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Totes Mädchen in Glarus: Eine Spendenaktion für den Kinderschutz

Nach dem Tod eines dreijährigen Mädchens ist die Anteilnahme im Glarnerland gross. Neben einem Lichtermarsch startet ein Vater aus Schwanden eine Spendenaktion für den Kinderschutz.

Paul
Hösli
10.06.23 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale
Zeigt Herz: Mauro Calcagnile hat eine Spendenaktion für den Kinderschutz ins Leben gerufen.
Zeigt Herz: Mauro Calcagnile hat eine Spendenaktion für den Kinderschutz ins Leben gerufen.
Bild Sasi Subramaniam

Der Schock und die Trauer über die Meldung am vergangenen Freitag sitzt bei den Glarnerinnen und Glarnern noch immer tief. Ein dreijähriges Mädchen ist an «diversen Verletzungen» gestorben, wie die Kantonspolizei Glarus meldete. Der Vater und die Stiefmutter, beide 24 Jahre alt, wurden in der Folge verhaftet und sitzen seither in Untersuchungshaft. Gegen sie wird ermittelt, weil sie im Verdacht stehen, sich im Zusammenhang mit dem Tod der Tochter strafbar gemacht zu haben.

Auf Facebook gab und gibt es weiterhin unzählige Beileidsbekundungen, die Anteilnahme am Tod des Mädchens ist gross. So hat Flavia Santos aus Glarus für Dienstag, 13. Juni, einen Lichtermarsch organisiert. «Mir ist es wichtig, dass das Mädchen ihren letzten Weg mit viel Licht begeht und dass wir sie mit unseren Gedanken unterstützen können», sagt Santos. Der Marsch soll in Gedenken an alle Kinder dieser Welt, die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden, stattfinden.

Keinen Platz für Hass

Der Start des Lichtermarschs erfolgt um 21.30 Uhr auf dem Rathausplatz in Glarus. Die Route führt über die Schützenhausstrasse zur Kasernenstrasse und dann zum Wohnort. Dort kommt es zu einer Schweigeminute für das verstorbene Mädchen. Danach geht es weiter zu den Technischen Betrieben Glarus und über die Schützenhausstrasse wieder zurück zum Rathausplatz. «Nehmt ein Licht mit für das tote Mädchen und alle Kinder dieser Welt», schreibt Santos auf Facebook. «Für Hassreden bei diesem Marsch gegenüber den Tätern hat es keinen Platz!», hält sie unmissverständlich fest. Wer möchte, dürfe zudem eine Leuchtweste anziehen.

«Es sind alle willkommen, die spontan am Lichtermarsch teilnehmen wollen.»

Flavia Santos, Organisatorin Gedenkmarsch

Bisher haben sich auf Facebook rund 60 Menschen für den Lichtermarsch zum Gedenken an das Mädchen angemeldet. Etwa gleich viele haben ein vielleicht angegeben. Santos musste für den Gedenk-Lichtermarsch bei der Gemeinde Glarus eine Bewilligung einholen, welche am Freitag erteilt wurde. «Ich habe rund 120 Teilnehmende angegeben. Aber natürlich sind alle willkommen, die spontan daran teilnehmen wollen», so Flavia Santos.

Im Gedenken: Vor dem Wohnort des Mädchens in Glarus trauern die Menschen um das tote Mädchen.
Im Gedenken: Vor dem Wohnort des Mädchens in Glarus trauern die Menschen um das tote Mädchen.
Bild Sasi Subramaniam

Ein T-Shirt für den Kinderschutz

Ebenfalls am Lichtermarsch teilnehmen wird Mauro Calcagnile aus Schwanden. Dem Vater von zwei Mädchen im Alter von drei und zehn Jahren geht der Fall nahe. «Das ist tragisch, mich als Elternteil beschäftigt das», sagt der gebürtige Bündner, welcher der Liebe wegen den Weg vor über 15 Jahren ins Glarnerland gefunden hat. Er betreibt eine Werbetechnik-Firma in Schwanden.

Er hatte die Idee, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen. «Der Auslöser war der tragische Fall in Glarus», so Calcagnile. Er möchte jedoch festhalten, dass er damit keine Anschuldigung an die Verdächtigen machen will, so lange man nicht wisse, was wirklich geschah. «Es geht um den Kinderschutz im Allgemeinen», ergänzt der 42-Jährige. Denn: «Kinder sind nie schuld, egal was ist. Sie kommen unschuldig auf die Welt, alles andere bekommen sie von den Eltern und Mitmenschen auf ihren Lebensweg mit.»

