franken auf, als teuersten Basel-Land mit 1550 Franken. In der Liste von Comparis figuriert Graubünden mit 1000 Franken bei den teureren Kantonen. Weshalb so grosse Unterschiede? Leo Hug, Gebührenexperte von Comparis, sagt gegenüber Radio Südostschweiz: «Das ist Politik. Die einen Kantone setzen ihre Hürden für die Einbürgerung tiefer, die anderen höher.»

Betrachtet man weiter die Gebühren auf Gemeindeebene, treten noch grössere Unterschiede auf. Gemäss Comparis verlangt die Gemeinde Appenzell keine separaten Gebühren, sondern erhält ihren Anteil vom Kanton. Schwyz hingegen verlangt viel: 3000 Franken kassiert hier die Gemeinde für eine Einbürgerung. Die günstigsten Gesamtkosten – also die Einbürgerungsgebühren auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene zusammengezählt – weist gemäss der Erhebung von Comparis der waadtländische Hauptort Lausanne mit 800 Franken auf. Am teuersten ist es in Schwyz mit 3600 Franken.

Doch gilt es, diese Gesamtkosten mit Vorbehalt zu vergleichen: Nicht überall seien sämtliche anfallende Kosten aufgeführt, schreibt Comparis. So sei in Schwyz der Einbürgerungskurs in der Gebühr enthalten, anderswo würden entsprechende Kurse zusätzlich kosten. Und wer seine Sprachkenntnisse noch nachweisen muss, bezahlt zum Beispiel in Zürich nochmals 250 Franken.

Nur Aufwand decken

Über die grossen Unterschiede bei den Einbürgerungsgebühren auf Kantonsebene zeigt man sich im Bündner Amt für Migration und Zivilrecht erstaunt. Beat Brenn, stellvertretender Abteilungsleiter Bürgerrecht und Zivilrecht, kann sich diese Differenzen nicht genau erklären. Zur Gebührenhöhe in Graubünden sagt er: «Seit der Einführung des Kostendeckungsprinzips im Januar 2006 gibt es bei uns ein Kostendach von 2000 Franken sowohl auf Gemeinde- wie auch auf Kantonsebene.» Mit dieser Regelung soll der Aufwand für eine Einbürgerung gedeckt, aber kein Gewinn erzielt werden, so Brenn. «Ich sehe keinen Handlungsbedarf für den Graubünden, diese Kosten wieder zu ändern.» Das definierte Kostendach werde nur sehr selten ausgeschöpft.

Eine Sache des Herzbluts

In Graubünden gibt es seit dem 1. Januar 106 Gemeinden. 67 von ihnen haben neben der politischen Gemeinde auch eine Bürgergemeinde, 39 Gemeinden nicht.  Bürgergemeinden machen immer wieder mit Einbürgerungsaktionen auf sich aufmerksam. So auch Chur. Bis Ende September können sich Bündner für 300 Franken einbürgern lassen, Schweizer Bürger anderer Kantone für 550 Franken – natürlich nur, wenn der Gesuchsteller gewisse Bedingungen erfüllt, wie der folgende Artikel zeigt:

«Bislang haben rund 600 Personen von der Aktion Gebrauch gemacht», erzählt Caduff. Sonst seien das etwa 100 Personen pro Jahr, die einen Einbürgerungsantrag stellen. «Normalerweise sind es primär ausländische Staatsangehörige, die sich einbürgern lassen wollen», so Caduff. Mit der laufenden Aktion werden in Chur wohnhafte Bündner oder Schweizer aus anderen Kantonen angesprochen. Ob bis Ende September die von der Bürgergemeinde zum Ziel gesetzten 2000 Gesuche eingehen, wird sich zeigen.

Doch weshalb soll man sich als Schweizer in der Bündner Hauptstadt einbürgern lassen? «Das ist vor allem eine Herzensangelegenheit», sagt Caduff. «Finanzielle Vorteile erzielt man damit nicht.» Es sei eine emotionale Sache, zum Churer Bürger ernannt zu werden. Und eine mit Tradition. Seit jeher leisten Bürgergemeinden soziale Dienste und verwalten ihr Land, ihre Liegenschaften und ihre Finanzen. Ebenso fördern sie soziale und kulturelle Leistungen. Ein paar konkrete Beispiele dazu lassen sich von der Bürgergemeinde Chur aufzählen: Alle Einwohner von Chur erhalten im Skigebiet Arosa-Lenzerheide Rabatt, weil in Arosa rund zwei Drittel des Bodens, auf welchem sich das Skigebiet befindet, der Bürgergemeinde gehört. Ebenso vermietet die Bürgergemeinde Schrebergärten und bietet ihren Bürgern günstiges Brennholz an. Und sie unterstützt Freizeit- und Ferienangebote für Kinder und Jugendliche sowie kulturelle Anlässe.

Sogar der Alpkäse von Carmenna, Maran, Prätsch und Sattel haben etwas mit der Churer Bürgergemeinde zu tun, wie dieser Facebook-Post zeigt:

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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