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«Wir befürchten einen Imageschaden»

Die Nachfrage nach Hotel- betten in Davos ist schlecht. Das besagt eine Studie der Credit Suisse. Tourismusdirektor Reto Branschi widerspricht und ortet wegen der Schlussfolgerungen in der Studie einen gröberen Imageschaden.

Südostschweiz
10.12.11 - 01:00 Uhr

Mit Reto Branschi sprach Dario Morandi

Herr Branschi, Ihre Laune dürfte momentan nicht die beste sein.

Reto Branschi: Sie haben recht, die ist seit Wochenbeginn gar nicht gut ...

... Grund dafür wird die Studie des Forschungsdienstes Credit Suisse sein, in der ausgerechnet der Weltkurort Davos im Zusammenhang mit der Gäste-Nachfrage denkbar schlecht wegkommt.

Ich ärgere mich über diese Studie. Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Studie wurde die Destination Davos Klosters mit Anfragen von Medien und Einheimischen richtiggehend bombardiert. Alle wollten wissen, was geschehen ist und ob es um Davos inzwischen tatsächlich so schlecht bestellt ist.

«Was zählt, ist Wertschöpfung»

Im Angebot top, bei der Nachfrage flop, besagt die Erhebung. Auf der Rangliste der 31 untersuchten Wintersportorte belegt Davos Platz 24.

Die Aussage mit der angeblich mangelnden Nachfrage beruht auf Zahlenmaterial, das nicht nur die Hotellerie einschliesst. Die Studienverfasser haben die Logiernächte-Erhebung des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2003 zu Rate gezogen. Damals wurden die Logiernächte der Hochgebirgskliniken und der Hotellerie zusammen aufgeführt. Seit 2005 wird Davos in der Statistik aber ohne die Kliniken geführt, und deshalb sind 19 Prozent der Klinikübernachtungen weggefallen. Das sind aber keine Hotelübernachtungen, welche die Studie untersucht. Und das fördert natürlich ein vollkommen anderes Bild zutage.

Mit anderen Worten: eine Schlamperei.

So drastisch möchte ich es nicht formulieren. Ich stelle einfach fest, dass die Leute vom Forschungsdienst der Credit Suisse bei ihrer Arbeit offenbar einen wichtigen Faktor schlicht übersehen haben: dass auf Bundesebene, wie bereits erwähnt, ein neues Bewertungssystem für die Logiernächtezahlen gilt. Dazu kommt, dass wir als einzige der 31 bewerteten Destinationen einen florierenden Kongresstourismus haben.

Dann ist man in Zürich also von einem falschen Ansatz ausgegangen.

Ganz klar. Fairerweise muss man sagen, dass Davos wegen der Hochgebirgskliniken und wegen des Kongresstourismus äusserst schwierig zu bewerten ist. Nehmen wir das Kongessgeschäft, das allein pro Jahr 150 000 Logiernächte und eine Bettenauslastung von 63 Prozent beschert: Das sorgt für hohe Wertschöpfung. Und zwar unabhängig davon, ob Einzelzimmer oder Doppelzimmer zur Einzelbenutzung vermietet werden. Das ist ein ausgeprägtes Merkmal des Kongressgeschäfts. Was unter dem Strich zählt, ist ohnehin die Wertschöpfung und nicht unbedingt die Anzahl der Logiernächte.

«Keinen Einblick in die Zahlen»

Ihre Verärgerung lässt darauf schliessen, dass Davos durch die Studie einen Schaden erlitten hat.

Wir befürchten tatsächlich einen Imageschaden. Darauf weisen die ersten Reaktionen von aussen ganz klar hin. Offenbar hat es auch bei den Banken bereits Rückfragen gegeben, ob es angesichts der angeblich rückläufigen Nachfrage nicht von Vorteil wäre, das Rating von gewissen Davoser Betrieben nach unten zu korrigieren.

Das tönt gar nicht gut. Wer hat denn da bei den Banken vorgesprochen?

