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Kulturveränderung wird greifbar

«Sports Unlimited» – diesen «Claim» hat sich die Destination auf die Fahne geschrieben. Damit die Angebote wirklich möglichst grenzenlos und für Personen mit Einschränkungen nutzbar sind, dafür sorgt auch die Initiative «Davos Klosters Access Unlimited».

Andri
Dürst
04.07.22 - 07:00 Uhr
Leben & Freizeit
Hans Martin Heierling (r.) schickt Daniel Ammann (im Rollstuhl) mit den «Piloten» Jean-Pierre Galey und Patricia Garcia auf ein Fährtchen über den Davosersee.
Hans Martin Heierling (r.) schickt Daniel Ammann (im Rollstuhl) mit den «Piloten» Jean-Pierre Galey und Patricia Garcia auf ein Fährtchen über den Davosersee.
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Der Familienberg Madrisa ob Klosters Dorf ist bereits seit einigen Jahren bekannt für sein Engagement im Bereich der Bereitstellung von barrierefreien Angeboten. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, wurde die Saaser Alp am Montagmorgen als Veranstaltungsort für die Klosterser Schulung ausgewählt. Doch auch in Davos gibt es mittlerweile eine ansehnliche Anzahl entsprechender Angebote. Hier traf man sich nachmittags beim Strandbad am Davosersee, denn seit kurzem schwimmt hier das erste rollstuhlgängige Pedalo der Schweiz. Doch dazu später mehr.

Zu Beginn der Veranstaltung gab es einen theoretischen Teil.
Zu Beginn der Veranstaltung gab es einen theoretischen Teil.

Auf gutem Wege

Begrüsst wurden die Schulungsteilnehmenden von Valérie Favre Accola, Leiterin der Regionalentwicklung, bei der das Projekt «Davos Klosters Access Unlimited» verankert ist. Ebenso zugegen waren von der Pro-Infirmis-Fachstelle «Inklusion» Markus Böni und Andrea Stebler. In seinem Referat ging Böni auf verschiedene Begrifflichkeiten ein, denn «Inklusion» bedeutet nicht das Gleiche wie «Integration». Letzteres heisse, dass alle miteinander gemeinschaftlich die Gesellschaft formen – und Personen mit Einschränkungen nicht nur als «Sondergruppe» miteinbezogen werden. «Wir müssen die Stärken der einzelnen Menschen hervorheben, nicht ihre Schwächen», betonte der Fachstellenleiter. Man sei aber bereits auf gutem Wege, und eine Kulturveränderung sei in vollem Gange. «Ein rollstuhlgängiges Pedalo in Davos hätten wir uns vor ein, zwei Jahren noch nicht vorstellen können.» Böni hob zudem hervor, dass eine stattliche Anzahl Menschen von barrierefreien Angeboten profitieren würden. Für rund 10 Prozent der Einwohner in der Schweiz sei die Barrierefreiheit zwingend erforderlich, sei dies, weil sie beispielsweise im Rollstuhl sitzen oder blind sind. Für 30 bis 40 Prozent der Menschen sei eine barrierefreie Zugänglichkeit notwendig, beispielsweise für ältere Leute mir Rollatoren. Und für 100 Prozent der Menschen seien die Massnahmen einfach komfortabel. Als Beispiel nennt Böni die Umbauten von Seilbahnstationen. Bei älteren Stationsgebäuden führt der Zugang zu den Gondeln oft über enge Treppen. Heute versuche man, die Wege möglichst einfach zu halten – dies komme auch Personen ohne Einschränkungen zugute.

Infrastruktur muss stimmen

Im Bergrestaurant Madrisa nahm man den «Wander-Rollstuhl» JST unter die Lupe.
Im Bergrestaurant Madrisa nahm man den «Wander-Rollstuhl» JST unter die Lupe.
zvg

Und damit war der Pro-Infirmis-Vertreter beim eigentlichen Kernthema des Anlasses, nämlich dem barrierefreien Tourismus. Hierbei sind – nur mal als Beispiel – gewisse Erfordernisse an die Verkehrsinfrastruktur zu nennen. Beim ÖV sei ­Davos Klosters mittlerweile gut aufgestellt, da die Rhätische Bahn unterdessen fast nur noch Capricorn-Züge mit zahlreichen Niederflureinstiegen einsetze und diverse Bahnhöfe rollstuhltauglich umgebaut würden. Und auch bei den Bussen würden immer mehr Haltestellen mit speziellen Bordsteinen versehen. Doch auch beim Individualverkehr sei es wichtig, dass geeignete Behindertenparkplätze zur Verfügung stünden, welche genug Platz zum Ein- und Aussteigen böten.

