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Die Parteien bringen sich in Stellung

Drei Fragen stehen vor den Grossratswahlen am 10. Juni im Zentrum: Kann die CVP ihren schleichenden Abstieg stoppen? Entkommt die BDP Graubünden ihrem nationalen Schicksal? Und können die Polparteien SVP und SP ihren Vormarsch fortsetzen? Eine Auslegeordnung.

21.02.18 - 04:30 Uhr
Politik

Erdrutschsiege sind im Bündner Wahlsystem nicht vorgesehen. Dafür sorgt das kleinräumige Majorzwahlsystem, nach welchem trotz politischer Gegenwehr auch noch am 10. Juni das Bündner Kantonsparlament in 39 Wahlkreisen gewählt wird (siehe Kasten). Dennoch sind vor allem im bürgerlichen Lager kleinere und auch grössere Verschiebungen nicht ausgeschlossen.

So steht etwa die BDP vor der heiklen Ausgangslage, die Hälfte ihrer Grossräte ersetzen zu müssen. Von 26 BDP-Grossräten treten 13 nicht mehr zur Wahl an. Vor vier Jahren war die Ausgangslage bei der BDP noch umgekehrt. Damals musste die Partei nur gerade drei Sitze mit neuen Kandidaten verteidigen. Und so gelang es auch, dem Schicksal der BDP Schweiz zu entkommen. Statt in die politische Bedeutungslosigkeit abzurutschen, konnte sie sogar einen Sitz hinzugewinnen und sich als klar drittstärkste politische Kraft im Kanton etablieren (siehe Grafik).

BDP-Fraktionspräsident Gian Michael ist zuversichtlich, dass seiner Partei dieses Kunststück trotz vieler Demissionen erneut gelingen wird. «Wir haben gute Köpfe in den Regionen, und das Wahlverfahren kommt uns entgegen.»

Auch der Bündner Politologe Clau Dermont glaubt an einen zumindest vorläufigen Fortbestand einer starken BDP Graubünden. «Diesen Sommer erleben wir noch nicht die entscheidende Wahl für die BDP.» Als einzige Partei stelle die Partei heute zwei Regierungsmitglieder. Dadurch werde die BDP von den Bündnern als «Bündner Partei wahrgenommen, die mitgestaltet», sagt Dermont. Für die Zukunft der BDP dürfte deshalb insbesondere auch der Ausgang der Regierungsratwahlen mitentscheidend sein.

CVP kämpft gegen den Trend

Der grösste Feind der CVP Graubünden ist der Trend. Die Partei sieht sich seit drei Wahlen mit einem schleichenden Abstieg konfrontiert. Von ursprünglich 40 Sitzen ist die einst mit Abstand grösste Fraktion des Bündner Kantonparlaments bei den letzten Wahlen auf noch 31 Sitze zurechtgestutzt worden. Zum Einen wurden neue Parteien gegründet, die sich ein Stück vom CVP-Kuchen sicherten. Zum anderen wurde die CVP aber auch aus Tälern verdrängt, in denen sie traditionell immer vertreten war. Neue Hoheitsgebiete kamen keine hinzu. «Wir wollen auf keinen Fall unter die Marke von 30 Sitzen fallen», gibt Stefan Engler als Ziel für die kommenden Wahlen heraus. Der kantonale Parteipräsident und Ständerat will die Sitze in den Regionen, aus denen die CVP bei den letzten Wahlen verdrängt wurden, zurückzuerobern. Unter anderem hofft die CVP auf Sitzgewinne in den Bündner Südtälern, im Oberengadin, im Domleschg und im Schanfigg.

SVP und ihr grosses Potenzial

Die Gewinnerinnen der letzten Wahlen waren die Polparteien SP und SVP. Die SVP Graubünden konnte ihre Präsenz im Kantonsparlament von vier auf neun Sitze erhöhen. «Noch eine Verdoppelung wird uns kaum gelingen, doch vier bis fünf zusätzliche Mandate wären schön», sagt Reto Rauch auf die Frage, ob die SVP ihren Vormarsch fortsetzen könne. Die grössten Chancen rechnet sich der Geschäftsführer der SVP Graubünden in den grossen Wahlkreisen Chur, Davos und Fünf Dörfer aus. Dies aufgrund des Majorzwahlsystems, das es kleinen Parteien schwer macht, in kleinen Wahlkreisen mit traditionellen Seilschaften Fuss zu fassen.

Bei den Nationalratswahlen vor drei Jahren hatte die SVP mit 30 Prozent Wähleranteil ihr Potenzial bereits angekündigt. «Bisher hatte die SVP bei Majorzwahlen aber immer Mühe, Leute aufzubauen», betont Dermont. Weil ausserdem bekannte SVP-Haudegen wie Domenic Toutsch, Andrea Davaz und Christian Mathis zurücktreten, rechnet der Politologe nicht mit einem markanten Sitzgewinn der SVP.

