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Was ist schon schön?

Immer mehr Branchen springen auf den Zug der Einzigartigkeit auf – so auch die Modeindustrie. Wir gehen der schönen Sache mit dem optimierten Aussehen auf den Grund.

Nicole
Nett
06.04.22 - 16:30 Uhr
Bild Unsplash

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Ja, die einen oder anderen werden jetzt lachen. Aber ich habe es über mich ergehen lassen: Vergangene Woche verfolgte ich im Fernseher die weltberühmte Sendung «Germanys next Topmodel by Heidi Klum». Ach, schon die vorletzte Woche. Und die Woche davor. Und ja, manchmal ist die Sendung schon «trashig» – das gebe ich zu. Und auch die «Heulsusen» der Sendung gehen mir zünftig auf die Nerven. Doch obwohl ich jetzt mehrere Jahre bewusst auf «GNTM» verzichtet habe, hat mich etwas an dieser neuen Staffel bewegt: die Vielfalt der Models. Von Jung bis Alt, von Gross bis Klein, von schmalen bis zu breiten Hüften – alles ist diesmal dabei. Und das finde ich gut – nein sehr gut sogar. Wie auch andere Branchen befindet sich die Modebranche in einem grossen Wandel. Nicht nur die «idealen» Models mit den Proportionen «90-60-90» sind heute im Fokus, sondern auch andere.

Das war nicht immer so: Als ich noch Teenagerin war, sahen die Models von «GNTM» ziemlich ähnlich aus: gross, dünn und gut aussehend. Halt einfach «perfekt», mit den idealen Massen. Doch was macht die Menschen schon perfekt? Was ist schon schön in der heutigen Welt? Ist es die viele Schminke, die sich die Models auftragen? Oder ist es eine Schönheitsoperation, welche die Nase gerader und die Lippen voller macht? Sogar Studien beweisen, dass die «schönen» Leute in Bewerbungsverfahren mehr Chancen auf eine Stelle haben. Und auch in der Partnersuche sollen es die «Hübschen» einfacher haben. Das ist doch verrückt.

Für mich jedenfalls ist eine Person «schön», welche einen tollen Charakter hat. Ich finde es übertrieben, wenn Menschen nur auf ihr Äusseres reduziert werden. Klar bezieht sich die Modelbranche hauptsächlich auf das Äussere, da dies ja auch auf Anhieb ersichtlich ist. Und dennoch spielt die sogenannte «Personality» je länger je mehr eine grosse Rolle. Makel werden heute nicht mehr retuschiert, sondern teilweise extra noch hervorgehoben. Bravo!

Wisst ihr, weshalb mich das Thema so fesselt? Das hat einen simplen Grund: Als kleines Kind habe ich stark geschielt. Meine Güte – das war alles andere als einfach für mich. Und für meine Mitmenschen war es noch viel schwieriger. So konnte ich niemandem gerade in die Augen schauen. Nicht selten bekam ich das zu hören. Ich passte einfach nicht in das Schema eines Schönheitsideals. Ich war nicht wie die anderen – also war ich aussergewöhnlich. Damals hat das ziemlich an meinem Selbstwertgefühl genagt. So liess ich meine Augen in der Oberstufe operieren. Heute bin ich froh über alles, was ich durchgemacht habe. Es zeigt einem einfach, dass das Äussere nicht das Wichtigste im Leben ist. Trotz meiner «Makel von damals» mit Schielen, Zahnspange und Brille habe ich so einiges im Leben erreicht – obwohl ich bis heute kein massgeschneidertes Schönheitsideal bin. Das zeigt doch, dass das Äussere doch nicht so wichtig ist, wie es viele vielleicht meinen.

Bitte behaltet immer im Hinterkopf: Ihr seid schön und wertvoll, genau so wie ihr seid. Lasst euch nicht unterkriegen von Leuten, welche das Gegenteil behaupten. Ich finde, genau die Makel machen einen Menschen besonders, individuell und einzigartig. Genau dies macht ihn aus. Wieso sollte sich ein Mensch so weit optimieren, bis er in das ideale Schönheitsschema passt? Das wäre doch langweilig! Je mehr Vielfalt, desto spannender. Ich bin dankbar, dass dies die Menschheit und Schönheitsindustrie langsam begriffen haben. Und das im Jahr 2022.

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