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Färbt die Begeisterung für Sport auf die Kinder ab?

Wie beeinflussen Eltern und das Wohnumfeld das Sportverhalten von Kindern? Dies untersucht Noelia Jacober in ihrer Maturaarbeit. Dabei hat sich gezeigt, dass die Einstellung der Eltern eine wichtige Rolle spielt.

Südostschweiz
24.01.23 - 04:30 Uhr
News
Sportlich unterwegs: Noelia Jacober aus Glarus zeigt den Einfluss der Eltern und der Wohnumgebung auf das Sportverhalten von Kindern auf.
Sportlich unterwegs: Noelia Jacober aus Glarus zeigt den Einfluss der Eltern und der Wohnumgebung auf das Sportverhalten von Kindern auf.
Bild Madeleine Kuhn-Baer

Bewegung ist gesund. Das wüssten wir eigentlich alle. Regelmässige Bewegung hat einen Schutzeffekt bei weitverbreiteten Beschwerden und Krankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Knochenschwund sowie Darm- und Blutkrebs. Auch mental führt körperliche Aktivität zu positiven Effekten. Ausgewogene Bewegung ist Teil eines gesunden Lebensstils, wie Noelia Jacober in ihrer Maturaarbeit an der Kantonsschule Glarus schreibt.

In der Schweiz, die zu den sportlichsten Ländern Europas gehört, gibt es denn auch klare Empfehlungen: Erwachsene sollten sich mindestens zweieinhalb Stunden pro Woche mit mindestens mittlerer Intensität bewegen. Dies kann in Form von Alltagsaktivitäten oder Sport stattfinden.

Kindern im Vorschulalter wird geraten, sich pro Tag im Minimum drei Stunden mit anderen Kindern, allein oder mit Erwachsenen körperlich aktiv zu betätigen. Dazu gehören unter anderem Alltagsbewegungen wie Treppensteigen, Hüpfen, Laufen, Schaukeln und Klettern.

Schulpflichtigen Kindern wird mindestens eine Stunde pro Tag Bewegung von mittlerer bis hoher Intensität empfohlen. Zum Beispiel Gehen, Radfahren, Spielen im Freien, Joggen, Ballspiele, Schwimmen oder andere bewegungsintensive Sportarten. Sportunterricht, schulische Aktivitäten, Schulweg wie auch Freizeitangebote und Sportvereine bieten Möglichkeiten dafür.

«Spass, Abwechslung und Erholung»

Doch diese Empfehlungen werden bei Weitem nicht von allen eingehalten. Weil Eltern Vorbilder für ihre Kinder sind, stellt sich die Frage, wie sie das Bewegungs- und Sportverhalten der Kinder beeinflussen. Und welche Rolle spielt das Wohnumfeld dabei? Sind Kinder auf dem Land sportlicher als solche in der Stadt?

Diesen Fragen geht die 17-jährige Noelia Jacober aus Glarus in ihrer Maturaarbeit nach. Sie bezeichnet sich selbst als sportlich. «Bewegung spielte in meinem Alltag schon immer eine grosse Rolle. Bereits mit drei Jahren habe ich mit meiner Mutter das Eltern-Kind-Turnen besucht, mit meinem Vater am Stadtlauf teilgenommen und Skifahren gelernt», so Jacober.

Bis heute hat sie sich mit vielen verschiedenen Sportarten befasst – Klettern, Bouldern, Geräteturnen, Reiten sowie Tanzen – und sich in der Jugendriege polysportiv bewegt. Aktuell besucht sie den Jazz- und Gymnastikunterricht, geht in den Kraftraum und tritt ab und zu mit dem Zirkus Mugg in Betschwanden auf der Bühne auf. Zudem ist sie Mitglied im Turnverein Glarus alte Sektion. «Sport bedeutet für mich Spass, Abwechslung und Erholung», sagt sie. Sportlich zu sein ist für sie eine Lebenseinstellung: «Das heisst viel Bewegung auch im Alltag und nicht ein- bis zweimal pro Woche bei einer Sporteinheit wie Joggen oder Fussball.»

