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Künstliche Intelligenz lässt chatten statt denken

Der Chatbot Chat-GPT stösst bei Lernenden auf Interesse. Glarner Schulen suchen nach Umgangsformen mit der neuen Technologie.

Südostschweiz
07.03.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Neugier ist gross: Mithilfe des Programms können Lernende viel einfacher zu Lösungen kommen.
Die Neugier ist gross: Mithilfe des Programms können Lernende viel einfacher zu Lösungen kommen.
Bild Sasi Subramaniam 

von Ronja Dürst

Statt über Wochen hinweg eine Arbeit zu schreiben, in kürzester Zeit ohne Aufwand das gewünschte Ergebnis in den Händen halten. Dies ist mit dem Chat-GPT möglich. «Während des Unterrichts haben mein Banknachbar und ich das Programm benutzt. Wir haben so lange Fragen gesendet, bis eine Limite erreicht wurde und der Chat keine Antworten mehr gegeben hat», berichtet Nils Muszong, der die Kantonsschule Glarus besucht. Der Chat sei weitaus schneller und konkreter als Google, da er anders als die Suchmaschine eine ausführlichere Antwort statt mehrere Seiten anzeige, so Muszong. Er selbst kenne einige, die das Programm aus Spass verwendeten. Es sei neu und interessant, man wolle Grenzen des Programms austesten, erklärt er.

Der Maturand zeigt sich kritisch: «Viele werden nicht mehr selber denken. Im kreativen Bereich hält der Chatbot nicht mit, denn Songtexte beispielsweise werden an Herzblut verlieren.» Das Programm könne das Leben auch zu einfach machen. Es sei wichtig, sich nicht nur auf das Programm zu verlassen, sondern sich auch Hintergrundwissen anzueignen, so Muszong.

Schulen werden aufmerksam

Die Schulen sind mittlerweile auf das Missbrauchspotenzial der Künstliche Intelligenz (KI) sensibilisiert und achten vermehrt auf mögliche Fälschungen. So geht die Schulleiterin der Kaufmännischen Berufsfachschule Glarus (KBS), Regula Tanner, davon aus, dass ihre Lernenden das Programm bereits im Unterricht verwenden. Aber sie ist sich bewusst: «Auch vor dem Chat war nicht jeder Text über alle Zweifel erhaben. Faire Prüfungssettings mit Chancengleichheit müssen nach wie vor gewährleistet bleiben.»

Bisher sind die Auswirkungen auf den Unterricht noch unklar. Regula Tanner sagt: «Wie allfällige Änderungen in der Unterrichtsgestaltung wie auch in Prüfungssituationen für die KBS aussehen, kann ich momentan nicht sagen. Die Thematik wird mit den anderen weiterführenden Schulen im Kanton besprochen und abgestimmt.» Für den Deutschunterricht beispielsweise werde über mögliche Anpassungen der Prüfungsaufgaben gesprochen.

«Das Thema ist omnipräsent. Auch die Schulen sind sich der Möglichkeiten, aber auch der Gefahren von KI bewusst», so Tanner. Die Rektorin zeigt sich interessiert am Chat: «Auch Lehrpersonen testen das Programm aus.» Kürzlich habe sie sich vom Chat probeweise eine Aktiv-Passiv-Prüfung zusammenstellen lassen. Das Programm habe Aufgaben zusammengestellt, die sie so nicht gestellt hätte, so Tanner.

Mehr mündliche Prüfungen

Roger Cuennet, der Rektor der Gewerblich-Industriellen Berufsfachschule Glarus (GIBGL), geht die Thematik anders an. Er selbst benutze den Chat nicht, da er das Programm noch zu wenig kenne und Texte lieber selber schreibe.

Notenrelevante Arbeiten habe er auch schon vor dem Aufkommen des Chatbots handschriftlich vor Ort schreiben lassen, um so jegliche Hilfestellung auszuschliessen. Hinsichtlich der Abschlussarbeiten müsse die Schule sich ein Bild davon machen, wozu das Programm fähig sei und wie man mögliche Plagiate identifiziere, so Cuennet. Er ergänzt: «Um herauszufinden, wie wir beispielsweise die Abschlussarbeiten gestalten und bewerten werden, schicken wir Mitarbeitende an Kongresse und Weiterbildungen, um uns ein Bild von den Möglichkeiten von Chat-GPT zu machen.» Er vermute, sagt Cuennet, dass die Lehrpersonen der Berufsfachschule künftig vermehrt mündliche und handschriftliche Prüfungen vor Ort durchführen würden, um so die Eigenleistung besser überprüfen zu können.

Was die Aufklärung der Schüler und Schülerinnen über die KI angeht, sind die beiden Schulleitungen der KBS und der GIB einer Meinung: «Die Schüler sollen lernen, wo die Grenzen des Chatbots sind und welche Aufgaben sinnvoll zu delegieren sind. Wir Lehrpersonen wollen den Umgang mit der KI mit den Lernenden reflektieren», so Regula Tanner. Roger Cuennet sagt: «Im allgemeinbildenden Unterricht wird die KI thematisiert. Die Lernenden werden über die Funktionsweise aufgeklärt.»

So funktioniert Chat-GPT

Jeder vierte Mensch in Deutschland, der zumindest gelegentlich das Internet nutzt, kennt die Sprachsoftware Chat-GPT mit künstlicher Intelligenz (KI) oder verwendet sie bereits sogar. Das ergab eine Umfrage eines Forschungsinstituts mehrerer deutscher Universitäten. Über ein Chatfenster kann der Mensch mit der künstlichen Intelligenz kommunizieren und Gedichte schreiben oder auch mathematische Aufgaben lösen lassen. Ende November letzten Jahres wurde das Programm von dem kalifornischen KI-Forschungsunternehmen «OpenAI» bis zu einem gewissen Zeichenlimit kostenlos zur Verfügung gestellt. Seither haben sich über 100 Millionen Nutzer auf der Plattform registriert.

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