Der heimliche Höhepunkt der Jagd
Die Jagd ist mehr als ein Naturerlebnis – zu Besuch bei der Metzgerei Mark, wo Wildtiere zu begehrten Spezialitäten verarbeitet werden .
Die Jagd ist mehr als ein Naturerlebnis – zu Besuch bei der Metzgerei Mark, wo Wildtiere zu begehrten Spezialitäten verarbeitet werden .
von Andri Dürst
Schnell, aber dennoch geschickt schneiden die Angestellten verschiedene Fleischstücke zurecht. Es herrscht emsige Betriebsamkeit im Produktionsraum der Metzgerei Mark in Lunden. Trotz der vielen Arbeit bleibt Geschäftsführer Remo Mark äusserst gelassen. «Wir sind ein eingespieltes Team. So funktionieren wir auch gut, wenn viel los ist», erklärt er. Denn derzeit sind es zwei Faktoren, die der Metzgerei viel Arbeit bescheren: Zum einen geht die Alpsaison zu Ende, zum anderen läuft gerade die Hochjagd. Während die Schlachtung der Alptiere mehr oder weniger planbar ist, geht es bei der Annahme der Wildtiere spontaner zu und her.
Gutes Miteinander zwischen Metzgerei und Jägerschaft
So dauert es beim Besuch der «Büwo» auch nur wenige Minuten, bis die Meldung eintrifft, ein Jäger stehe mit einer erlegten Gams bei der Annahmestelle. Remo Mark und ein weiterer Metzger nehmen das Tier in Empfang. In einem Bein steckt bereits eine orange Kunststoffplombe. Diese muss vom Jäger oder von der Jägerin unmittelbar nach dem Erlegen und Auffinden angebracht werden. Dort, wo die Plombe montiert ist, bringt der Metzger auch einen grossen Metallhaken an, mithilfe dessen die Gams über einen Lift in die Höhe gezogen wird. Anschliessend schneidet der Fleischer den Kopf ab. Dann wird das Tier gewogen und begutachtet. Unter anderem wird geschaut, wo sich das Einschuss- und das Austrittsloch befindet. Und auch die Frage, ob das Fleisch der Metzgerei verkauft werden soll oder ob es der Jäger nach der Verarbeitung gerne zurückhätte, wird geklärt. In diesem Fall verkauft der Schütze der Metzgerei das Fleisch. «Mein Jagdkollege und ich sind nur zu zweit, haben aber mittlerweile schon sechs Tiere geschossen. Daher wäre diese Gams zu viel für uns», erklärt er. Der Service der Metzgerei Mark schätze er sehr. «Für uns ist das bequem. Wir müssen nur das Tier hierherbringen, und dann ist die Sache für uns erledigt.» Wobei, ganz untätig sind die Jägerinnen und Jäger auch nicht. Abgesehen vom Erlegen des Tieres und dessen Abtransport sind sie auch für das Ausweiden verantwortlich. Organe wie Herz, Lunge, Magen und Leber müssen jeweils rasch nach der Tötung entnommen werden, um das übrige Fleisch nicht zu kontaminieren.
Ob das sogenannte Wildbret, also die Muskelfleischstücke, für den Verkauf zugelassen werden kann, entscheidet eine Fachperson des Veterinäramts. Diese besucht deshalb auch den Kühlraum der Metzgerei Mark, wo sie die gehäuteten Tiere genau anschaut. Sie beurteilt unter anderem, wie viel Fleisch um eine Einschussstelle weggeschnitten werden muss. Denn es soll – und da hat die Metzgerei dasselbe Ziel – nur einwandfreies Fleisch in den Verkauf gelangen. «Bei Wild ist es besonders wichtig, dass hygienisch gearbeitet wird», unterstreicht Remo Mark.
Wildfleisch ist sehr begehrt
Dies gilt auch für die eingangs erwähnten Angestellten. Fein säuberlich haben sie einen Hirsch zerlegt. Die verschiedenen Stücke liegen auf einem Chromstahl-Tisch und werden demnächst verpackt. Die begehrten Stücke kommen dann in den Verkauf. «Manchmal gibt es Kundinnen oder Kunden, die schon zwei Tage nach Jagdbeginn fragen, wann das Wildfleisch endlich erhältlich sei», schmunzelt der Geschäftsführer des Prättigauer Familienbetriebs. Im Gegensatz zu Rind und Schwein sei das Kalkulieren beim Wildfleisch schwieriger. «Wir verarbeiten stets das ganze Tier. Da gewisse Stücke begehrter sind als andere, kann es auch vorkommen, dass wir einige Teile günstiger verkaufen müssen.» Doch dies hat keineswegs Einfluss auf die Qualität.