Anzahl Sitze von 2002 bis 2014.
Anzahl Sitze von 2002 bis 2014.
STANDESKANZLEI GRAUBÜNDEN/SÜDOSTSCHWEIZ

SP mit namhaften Rücktritten

Auch die SP ist mit namhaften Rücktritten konfrontiert. Neben Regierungsratskandidat Peter Peyer treten auch Johannes Pfenninger, Christina Bucher, Jon Pult und Christoph Jaag nicht mehr zu Wahl an. Vor allem in Peyers Wahlkreis Trin und in der SVP-Hochburg Prättigau, wo sich Jaag jeweils behaupten konnte, wird eine Verteidigung der Sitze schwierig. «Rücktritte sind im Majorz immer eine grosse Herausforderung. Wir sind aber relativ optimistisch, weil wir ein breites, vielfältiges Kandidatenspektrum rekrutieren konnten», sagt SP-Fraktionspräsident Conradin Caviezel zu den Wahlchancen im Sommer. Caviezel sieht unter anderem in Rhäzüns, im Oberengadin und in Davos realistische Chancen für einen Sitzgewinn.

Zur Erinnerung: Die SP Graubünden hatte vor vier Jahren das beste Wahlergebnis in der Parteigeschichte eingefahren. In Anbetracht der vielen Rücktritte wäre eine Bestätigung dieses Ergebnisses schon ein Erfolg.

Mehr Frauen auf der Liste

Einen Teilsieg hat die SP bereits errungen, wenn es um den Anteil Frauen auf den vorläufigen Nominationslisten für die Grossratswahlen geht. Nachdem schon heute feststeht, dass der Kanton Graubünden ab 2019 von einem reinen Männergremium regiert wird, kommt diesem Aspekt zusätzliche Bedeutung zu. Neun von insgesamt 22 Nominierten sind bei den Sozialdemokraten Frauen. Bei der FDP sind acht Frauen und 35 Männer auf den Listen vertreten, für die BDP kandidieren fünf Frauen und 24 Männer, bei der SVP stellen sich drei Kandidatinnen und 18 Kandidaten zur Wahl und für die GLP treten eine Frau und vier Männer an.

Die CVP Kreisparteien haben ihre Nominationsversammlungen noch vor sich. Gemäss Engler ist das Bestreben in allen Kreisparteien da, den Frauenanteil zu erhöhen.

Majorz-Beschwerde in der Warteschlaufe

Die Majorzgegener reichten im September 2017 eine Beschwerde gegen den Regierungsbeschluss zu den kantonalen Wahlen 2018 ein. Aktuell ist aber nicht klar, ob die Beschwerde überhaupt rechtsgültig ist. Die Bündner Regierung machte geltend, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer, Andreas Auer, als Nicht-Anwalt in Graubünden gar nicht zur Rechtsvertretung zugelassen ist. Die Entscheidung, ob dieser Formfehler unter Einhaltung der Fristen noch korrigierbar ist, liegt beim Verwaltungsgericht. Eine Antwort steht noch aus.

34 Grossrätinnen und Grossräte treten nicht mehr an

Aktuell sind folgende Demissionen bekannt:

BDP: Christiano Pedrini (Roveredo), Monika 
Lorez-Meuli (Rheinwald), Robert Heinz (Avers), Ueli Bleiker (Domleschg), Elisabeth Mani-Heldstab (Davos), Roger Vetsch (Klosters), Andreas Felix (Fünf Dörfer), Leo 
Jecker (Fünf Dörfer), Heinz Dudli (Fünf 
Dörfer), Paul Komminoth (Maienfeld), Ernst Casty (Chur), Andy 
Kollegger (Chur), Felix Koch (Trins).

CVP: Erwin Degonda (Disentis, verstorben), Hans Geisseler (Fünf Dörfer), Beat Niederer (Fünf Dörfer), Elmar Foffa (Rhäzüns), Theo Joos (Rhäzüns).

FDP: Claudia Troncana (Oberengadin), Christian Hartmann (Oberengadin), Leta Steck (Ramosch), Philipp Gunzinger (Suot Tasna), Walter Vetsch (Jenaz), Karl Heiz (Poschiavo), Markus Clavadetscher (Domleschg), Jürg Pfister (Oberengadin, ständiger Stellvertreter).

SP: Peter Peyer (Trins), Johannes Pfenninger (Domleschg), Christina Bucher (Chur), Jon Pult (Chur), Christoph Jaag (Schiers).

SVP: Domenic Toutsch (Sur Tasna), Andrea Davaz (Maienfeld), Christian Mathis (Küblis).

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