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Brisanter touristischer Brief

In Davos verbringen derzeit viele jüdische Touristen ihre Sommerferien. Das Verhalten der ultraorthodoxen Juden aus dem Ausland sorgt im Kurort für Konflikte.

Béla
Zier
04.08.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Im Internet verbreitet: Der Brief wurde ins Hebräische übersetzt.
Im Internet verbreitet: Der Brief wurde ins Hebräische übersetzt.
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Hat Davos ein Problem mit dem Verhalten jüdischer Touristen? Darauf lassen auf verschiedenen Internetkanälen erschienene Berichte schliessen. Sie haben denselben Inhalt und beziehen sich auf einen Brief von Reto Branschi, CEO der Davoser Tourismusdestination. Das kritische Schreiben trägt den Titel «Jüdische Sommergäste in Davos». Darin heisst es: «Bedauerlicherweise haben wir von anderen Gästen in jüngster Vergangenheit vermehrt negative Rückmeldungen erhalten. Ein Teil dieser Gäste will die Destination Davos Klosters im Sommer künftig sogar meiden.» Das sind harte Worte. Offenbar besteht Handlungsbedarf. Allerdings sowohl bei jüdischen Gästen als auch den Einheimischen. Dieser Ansicht ist man beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG).

«Es handelt sich um Tatsachen»

Branschi bestätigt das persönlich an Rafael Mosbacher gerichtete Schreiben. Der orthodoxe Wahldavoser sei seit Jahren sein Ansprechpartner was Belange jüdischer Gäste in Davos betreffe. «Davos hat eigentlich keine Probleme mit jüdischen Gästen, welche man durch die Kleidung identifizieren kann. Wir müssen aber aufpassen, dass es nicht zu Diskussionen kommt, und das ist der Ursprung des Briefs», erklärt Branschi seine Absicht. Mosbacher habe den Brief ins Hebräische übersetzen lassen und veröffentlicht. Wo überall, wisse er nicht, so Branschi.

Der Inhalt betrifft laut Branschi ausschliesslich das Verhalten orthodoxer Juden aus dem Ausland. «Ich versuche Lösungen zu finden und greife niemanden an. Wenn es mit anderen Kulturen in Davos Probleme gibt, gehen wir die auch an.» Unterstützt wird Branschi von Jonathan Kreutner, dem Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds. «Es handelt sich um Tatsachen», hält Kreutner zu den im Brief festgehaltenen Kritikpunkten fest. An einer Sitzung in Davos haben Branschi und Kreutner kürzlich Lösungen besprochen.

Die Kritik der Touristiker

Branschis Kritik an der Gästegruppe bezieht sich auf ihr allgemeines Verhalten im Ort und die Nutzung des Sommergästeprogramms «Davos Klosters Active». Bei der Davoser Tourismusorganisation seien etwa Beschwerden eingegangen, dass Windeln und anderer Abfall «einfach im Wald zurückgelassen werden». Zu «Davos Klosters Active» werden eine Reihe von Problemen geschildert, etwa dass Gästekarten, welche die kostenlose Benützung der Bergbahnen ermöglichten, überdurchschnittlich oft als verloren gemeldet würden, was auf einem Missbrauch hindeuten könne. Man wolle aufgrund der «anhaltenden Reklamationen» gemeinsam eine Lösung finden, schreibt Branschi.

«Es betrifft keine Lappalien.»
Jonathan Kreutner

Der Brief sei sehr direkt formuliert, betreffe aber keine Lappalien, sagt Kreutner. Er stellt klar, dass der Inhalt nichts mit Antisemitismus zu tun habe und es «keinen Grund gibt, sich darüber zu empören». Die Probleme beträfen explizit das Verhalten ultraorthodoxer Juden aus dem Ausland, so Kreutner.

«Hat nichts mit Religion zu tun»

«Es hat überhaupt nichts mit Religion zu tun, sondern mit normalem Anstand. Es geht um den Umgang mit der Davoser Gesamtbevölkerung, bei der man eine gewisse Sensibilität an den Tag legen muss», hält Kreutner zu den Konfliktpunkten fest. Die Probleme würden das Einhalten lokaler Regeln und die Wahrung des Respekts betreffen. Er betont, dass solche Schwierigkeiten nicht nur spezifisch von jüdisch-orthodoxen Gästen verursacht würden. Die Diskussionen ergäben sich hier, weil diese Gästegruppe aufgrund ihrer Kleidung besser zu identifizieren sei.

Aufklärung auf beiden Seiten

Es gehe jetzt darum, im Dialog nach Lösungen zu suchen, wobei Kreutner den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund als Mittler anbietet. Zu Missverständnissen könnten auch religiöse Gebote führen, etwa, dass es jüdische Männer und Frauen gebe, die einem zur Begrüssung nicht die Hand reichten. Verständnis schaffe man, indem man beide Seiten – Einheimische und jüdisch-orthodoxe Gäste – aufkläre. Es gebe aber in Davos auch Leute, die sich am religiösen Leben dieser Touristen und an ihrer schwarzen Kleidung störten, und «das ist aus meiner Sicht inakzeptabel», betont Kreutner.

Solche Schwierigkeiten und Missverständnisse ginge man aber bereits aktiv an. Kreutner spricht davon, dass sehr viel Erklärungsarbeit zu leisten sei. Einerseits wolle man nächsten Sommer Infomaterial an die Tourismusbranche wie auch die jüdisch-orthodoxen Gäste abgeben, gleichzeitig prüfe man momentan, ob dann auch jüdische Auskunftspersonen nach Davos geschickt werden könnten, um für eine aktive Aufklärungsarbeit zu sorgen. Branschi verspricht sich von diesen Plänen einiges: «Wenn man eine solche Aufklärungskampagne durchführen kann, bin ich überzeugt, dass man einen Grossteil der Missverständnisse, an denen sich andere Gäste stören, eliminieren kann.»

Béla Zier ist Redaktor der gemeinsamen Redaktion Online/Zeitung «Südostschweiz» und «suedostschweiz.ch» und berichtet über die Region Davos und das Prättigau. Er ist seit 1993 für die Medienfamilie Südostschweiz tätig und arbeitet dort, wo er auch wohnt. In Davos. Mehr Infos

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Hotel Seehof - kein Apero möglich auf der schönen Terrasse.
Alles in jüdischer Hand bis Ende August. Frage mich, wie lange Renovierungsarbeiten dauern werden.

Ich war letzte Woche im Engadin/Silvaplana und habe mich über das egozentrische Verhalten der ultraorthodoxen Juden empört. Für mich ist es unverständlich in jüdischer Kleidung (inkl. Kippa) zu biken und wandern. Ich habe Verständis für jeden, der sich über den Auftritt der ultraorthodoxen Juden nervt. Anpassungsfähigkeit an die hiesigen Gewohnheiten ist gleich null!

Die liberalen, orthodoxen und ultraorthodoxen jüdischen Gemeinschaften aus dem Inland und Ausland sind im Davoser Kurort und in der Landschaft Davos will kommende Gäste wie alle anderen Gäste.
Alle Gäste kommen nach Davos zur persönlichen Erholung in die Bergwelt von Davos.
Einwohner und Gäste die sich über die Gäste in Davos stören steht es frei die Landschaft Davos und ihre Bergwelt zu verlassen.
Die Davoser Tourismusbranche macht es sich einfach für den nächsten Sommer Informationsmaterial für den nächsten Sommer zu versprechen.
Grundsätzlich sind alle Gäste willkommen. Wie in jedem Land und Ort gibt es Leute die immer etwas gegen andere Leute haben.
Die Mehrzahl der Davoser Einwohner sind erfreut wenn sie sehen können wie viele Gäste sich in der Landschaft erholen und erfreuen können.
Autor Peter Gambon, Davos Dorf

sehr geehrter herr gambon
warum sollen einwohner und gäste die sich von einigen jüdischen gäste gestöhrt fühlen davos verlassen? es gibt nun mal regeln die von allen befolgt werden müssen. auch von jüdischen gästen muss man das erwarten.
ich stelle mir vor wie gross der aufschrei wäre wenn muslimische touristen sich so benehmen.
mir ist die herkunft religion und kultur unserer feriengäste völlig egal. diese gäste sollen sich aber an die gepflogenheiten im ferienland anpassen. nicht die einwohner müssen sich nach den gästen richten sondern umgekehrt.

Leider kenne ich das verhalten von einigen Orthodoxen des
jüdischen Glaubens aus meiner Zeit(1983) als ich in der Nähe von
New York City lebte. Die Gegend war ein Feriendomizil besagter Leute, ihr unangebrachtes Verhalten , z.B. im Supermarkt, hat mich geekelt. Es war damals noch möglich, Deckel von Gläsern im Regal zu öffnen . Das wurde auch gemacht,
--Inhalt probiert, Deckel drauf, zurück ins Regal.-- Das beobachtete ich öfters. Darum nahm ich dann längere Fahrten zu Supermärkten in kauf , die nicht von diesen Holidaygästen frequentiert wurden.

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