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Polizei in der Kritik: Kripo-Chef liefert Antworten

Gleich zwei aktuelle Fälle rücken die Bündner Polizei in ein schlechtes Licht. Sie soll nicht verhältnismässig gehandelt haben. Wir haben nachgefragt, was negative Schlagzeilen für Auswirkungen auf die Polizeiarbeit haben und wann es zu Spezialeinsätzen kommt.

23.05.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse
PK MK Polizei Kantonspolizei Graubünden
Gianfranco Albertini ist Chef der Kriminalpolizei Graubünden.
YANIK BÜRKLI

Der Skandal rund um die Bündner Baubranche hat nicht nur die Politik in die Schlagzeilen gebracht. Weil der Whistleblower Adam Quadroni vergangenen Sommer verhaftet und für vier Tage zwangseingewiesen wurde, ist auch die Kantonspolizei Graubünden in den Fokus der Berichterstattung gerückt.

Adam Quadroni hat zwischenzeitlich Anzeige gegen die Polizei eingereicht. Und auch der Bündner Justizdirektor Christian Rathgeb hat Anzeige gegen Unbekannt gemacht. Der Vorfall soll untersucht werden.

Quadroni erzählte gegenüber diversen Medien – so auch gegenüber der Zeitung «Südostschweiz» - dass er bei der Verhaftung von einem Sonderkommando aus seinem Auto gerissen worden sei, Nebelpetarden und Gummigeschosse zum Einsatz gekommen wären und er so hart angegangen worden sei, dass er sich verletzt habe. In der Folge habe er sich zudem nackt ausziehen und einen schmuddeligen Trainer anziehen müssen. Obwohl er beteuert habe, dass er weder sich noch andere gefährden würde, habe man ihm die Augen verbunden und ihn nach Chur in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Quadroni bezeichnet diesen Einsatz als unverhältnismässig. Ob dem so war, soll nun eine Untersuchung zeigen.

Knappes Urteil für zwei Polizisten

Erst am Donnerstag wurden ausserdem zwei Churer Stadtpolizisten vom Regionalgericht Plessur freigesprochen. Sie sollen im Sommer 2013 einen Geschäftsführer eines Lokals unverhältnismässig hart angegangen sein. Der Mann soll als Folge der Verhaftung Prellungen mit Schleifspuren am ganzen Körper, einen gequetschten Daumen, eine Schulterdistorsion, eine leichte Fesselungslähmung, Rückenschmerzen sowie eine leichtgradige Verätzung der Augen erlitten haben. Das Gericht entschied im Zweifel zugunsten der Angeklagten auf Freispruch. «Es war keine einfache Sache, es war ein Fall der auf der Kippe war», hielt der Gerichtsvorsitzende in der Urteilsbegründung fest.

Die Polizei hält sich an das Gesetz

Wann darf denn ein Polizist überhaupt Gewalt anwenden oder wann muss eine Spezialeinheit ausrücken? Und wie sind solche Massnahmen einzuornden? Wir haben beim Chef der Bündner Kriminalpolizei, Gianfranco Albertini, nachgefragt.

«Polizeilich zu handeln, heisst stets Recht durchzusetzen», so Albertini eingangs des Gesprächs. Die Grundlage dazu bilden das kantonale Polizeigesetz und die dazugehörige Polizeiverordnung. Konkret stehe dort, welche Aufgaben die Polizei zu erfüllen habe und welche Massnahmen sie dabei anwenden dürfe. Des Weiteren werde dort auch festgehalten, in welcher Form sie Gewalt – im Gesetz als Zwang beschrieben – anwenden darf.  

Wann ein Spezialeinsatz nötig sei, sagt nicht das Gesetz, vielmehr ist dies das Resultat einer Lagebeurteilung - immer vorausgesetzt, der gesetzliche Auftrag erfordere den Vollzug einer bestimmten Massnahme, so Albertini. «Es gibt natürlich Situationen, wo man genau weiss, dass die normalen Mittel für eine Festnahme nicht ausreichen. So zum Beispiel, wenn eine Zielperson bereits in der Vergangenheit auffällig gewesen ist und sich gewalttätig verhalten hat.» Natürlich gelte auch in diesem Falle die Verhältnismässigkeit. «Man muss nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen.», so Albertini. Es sei aber trotzdem möglich, dass man in einer bestimmten Situation zu viele Mittel eingesetzt habe und dies erst nach dem Einsatz klar werde. «Dies steht aber nicht im Widerspruch mit der Verhältnismässigkeit. Schliesslich geht es auch um den Eigenschutz», betont der Kripo-Chef. Es wäre schliesslich auch nicht zielführend, wenn man zu wenige Mittel einsetze und danach als Polizist selbst verletzt oder gefährdet würde.