Code einscannen und direkt spenden

Im Mittelpunkt der Aktion von Mauro Calcagnile steht ein T-Shirt in verschiedenen Grössen. Es zeigt auf der Vorderseite eine rote Hand einer erwachsenen Person, welche eine weisse Kinderhand schützt. Auf der Rückseite steht: «Sei wachsam, schütze Kinder.» Entworfen hat der Grafiker Calcagnile das T-Shirt-Design selber und die Leibchen werden auch in Schwanden bedruckt.

Der Clou am weissen Rundhals-Leibchen ist aber etwas anderes. «Auf der Rückseite befindet sich ein QR-Code für Twint», erklärt er und ergänzt: «Wer den Code einscannt, kann direkt spenden.» Der Mindestbetrag ist 30 Franken. Sein Wunsch sei natürlich, dass möglichst viele Menschen das T-Shirt kaufen und auch anziehen.

Alles wird gespendet

Der Erlös aus der Spendenaktion geht vollumfänglich an den Kinderschutz Schweiz. Das T-Shirt soll 15 Franken kosten, und auch dieser Betrag geht an die Organisation. «Man darf natürlich auch mehr geben. Wenn aber etwa ein Kind nur fünf Franken für das T-Shirt bezahlen kann, ist das natürlich auch in Ordnung», so Calcagnile. Je nachdem wie erfolgreich die Aktion ist, kann es sein, dass er etwas aus dem eigenen Sack bezahlen wird. «Wir haben finanzielle Unterstützung durch Sponsoren, welche das Projekt gutheissen und unser Lieferant hat aufgrund der guten Sache den Einkaufspreis für die T-Shirts gesenkt», erklärt Calcagnile. Wie viele Exemplare er letztlich verkaufen werde, könne er jedoch überhaupt nicht einschätzen. Klar ist nur: Gewinn will er durch die Aktion nicht erzielen.

«100’000 Franken ist das Ziel, was nach viel klingt, erscheint mir realistisch.»

Mauro Calcagnile, Mitinitiant der Spendenaktion

Am 13. Juni will er seine T-Shirts für den Lichtermarsch in Glarus bereit haben. «Wir wollen ein Zeichen für den Kinderschutz setzen», so Calcagnile. So plant er einen kleinen Stand, freiwillige Helfende seien erwünscht. Dafür anmelden kann man sich auf der Webseite.

Bestellen kann man die Spenden-T-Shirts auch über die Webseite der Firma www.smidea.ch. Mauro Calcagnile bittet darum, die T-Shirts vor Ort abzuholen, und sagt: «Dann können wir uns die Versandkosten sparen.» Am 7. Juli findet dann auf dem Rathausplatz eine symbolische Scheckübergabe statt. Mauro Calcagniles Wunsch für diese ist, wie er sagt: «Die Leute sollen zahlreich mit angezogenem T-Shirt erscheinen.»

100’000 Franken als Spendenziel

Mauro Calcagnile hofft, dass durch die Spendenaktion 100’000 Franken zusammenkommen. «Diese Zahl schwirrt in meinem Kopf herum. Was nach viel klingt, erscheint mir realistisch», so Calcagnile. Die Aktion laufe schweizweit, an der Medienpräsenz habe man erkennen können, dass der Fall von nationalem Interesse sei. «Der Fall des Mädchens bewegt die Menschen emotional sehr.»

Will wachrütteln: Auf dem Spenden-T-Shirt von Mauro Calcagnile sind neben den beiden Händen und dem QR-Qode auch der Spruch «Sei wachsam, schütze Kinder» und das Logo vom Kinderschutz Schweiz platziert.
Will wachrütteln: Auf dem Spenden-T-Shirt von Mauro Calcagnile sind neben den beiden Händen und dem QR-Qode auch der Spruch «Sei wachsam, schütze Kinder» und das Logo vom Kinderschutz Schweiz platziert.
Bild Sasi Subramaniam

Das gesammelte Geld soll dabei helfen, die Gesellschaft für die Gewalt an Kindern zu sensibilisieren. Mauro Calcagnile nennt ein Beispiel: «Viele Menschen wissen nicht, wie sie mit einer Situation umgehen sollen, wenn ein Kind in der Öffentlichkeit angeschrien oder gar physisch angegangen wird», so Calcagnile. Sein Ziel sei daher, dass mit der finanziellen Unterstützung eine Anlaufstelle für Aussenstehende geschaffen werden könne. «Damit die Leute lernen, wie sie in einer solchen Situation reagieren sollen.» Es sei für Menschen gedacht, die helfen wollen, aber nicht wüssten, wie. So könne man ein Treffen oder einen Kurs anbieten, in welchem Interessierte geschult werden. Oder wie es Calcagnile sagt: «Das Problem an der Wurzel packen.»

Weitere Informationen zu dem Spendenprojekt und zur Anmeldung für Helfende am Stand am Lichtermarsch unter www.smidea.ch/spendeaktion/

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

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