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Nach Sturmtief «Burglind» ist die Lawinengefahr gross

«Burglind» knickte Bäume, verursachte Stromausfälle, hatte gesperrte Strassen und Zugunterbrüche zur Folge. Der Wintersturm ist abgeflaut. Dafür drohen heute grosse spontane Lawinen.

Ursina
Straub
04.01.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Der Wintersturm «Burglind» liess auch die Bergbahnen in Graubünden stillstehen.
Der Wintersturm «Burglind» liess auch die Bergbahnen in Graubünden stillstehen.
MARCO HARTMANN

Orkanartige Windböen, Starkregen, intensiver Schneefall: Der Wintersturm «Burglind» ist gestern über die Schweiz gefegt. In den Bergen peitschte der Westwind mit Geschwindigkeiten von bis zu 180 Stundenkilometern über die Gipfel. So wurden gemäss Meteo Schweiz auf dem Crap Masegn bei Laax 178 Stundenkilometer gemessen und auf dem Weissfluhjoch bei Davos 162 Stundenkilometer. Ein Spitzenwert für Tallagen wurde in Bad Ragaz verzeichnet: 139 Stundenkilometer. Im Skigebiet Pizol stand wegen dem Sturm die Bergbahn still. Mehrere Passagiere mussten evakuiert werden.

Während das Sturmtief im Flachland grosse Schäden anrichtete, kam Graubünden glimpflich davon. Die stürmische Westlage hat hauptsächlich dem Wallis und dem Berner Oberland viel Neuschnee gebracht. «Die starken Höhenwinde haben aber bewirkt, dass sich der Niederschlag über ganz Graubünden verteilte», erklärt Marco Stoll von Meteo Schweiz.

Bei der Kantonspolizei Graubünden sind gemäss Roman Rüegg gestern kurz nach 13 Uhr rund 35 Meldungen wegen Unwetterschäden eingegangen. So wurden umgestürzte Bäume, beschädigte Dächer und heruntergestürzte Bauabschrankungen gemeldet. «Personen wurden aber keine verletzt.» Bis am Donnerstagmorgen um 6 Uhr kam es zu keinen weiteren Meldungen, so Rüegg auf Anfrage von Radio Südostschweiz. Die Polizei rechne allerdings im Verlaufe des Vormittags mit einigen Nachmeldungen.

Mammutbaum auf Marronihaus

An der Churer Bahnhofstrasse fällte der Sturmwind einen rund 150-jährigen Mammutbaum. Der Baumwipfel fiel laut Stadtpolizei Chur auf einen Marronistand. Der Marronibrater konnte sich gemäss Augenzeugen rechtzeitig retten. Zudem hat der heftige Wind auf der Glasüberdachung des Churer Postautodecks die Reinigungslifte aus den Führungsschienen gehoben. Ein Teil des Postautodecks und der Gürtelstrasse wurde deshalb vorübergehend gesperrt.

Zum Glück wurde hier niemand verletzt. LESERBILD
Zum Glück wurde hier niemand verletzt. LESERBILD

Blockierte Strassen und Schienen

Wegen umgestürzter Bäume mussten weitere Strassen gesperrt werden: So etwa die Kantonsstrasse zwischen Maienfeld und Landquart, die Valzeinastrasse bei Seewis, die Stelserstrasse, die St. Antönierstrasse und die Schuderserstrasse. Im mittleren und unteren Prättigau kam es gemäss einer Mitteilung von Repower zu mehreren Stromausfällen. Umgekippte Bäume und heruntergerissene Freileitungen sorgten für Stromunterbrüche von wenigen Minuten bis zu drei Stunden. Betroffen waren rund 4000 Kundinnen und Kunden. Und schliesslich behinderte «Burglind» den Zugverkehr. So war die Linie Chur–Zürich HB zwischen Pfäffikon (Schwyz) und Sargans zeitweise unterbrochen sowie die Strecke Klosters Platz–Davos Platz.

In der Nacht auf heute hat sich das Sturmtief «Burglind» bereits abgeschwächt. Die Niederschlagsmengen und die steigende Schneefallgrenze können aber laut Meteo Schweiz lokal Hochwasser verursachen. Und: Die Lawinengefahr steigt markant an.

Am meisten Schnee ist gemäss Lukas Dürr vom Schweizerischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Nordbünden gefallen und im Unterengadin nördlich des Inns. Bis zum Niederschlagsende morgen Freitag dürfte die Neuschneemenge oberhalb von rund 2000 Metern bei rund einem Meter liegen.

Heikle Schneeverfrachtungen

Problematisch ist der Neuschnee im Zusammenspiel mit dem Weststurm: «Das führt zu grossen Schneeverfrachtungen und störungsanfälligen Ablagerungen», sagt Dürr. «Es ist deshalb heute Donnerstag mit grossen spontanen Lawinen zu rechnen», warnt er. Die Ausläufer von grösseren Lawinen können bis in Tallagen vorstossen, betont der Lawinenfachmann. «Die Spitze der Lawinenaktivität dürfte dabei heute während des Tages erreicht werden.» Heikel sind die intensiven Niederschläge hauptsächlich in Verbindung mit den ansteigenden Temperaturen: Für heute ist nämlich wärmeres Wetter angesagt.

gelb = mässig / orange = erheblich / rot = gross Quelle: SLF Davos
gelb = mässig / orange = erheblich / rot = gross Quelle: SLF Davos

Ungünstige Schneedecke

Dadurch steigt auch die Schneefallgrenze an, es regnet also bis gegen 2000 Meter. «In Mittelbünden gibt es zwar nicht so viel Neuschnee, dafür ist dort der Schneedeckenaufbau ungünstig», erläutert Dürr. «Problematisch sind schwache Schichten tief in der Schneedecke. Bei Lawinenabgängen kann so die gesamte Schneede- cke mitgerissen werden.» Günstiger ist der Schneedeckenaufbau gemäss Dürr im Norden. «Hier liegt zudem überdurchschnittlich viel Schnee.»

Für Schneesportler heisst das: «In ganz Graubünden herrscht eine kritische Lawinensituation», unterstreicht Dürr. Wer dennoch eine Ski-, Snowboard- oder Schneeschuhtour plane, brauche fundiertes Wissen und grosse Erfahrung. «Vor allem in Gebieten, in denen viel Neuschnee liegt, gilt zudem grösste Zurückhaltung.»

Das SLF hat die Gefahrenstufe für Lawinen gestern Abend auf die zweithöchste Stufe 4 gesetzt. Das bedeutet: Die Lawinengefahr ist in Nord- und Mittelbünden gross.

Ursina Straub schreibt als Redaktorin der «Südostschweiz» für den Regionalteil der Zeitung und für Online. Ihre Themenschwerpunkte sind Landwirtschaft, Alp, Jagd, Grossraubtiere, Natur; zudem berichtet sie regelmässig aus dem Grossen Rat. Die gelernte Journalistin, diplomierte Landwirtin und Korrektorin EFA ist auch Leiterin Qualität. Mehr Infos

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