Nebst dem Frischfleisch hat die Metzgerei weitere Wildprodukte im Angebot. So etwa verschiedene Trockenwurstspezialitäten. Remo Mark öffnet die Tür zum Trockenraum. «Hier hängen frisch produzierte Hirschsalsiz», sagt er und nimmt eine der Wurstkette, um sie genauer anzusehen. «Zuvor wurden sie mit Buchen- und Fichtenspänen leicht geräuchert – nach altem Räucherhandwerk», erklärt er. Der Hirschsalsiz enthält nebst Hirschfleisch auch Rind- und Schweinefleisch. Wer es noch wilder mag, dem dürften die «Hirsch-Salgina-Salsiz» gefallen, die in einem anderen Gestell am Trocknen sind. «Diese bestehen zu 100 Prozent aus Hirschfleisch.»
Doch Hirsch macht sich nicht nur in der Wurst gut, auch als Pfeffer wird er gerne serviert. Damit Fans eines gepflegten Wildmenüs auch zu Hause ein solches bequem zubereiten können, produziert die Metzgerei Mark fixfertiges Hirschpfeffer. Remo Mark rollt ein Edelstahl-Wägelchen heran. «Das Fleisch wird hier zusammen mit Wein, Lorbeerblättern, Wacholder, Pfeffer Salz, Rüebli, Lauch und Sellerie eine Woche lang gebeizt. Dann wird es geschmort und mit Sauce in Schalen abgepackt. So gelangen die Gerichte dann in den Verkauf.»
Die Jäger stehen beinahe Schlange
Noch während er vom Hirschpfeffer schwärmt, trifft die Nachricht ein, dass wieder ein paar Jäger bei der Anlieferung stehen. Allzu lange wollen wir sie nicht warten lassen, sodass wir eilig durch das verwinkelte Gebäude huschen, um zur Rampe zu gelangen. Mit vereinten Kräften ziehen der Metzger, ein Jäger und Remo Mark das erste Tier vom Pick-up-Auto. Was anstrengend aussieht, ist erst eine «Aufwärmübung». Denn das zweite Tier, das von einem Anhänger heruntergeholt wird, ist nochmals deutlich grösser. Die beiden Metzger gratulieren dem Schützen zu diesem Prachtexemplar. Der Jäger ist sichtlich stolz auf seine Ausbeute. «Dass ich mit 81 Jahren noch so einen Hirsch schiesse, hätte ich nicht mehr geglaubt.» Beim erlegten Tier handelt es sich um einen «ungeraden Kronenzwölfer». «Wäre es ein gerader gewesen, hätte ich ihn nicht schiessen dürfen», ergänzt der Weidmann. Im Laufe der Jahre hätten sich die Jagdbetriebsvorschriften, die solche Details regeln, stark gewandelt, blickt er zurück. Heuer sei er gar das 60. Mal auf der Jagd. «Es ist noch immer ein besonderes Erlebnis», meint er, fügt aber an, dass er dieses Jahr wohl das letzte Mal auf der Jagd gewesen sei. «Das wollen wir dann noch sehen», ruft sein Jagdkollege hinüber.
Noch bevor die beiden Hirsche abgerechnet sind, trifft ein weiteres Tier ein: wieder eine Gams. Ein zusätzlicher Metzger kommt nun herbei, um bei der Annahme der Tiere zu helfen. Und eine Büroangestellte überreicht den Jägern das vereinbarte Geld – selbstverständlich in Bar. Anschliessend steigen die Jäger wieder in ihre Autos und düsen davon. Wie viele Tiere sie in den nächsten Tagen wohl noch anliefern werden?
Da nun sämtliche Angestellten in der Annahmehalle alle Hände voll zu tun haben, verabschieden wir uns. Doch eine letzte Frage stellen wir Remo Mark noch. Ist er auch mal froh, wenn die Jagd vorbei ist? «Nein, das ist eine schöne Zeit, auch wenn gerade sehr viel los ist. Die Zusammenarbeit mit der Jägerschaft schätze ich sehr.»
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