272 Teilnehmende mit 463 Kindern

Jacobers Hypothese lautet, «dass sportliche und bewegungsmotivierte Eltern vermehrt Sport treibende Kinder haben und demnach Kinder von unsportlichen Eltern weniger Sport treiben». Trotzdem glaubt sie, dass sportlich weniger aktive Eltern ihre Kinder zu Sport motivieren können: «Die Eltern müssen selbst nicht unbedingt sportlich sein. Doch es braucht ihre Bereitschaft, sich die Zeit zu nehmen, um ihre Kinder an Sportaktivitäten anzumelden und sie auch hin und wieder in die Trainings oder an Turniere/Wettkämpfe zu begleiten.» Weiter nimmt Jacober an, «dass ein ländliches Umfeld einen positiven Einfluss auf die Anzahl Stunden aktiver Tätigkeiten hat».

Für die Beantwortung der Fragen hat sie eine Online-Umfrage mit Links im Bekanntenkreis sowie an zahlreichen Schulen der Deutschschweiz durchgeführt. Sie richtete sich an Erwachsene mit Kindern im Kindergarten- und Primarschulalter. 300 Fragebogen wurden ausgefüllt – von deutlich mehr Müttern als Vätern –, 272 konnte sie auswerten. Sie betrafen 463 Kinder.

Einstellung der Eltern ist wichtig

Ihre Hypothese bestätigte sich zum grössten Teil. «Für Kinder in dem befragten Alter sind Eltern wichtige Schlüsselfaktoren. Dies durch ihr Sportverhalten sowie ihr Gesundheitsbewusstsein und ihre Einstellung zu Bewegung und Sport.» Doch es stellte sich heraus, dass weit mehr Faktoren eine Rolle spielen.

«Das Sportverhalten der Eltern und ihre Einschätzung, wie wichtig der Sport für ihre Kinder ist, haben einen Einfluss auf deren Sportlichkeit. Das zeigt: Eltern, welchen bewusst ist, wie wichtig genügend Bewegung für die Entwicklung ihrer Kinder ist, kann das Motivieren ihrer Kinder für mehr Bewegung und Sport gelingen, auch wenn sie selbst nicht sportlich aktiv sind», schreibt die Maturandin in ihrem Fazit.

Überrascht hat sie, dass der Anteil sportlicher Kinder auf dem Land sich kaum von demjenigen in der Stadt unterscheidet. «Doch in der Freizeit bewegen sich Kinder in ländlicher Umgebung mehr und sind somit insgesamt doch aktiver als Kinder in der Stadt.» 

Ihre Quintessenz: «Wer Sport ausüben will, kann dies, egal, wo man wohnt oder wie das Sportverhalten der Eltern ist. Wichtig ist deren Überzeugung, dass sich Kinder bewegen sollen.»

Noelia Jacober hofft, «dass in Zukunft der Bewegungsmangel nicht weiter zunimmt und sich Eltern mehr gemeinsam mit ihren Kindern sportlich betätigen». Für sie ist Sport ein guter Ausgleich zur heutigen Leistungsgesellschaft.

Die Maturandin würde das Thema wieder wählen, findet sie es doch nach wie vor interessant. Aber wie ihre Schwester Sport zu studieren, kommt für sie nicht infrage: «Ich möchte Sport als Hobby behalten und nicht zum Beruf machen.» Bis vor Kurzem war ein Medizinstudium ihr Traum, «doch wegen der Situation im Gesundheitswesen bin ich nicht mehr überzeugt».

So wird sie nach der Matura ein Zwischenjahr einschalten mit Praktika, Reisen, Zeit für sich. Ob es anschliessend ein Studium in Richtung Tourismus, Event-Management oder doch im Gesundheitsbereich sein wird, ist derzeit noch offen.

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