Markus Böni gibt Valérie Favre Accola Tipps für das Rollstuhlfahren.
Markus Böni gibt Valérie Favre Accola Tipps für das Rollstuhlfahren.
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Abwechslungsreicher Aufenthalt

Was die Freizeitgestaltung anbelange, so habe Davos Klosters mittlerweile so viele barrierefreie Angebote zusammengestellt, dass sich sommers wie winters ein abwechslungsreiches Wochenprogramm zusammenstellen lasse, sagt Favre Accola. Dass für barrierefreie Angebote auch eine Nachfrage besteht, kann Jean-Pierre ­Galey, Leiter Gästeberatung bei der Destination Davos Klosters (DDK), bestätigen. Bei der Gästeberatung werde man immer wieder gefragt, wo es rollstuhl- oder kinderwagentaugliche Wanderwege gebe. Dank des langjährigen Erfahrungsschatzes der Mitarbeitenden könne man in den meisten Fällen weiterhelfen. Und für detailliertere Informationen sei man froh, dass mit www.access-unlimited.ch eine Plattform bestehe, die viele nütz­liche Informationen beinhalte. A propos «Access unlimited»: Offiziell laufe das Programm Ende Jahr aus, erklärte die ­Regionalentwicklerin. Aber man werde die neu geschaffenen Angebote weiterbetreiben, so zum Beispiel den Ski-Dual-Bob, welcher durch die Schneesportschule Davos (SSSD) angeboten wird. Und auch die Homepage werde wegen ihrer Wichtigkeit erhalten.

Wer blind ist, erlebt bereit bei kleinen Hindernissen grosse Hürden.
Wer blind ist, erlebt bereit bei kleinen Hindernissen grosse Hürden.
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Selbsterlebnisse

Nach dem Theorie-Teil durften die Teilnehmenden auch noch einen «praktischen» Block absolvieren. Wie fühlt es sich an, blind zu sein? Wie fährt sich ein Rollstuhl? Mit den entsprechenden Hilfsmitteln konnten die Anwesenden in die Rolle einer Person mit Einschränkungen schlüpfen – eine Erfahrung, die sicherlich vielen die Augen geöffnet hat. Auf Madrisa konnte zudem der seit letztem Herbst im Einsatz stehende JST-Mountaindrive-Rollstuhl getestet werden, ­während man in Davos in See stach. SSSD-Leiter Daniel Ammann erklärte sich bereit, als «Versuchskaninchen» herzuhalten. So wurde er im Rollstuhl vom Kurslokal beim Strandbad hinüber zum Pedalo-Steg beim Regattahäuschen gebracht. Mit etwas Hilfe meisterte er auch die Strecke vom Seeweg via Steg aufs ­Pedalo. Dort wurde Ammanns Rollstuhl von zwei Segelschul-Teammitgliedern angeschnallt. Als dann zwei «Piloten» gefunden waren, konnte die Pedalo-Fahrt losgehen. Auch wenn der Wellengang ziemlich rau war: Der Ausflug scheint Spass gemacht zu haben.

Nach einer Pause kehrte man nochmals zur Theorie zurück und besprach, welche Alltagshindernisse abgebaut werden können. Denn bereits kleine Schikanen können grosse Auswirkungen haben. Mit ein bisschen Engagement lässt sich aber auch hier der Zugang für alle ermög­lichen – «Access unlimited» eben.

Die Möglichkeit für Selbstversuche wurde von den Teilnehmenden sehr geschätzt.
Die Möglichkeit für Selbstversuche wurde von den Teilnehmenden sehr geschätzt.
ad
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