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Halb so wild

Dass viele Schauplätze des Krimis «Wilder» des Schweizer Fernsehens SRF im Glarnerland liegen, macht den Sechsteiler für Glarnerinnen und Glarner noch interessanter. Gestern Abend lief die erste Folge unter dem Titel «Knochen».

Marco
Häusler
08.11.17 - 16:56 Uhr
Leben & Freizeit
Am Tatort: Ermittler Manfred Kägi (von links), Res Bühler, Rosa Wilder, Bundesanwältin Barbara Rossi und Investor Karim al-Baroudi fragen sich, wo dessen Tochter Amina al-Baroudi geblieben ist.
Am Tatort: Ermittler Manfred Kägi (von links), Res Bühler, Rosa Wilder, Bundesanwältin Barbara Rossi und Investor Karim al-Baroudi fragen sich, wo dessen Tochter Amina al-Baroudi geblieben ist.
SRF

«Da ist nicht mehr viel Fleisch dran», sagt Polizist Res Bühler – gespielt von Pierre Siegenthaler – mit einem Blick auf den Knochen, den ihm Rosa Wilder auf dem Polizeiposten in Unterwies im Kanton Bern auf den Tisch gelegt hat.

Das ist gleich doppelt gelogen. Ich habe es mir auf dem Sofa vor dem Fernseher gemütlich gemacht, um mir die erste Folge der neuen sechsteiligen Krimiserie «Wilder» des Schweizer Fernsehens SRF anzusehen. Dazu gibt es ein halbes Poulet mit Bratkartoffeln und Salat. Und weil ich mit dem Abendessen erst beginne, ist da noch sehr viel Fleisch am Knochen. Zudem spielt «Wilder» zwar im fiktiven Oberwies im Berner Oberland, doch wie zahlreiche Aussenaufnahmen unschwer erkennen lassen, handelt es sich um den Urnerboden, und gedreht wurde zu einem grossen Teil auch im Glarnerland. Doch die doppelte Lüge ist nur halb so wild.

Den Knochen gibt es zu Beginn

Der Polizistin Rosa Wilder, die als Privatperson in ihr Heimatdorf fährt, ist ein verwester menschlicher Unterschenkel samt Wanderschuh auf die Kühlerhaube des Autos gekracht.

Davon lasse ich mir den Appetit auf mein Hähnchen nicht verderben. Im Gegenteil. Der etwas makabre Auftakt macht Lust auf mehr – also auf mehr Krimi, in dem sich die Schauspielerin Sarah Spale als Ermittlerin auf eine düstere Reise in die Vergangenheit begibt. Denn vor 30 Jahren kamen in Oberwies zwölf Kinder bei einem Bergsturz ums Leben, darunter auch Rosa Wilders Bruder.

Gefeiert wird im Elmer «Sardona»

Ausgerechnet am Gedenktag des Unglücks feiern der ägyptische Investor Karim al-Baroudi (Ercan Durmaz) und das halbe Dorf ein rauschendes Fest zum Spatenstich, der den Bau des riesigen Ferienresorts einläutet, zu dem Oberwies werden soll.

Gefeiert wird im Hotel «Bellevue», dargestellt vom Elmer Hotel «Sardona». Eher zufällig stösst in diesem auch Rosa Wilder zur Festgesellschaft, zu der auch ihre Gotte, Bundesanwältin Barbara Rossi (Sabina Schneebeli), deren Personenschützer Manfred Kägi (Marcus Signer), der Künstler Armon Todt (Christian Kohlund) und Amina al-Baroudi (Amira El Sayed), die Tochter des Investors, gehören.

Fast jedes Klischee wird bedient

«Da fehlt etwas Salz», denke ich an dieser Stelle und meine nicht mein Huhn. Denn die Passage im Hotel «Bellevue» empfinde ich als etwas langatmig, auch wenn das Auftauchen von Rosa Wilders Vater Paul (Andreas Matti) samt einem Geissbock mit diesem Protest des überzeugten Baugegners für etwas «Action» sorgt.

So wird auch damit kaum ein Klischee ausgelassen: Das reicht vom verschrobenen, eigensinnigen Bergler über die offensichtlichste Anspielung auf Samih Sawiris finanzielles Engagement in Andermatt bis zur Bundesanwältin Rossi, die in Anlehnung an die Schweizer Juristin und Diplomatin Carla del Ponte demnächst am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag tätig werden soll. Andererseits stiftet natürlich genau das die Schweizer Identität, die auch alle Nicht-Glarner, Nicht-Urner oder Nicht-Berner an den Bildschirm fesseln soll.

Es darf ein bisschen mehr sein

Auch laut einer Vorschau in der gestrigen «Neuen Zürcher Zeitung» ist die «am Reissbrett für den Durchschnittsschweizer entworfene Geschichte» kein Problem. Noch weniger sei das die «attraktive Besetzung». Die «NZZ» stören aber «die Gestaltungselemente, die wie Bauklötzchen aus der Bastelkiste für Erfolgsserien auftrumpfen». Das beginne schon im Vorspann mit dem Kameraflug über die schneebedeckte Landschaft samt Mauer, der an «Game of Thrones» erinnere.

Mich erinnert Rosa Wilder nach den Hotelszenen im «Bellevue» am nächsten Morgen im Film mit ihrer Entdeckung des toten Künstlers Todt wieder daran, dass «Wilder» eine Krimiserie ist. Wohl keine schlechte. Denn dass gleichzeitig Amina al-Baroudi verschwunden ist, weil sie wohl entführt wurde, wie im Abspann angedeutet wird, sorgt am Schluss wieder für viel Spannung.

Zurück bleiben Knochen in meinem Teller, mittlerweile längst ohne Fleisch, und durchaus Lust auf mehr – also auf mehr «Wilder». Und weil es das schon am nächsten Dienstag wieder gibt, ist auch das nur halb so wild.

Dienstag, 14. November, um 20.05 Uhr, auf SRF 1

Marco Häusler ist Dienstchef der Zeitungsredaktion «Glarner Nachrichten». Er absolvierte den zweijährigen Lehrgang an der St. Galler Schule für Journalismus und arbeitete bei der ehemaligen Schweizerischen Teletext AG und beim «Zürcher Unterländer», bevor er im Februar 2011 zu Somedia stiess. Mehr Infos

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