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Wenn der Osterhase plötzlich klingelt

Oliver
Fischer
10.04.20 - 04:30 Uhr

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

Es ist Karfreitag und das lange Osterwochenende erwacht gerade aus dem Tiefschlaf. Dass damit in Zeiten von Corona, Social Distancing, #Stayathome und warmem, sonnigem Wetter einige Herausforderungen auf uns alle warten, ist das eine. Für uns ist das "Problem" mit den Ostern dieses Jahr aber ein ganz anderes: der lustige Kollege mit dem langen Ohren und dem Korb voller Eier auf dem Rücken.

Als das Kind noch ganz klein war, hatten wir da noch keine Schwierigkeiten, Osterhase, Samichlaus oder Christkindli waren schlicht kein Thema. Irgendwann verstand das Kind einfach, dass es an Weihnachten Geschenke bekommt, an Ostern Schoggi und Süsses und am Samichlaustag Lebkuchen, Nüsse - und Schoggi. Dass in weiten Teilen der Bevölkerung an diesen Tagen aber auch auf mehr oder weniger realen Figuren basierende (Fantasy-)Figuren ihre Auftritte haben, war noch nicht aktuell. Und dabei wollten wir Eltern es auch belassen.

An Weihnachten ist das auch heute kein Problem. Die Idee, dass man Geschenke von jenen Menschen bekommt, die einen kennen und immer besonders lieb haben, ist ohnehin und auch für das Kind die viel schönere Geschichte als ein irgendwie geartetes, ominöses, engelshaftes Wesen, dass da angeflogen kommen soll.

Dass DER Samichlaus nicht existiert, war auch dem Kind spätestens klar, als am Churer Samichlaus-Einzug im letzten Dezember mit dem Kindi gleich Dutzende alte, weissgewandete Männer den Umzug begleiteten. Dass die Tradition des Samichlaus ausserdem auf den heiligen Nikolaus von Myra zurückgeht, der im 4. Jahrhundert in Gebieten der heutigen Türkei zurückgeht macht ihn zudem zum realsten der drei Figuren. Auch ohne selbst gläubig zu sein, können wir damit durchaus etwas anfangen.

Und dann ist da jetzt eben dieser Hase, der zu Ostern Eier verteilen soll. Echt jetzt? Was soll das? Woher kommt diese irrwitzige Idee und Figur? Damit wollen wir ehrlich so wenig wie möglich zu tun haben und an diesen Mumpitz soll auch unser Kind nicht ernsthaft glauben. Und kommt mir jetzt nicht mit dem Hasen als Symbol der Wiederauferstehung oder der gelegentlichen Verwendung von Hasen in christlicher Kunst (gebts zu, die meisten von Euch haben davon jetzt gerade zum ersten Mal gelesen ...). Der Osterhase, wie wir in heute kennen, ist übrigens - wie könnte es anders sein - das Produkt technologischer Entwicklungen und letztlich einfach ein Marketing-Instrument, um industriell hergestellte Schokolade zu verkaufen.

Bis letztes Jahr hatten wir Eltern in der Wahrnehmung des Kindes noch die klare Deutungshoheit über diese Geschichten und Figuren. Wenn das Kind nach dem Osterhasen fragte, erklärten wir ihm, dass das nur eine Geschichte sei, die man sich zu Ostern erzähle, aber die Eier auch weiterhin von Hühner stammen und von uns im Laden gekauft werden. Genauso die Schoggi-Eier und -Hasen. Und alles andere Süsszeug.

Diese Jahr ist das anders. Nun liegt die Deutungshoheit und absolute Wahrheit über den Osterhasen nicht mehr bei uns, sondern bei den gleichaltrigen Freunden des Kindes. Und wenn Manu*, Conni* und Ueli* steif und fest behaupten, den Osterhasen gebe es und sie hätten den impfall selbst schon gesehen, dann ist das nun so. Basta.

*Namen zum Schutz, der von Schoggi-Grosskonzernen getäuschten Kinder geändert.

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