×

Teil 2 über unsere Vorfahren - die Unterdrückten?

Ihr habt Euch in einem Voting für einen genaueren Blick auf das Buch «Graubündnerische Geschichten» entschieden. Ein Buch, welches knapp 50 Jahre nach der Gründung des grössten Schweizer Kantons, am 12. August 1852, in Chur herausgegeben wurde und nur gerade 50 Rappen kostete. Willkommen zu Teil 2.

08.06.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Sprich nicht: Was ist es, dass die vorigen Tage besser waren, denn diese? Denn du fragst solches nicht weislich.
Sprich nicht: Was ist es, dass die vorigen Tage besser waren, denn diese? Denn du fragst solches nicht weislich.
MONTAGE SUEDOSTSCHWEIZ

Wir haben Euch eine Auswahl von bis zu 150-jährigen Schätzen aus der Bündner Bücherwelt gegeben. Und Ihr habt für Euren Favoriten abgestimmt. Das Resultat: Die Mehrheit will die Graubündnerischen Geschichten genauer unter die Lupe nehmen. Das Buch «Graubündnerische Geschichten» wurde im Jahre 1852 publiziert, 50 Jahre nach der Gründung Graubündens 1803. Herausgegeben worden ist es vom Erziehungsrat. Ein Exemplar kostete dazumal gerade einmal 50 Rappen. Gedruckt wurde das Werk von Pargätzi und Felix Druck in Chur. Nachdem wir in Teil 1 die Herkunft der Rhätier behandelt haben, folgt nun Teil 2.

Die rhätischen Untergrafschaften

Frühzeitig kam die christliche Lehre nach Rhätien. Daraufhin wurde Chur 451 nach Christus zum Sitz eines Bischofs. Asimo, der erste Bischof zu Chur, stand unter dem Erzbischof von Mailand. Das Christentum war längst einheimisch geworden und so entstanden immer neue Klöster bis in die höchsten Lagen wie beispielsweise das Kloster von Disentis und Cazis. Während Karl der Grosse (768-814) das Fränkische Reich eroberte, teilten seine Enkel nach seinem Tod das Erbe in Deutschland, Italien und Frankreich. Rhätien und der alemannische Teil der Schweiz kam zum Deutschen Reiche. Dies führte zu harten Zeiten. Kein Leben, kein Eigentum war damals sicher. So wurden auch das Bistum, die Burg und Kirche zu Chur sowie die 230 Kirchen – so viele gab es damals in Rhätien – zerstört und ausgeraubt. Nur mit viel Mühe konnte der damalige Bischof Victor bei Ludwig dem Frommen, Sohn von Karl dem Grossen, 825 nach Christus Gerechtigkeit und Rückgabe des Geraubten erlangen.

Im Jahre 917 wurde die Kirche von Chur von Mailand getrennt und deren von Mainz untergeordnet. Als Otto der Erste das deutsche Reich übernahm, folgten wieder bessere Zeiten. Der Bischof von Chur und die Edeln des Landes unterstützten Otto auf seinen Heerzügen nach Italien. So überliess er dem Hochstift den Hof und viele Rechte in der Stadt Chur, den Zoll sowie das Münzrecht. Als jedoch später zwischen dem deutschen Kaiser Heinrich dem IV und Papst Gregor dem 6. heftiger Krieg ausbrach, kehrte auch in Rhätien das Leid zurück. Churrhätien ob der Landquart war zu dieser Zeit (ca.1100 n. Chr.) in folgende sechs Bezirke der Untergrafschaften geteilt:

  • Chur, wozu die Fünf Dörfer mit Schanfigg und Hinterprättigau gehörten
  • Domleschg mit Obervaz
  • Tuverasga, das Land ob dem Heinzenberg und Flimswald
  • Inpetrinis d. i. Oberhalbstein
  • Bergell
  • Engadin

Der Reichtum in Rhätien war alleine der Grundbesitz, welcher die Edeln besassen. Dieser Grundbesitz bestand aus sogenannten Herrenhöfen, welche in ein steinernes Gebäude mit einem Turm und Ställen, Scheunen sowie Wiesen- und Ackerland bestanden. Allerdings konnte ein Edelmann nicht so viel Land bebauen, also überliess er dies den Bauern.

Der folgende Text entspricht dem Originaltext:

Solche Bauern hatten also kein Eigengut; deshalb waren sie vom Hofherrn abhängig, der ihnen Gesetze und Ordnungen vorschrieb. Die Handhabung derselben übertrug der Hofherr einem aus den Landleuten, der Meyer oder Amman genannt wurde. Auch gab der diesem Gehülfen bei, welche ,, Geschworne’’ hiessen. Der Meyer und die Geschworenen bildeten das Gericht; Die Straf- und Bussengelder fielen dem Hofherrn zu. Der Hofherr hatte allein das Recht, Wein auszuschenken, eine Mühle zu bauen, und verlieh diese und andere Rechte gegen gewisse Abgaben seinen Untergegebenen. Auf einem solchen Herrenhof befand sich gewöhnlich auch die Kirche, die der Eigenthümer desselben gestiftet und dotirt hatte. Sie diente für mehrere zerstreute Höfe, besonders wenn sie eine Pfarrkirche, d. i. mit einem Taufstein und Friedhof versehen war. Daher finden wir, dass oft ganze Thäler nur eine Hauptkirche hatten; kleinere Kirchen oder Kapellen gab es schon mehrere; aber da konnte nur der gewöhnliche Gottesdienst, nicht Taufe oder Begräbnis gehalten werden. Solche Höfe finden wir in Churrhätien sehr viele, wie zu Lenz, Reams, Tinzen, Zuz, Sagens, Ilanzm Ruis, Bleis und andere, und sie bildeten mit den dazu gehörigen Bauernhöfen Gemeinden. Das Land war im Ganzen wohl angebaut; die Nahrung der gemeinen Leute bestand aus Milch, Käse, Fleisch und Gerstenbrod, die Kleidung aus dem Landtuch, das die Weiber anfertigten. Den Weinbau finden wir an folgenden Orten erwähnt: zu Sagens (um 766); zu Ilanz und Luvis (990); Tumils (800); Cins (934); Chur und Trimmis (950); Maienfeld und Fläsch (990). Diejenigen, welche einen eigenen Hof hatten, der seinem Herrenhof zins- und dienstpflichtig war, waren freie Leute. Als aber die Zeiten gewaltthätiger und unsicherer wurden, bauten die Edeln Burgen in der Höhe, auf Bergen und Felsrücken, und verliessen das Herrenhaus im Thal, das sie nun einen Basallen als Lehen überliessen, der an ihrer Stelle die Rechtem die sie hatten ausübte. Da verschlimmerte sich der Zustand der Landleute.

Hier der Originaltext in der altdeutschen Schrift:

Wir besprechen das Buch in mehreren Teilen. Jeweils in den nächsten zwei Wochen folgt die nächste Passage.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR