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Geistesmenschen

Christian
Ruch
14.10.17 - 04:30 Uhr
Nobelpreis-Medaille
Nobelpreis-Medaille
PIXABAY

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

Wird der Gewinner des Literaturnobelpreises verkündet, beeilen wir Geistesmenschen uns immer darauf hinzuweisen, dass uns a) der oder die dergestalt Geehrte selbstverständlich bekannt ist und wir b) diese Entscheidung völlig richtig finden. Damit heben wir uns wohltuend ab vom kulturlosen, illiteraten Pöbel, dem der Name meistens überhaupt nichts sagt. Und wenn man sich ganz besonders hervortun will, bringt man in gehobener Konversation auch noch andere Preiswürdige ins Spiel. Gewinnt also beispielsweise eine völlig unbekannte kenianische Autorin den Literaturnobelpreis, werden Sie total bewundert, wenn Sie sagen, dass auch Sekou Sekoubunga aus Sambia ein würdiger Aspirant wäre. Dass es den gar nicht gibt, wird niemand merken.

In diesem Sinne möchte ich betonen, dass ich die diesjährige Preisvergabe an Kazuo Ishiguro völlig gerechtfertigt finde, aber meines Erachtens auch noch andere japanische Autoren und ihre Werke geehrt werden sollten. So etwa der beeindruckende Roman „Ein Fliessband voll mit rohem Fisch“ von Suzaku Sushi, eine bedrückende dystopische Vision von Japan in 250 Jahren. Ganz anders die zarte Prosa der erst 22 Jahre alten Fuyuko Fukushima: „Strahlendes Land“, ihr Debütwerk, erregte an der Frankfurter Buchmesse völlig zu Recht grosses Aufsehen. Ebenfalls ein Kandidat für den Nobelpreis: Takashi Tamagotchi. Seine Erzählung „Rocket Man, der dicke Bub aus Nordkorea“ besticht durch eine geradezu dekonstruktivistisch-postmoderne Erzähltechnik ohne jegliche hermeneutische Emphase. Mein absoluter Geheimtipp aber ist Subaru Mitsubishi: Seine Kurzgeschichten mit dem Titel „Der alte Mann, der aus der Psychiatrie entwich, einen Toyota stahl und damit bis nach Tokio fuhr“ sind neben Beniko Bonsai („Geliebter kleiner Baum“) das Beste, was japanische Literatur derzeit zu bieten hat.

Und falls Sie jetzt mit diesen Namen und Werken so gar nichts anfangen können, müssen Sie Ihr Leben halt leider weiter mit „SRF bi de Lüt“ und der „Glückspost“ verschwenden. Ist doch wahr!

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