«Fehler können immer passieren»

Zurück zur Spezialeinheit. Wie der einzelne Einsatz aussehe, sei ebenfalls nicht gesetztlich festgelegt. Erlaubt ist aber der Einsatz von bestimmten Mitteln. So könnten Nebelpetarden und Gummigeschosse zur Ablenkung eingesetzt und die Augen einer verhafteten Person verbunden werden. Letzteres könne etwa zur Beruhigung einer Situation genutzt werden oder um die Aktionsfähigkeit einer Zielperson einzuschränken. Ob diese Methoden schliesslich eingesetzt würden, sei von Fall zu Fall unterschiedlich.

Was aber hat es mit dem Wechsel der Kleidung auf sich? «Es kann sein, dass Gegenstände in die persönliche Kleidung eingenäht wurden oder dass die Kleidung zweckentfremdet wird und für die inhaftierte Person gefährlich werden kann.» Stichwort Suizid. Allerdings müsse nicht in jedem Fall die eigene Kleidung abgegeben werden. Auch hier komme es auf den Auslöser der Verhaftung und die Dauer der Inhaftierung an.

Albertini will zudem betont wissen, dass es nicht täglich zu solchen Spezialeinsätzen komme. Die Spezialeinheit werde einmal pro Woche aufgeboten.

Und natürlich könne es bei solchen Einsätzen passieren, dass eine Person verletzt werde. Unter Umständen sei man auch schadensersatzpflichtig, sofern die Zielperson die Anwendung der Mittel nicht durch ihr eigenes Verhalten provoziert habe. Auch dies sei im Gesetz geregelt.

Kritik lässt Polizei nicht kalt

Wie aber steht Albertini zur aktuellen Kritik an der Bündner Polizei? «Es ist nicht tragisch, wenn man ab und an in der Kritik steht. Vielmehr ist es wichtig, dass sich eine Behörde dieser Kritik auch stellen kann.» Dass auch einmal Fehler passieren würden, liege in der Natur der Sache. Wichtig sei jedoch, dass - gerade als Ausdruck des rechtsstaatlichen Handelns der Polizei - die Einsätze dokumentiert seien und somit jederzeit überprüft werden könnten. Als Polizei unterstehe man allerdings dem Amtsgeheimnis und so könne man – im Gegensatz zur betroffenen Person – nicht öffentlich Stellung zur Anwendung polizeilicher Massnahmen nehmen oder gar Hintergründe erklären.

Albertini äussert deshalb auch Kritik an der aktuellen Medienberichterstattung. Die Journalisten hätten es unterlassen, darauf hinzuweisen, dass das Amtsgeheimnis der Polizei verbiete, sich öffentlich zur Sache zu äussern, wesahlb nur eine Seite der Geschichte abgebildet werden könne. «Dies ist nicht fair», so der Kripo-Chef.

Die Kritik und die entsprechende Berichterstattung lasse einzelne Polizisten deshalb auch nicht kalt. Es könne theoretisch passieren, dass der eine oder andere künftig nicht in dem Masse handelt, wie dies eigentlich angemessen wäre, weil er allenfalls ungerechtfertigte Kritik fürchte. Man müsse aber auch sagen, dass man bis zu einem gewissen Punkt solche Kritik auch aushalten müsse. 

Gianfranco Albertini im Interview mit Nadia Kohler über Mittel bei Polizeieinsätzen.
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Kommentar
Zensur hat wieder mal geklappt, danke. Gruss R.Gadient Das gleiche wird mit meinem Kommentar über Hr. Bardill ( und Quadroni/Nay) passieren dem SO RR Kandidat darf nichts passieren. Schöne Pressefreiheit, und Wahlpropaganda da ist ja der Osten noch kulanter.

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