Ich denke, dass es potenzielle Investoren waren. Das würde mich auch nicht wundern. Denn in Davos hatten und haben wir es mit einigen Investoren zu tun. So etwa beim Ausbau des Kongresszentrums und bei der Realisierung von weiteren Projekten. Ich muss davon ausgehen, dass Investoren über die Schlussfolgerungen dieser Studie erstaunt, wenn nicht gar befremdet sind. Oder anders gesagt: Gegenüber Investoren hat uns diese Studie ein Glaubwürdigkeitsproblem eingehandelt, obwohl in der untersuchten Zeitspanne 56 000 Logiernächte zugelegt haben.

Hat sich dieses Unbehagen konkret in irgendeiner Form manifestiert?

Fakt ist: Jeder Investor, der mit uns in Verhandlungen steht – und das sind einige – muss sich nach der Lektüre der Studie doch fragen, ob Davos nicht doch ein Nachfrageproblem hat. Besonders, wenn sie keinen Einblick in die effektiven Zahlen zwischen 2005 und 2010 haben. Aus ihnen geht hervor, dass nicht wir, sondern andere Destinationen Logiernächte eingebüsst haben.

«Das will was heissen»

Glauben Sie, dass dieser Studie eine so hohe Beachtung geschenkt wird?

Ja. Und zwar weil sie aus der Feder von Wirtschaftsfachleuten der renommierten Schweizer Grossbank Credit Suisse stammt. Die Erhebung hat nicht irgendeine Tourismusfachschule erarbeitet, sondern die Credit Suisse. Das will was heissen und das ist genau der springende Punkt

Werden auch die Gäste negativ darauf reagieren, weil sie nun annehmen müssen, in Davos sei nichts mehr los?

Unsere Gäste sind mehr auf die Entwicklung des Angebots als auf die Nachfrage fixiert. Beim Angebot belegen wir ja hinter Zermatt und St. Moritz den guten dritten Platz. Und ausserdem haben wir gemäss der Studie ein tiefes Preisniveau, was nichts anderes bedeutet, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu haben. Genau zu diesem Schluss kommt die kürzlich veröffentlichte Studie des Wirtschaftsmagazins «Bilanz»: Wir belegen da Platz 1 unter Weltmarken im europäischen Alpenraum.

Die Studie sagt weiter, dass Davos «mit Ausnahme der klimatischen und landschaftlichen Bedingungen», in allen Angebotskategorien überdurchschnittlich abschneidet. Durch die Blume gesagt, heisst das doch, dass Davos kalt und hässlich ist.

Wenn man uns als Höhenkurort mit langer Tradition wegen des Klimas als schlecht beurteilt, wundert man sich schon etwas. Beim Landschaftsbild haben die Forscher See und Waldflächen beurteilt. Dies können wir nicht ändern. Wer Davos kennt, weiss, dass es eine kleine Stadt in den Bergen ist. Aber abseits des eigentlichen Ballungsraums, in den Seitentälern, gibt es auch das ländliche, das beschauliche Davos. Davos muss man kennen, um es lieben zu können.

Davos hat es in der Kategorie «Angebot» immerhin auf Platz 3 geschafft. Was machen Zermatt und St. Moritz besser?

Wir müssen uns nicht verstecken. Besonders im Langlaufsport haben wir einiges mehr zu bieten als etwa Zermatt, das laut der Studie das bessere Angebot haben soll. Die Walliser können ebenso wie St. Moritz und wir mit einem tollen Angebot für den alpinen Skisport aufwarten. Auf den ersten drei Plätzen sind die Differenzen klein, ausser vielleicht beim Unterhaltungs- und Veranstaltungsangebot. Da sollte Davos eigentlich an erster Stelle stehen. Das wird uns übrigens von aussen immer wieder aufs Neue bestätigt.

Trotzdem hat Davos in den letzten Jahren viele Hotelbetten verloren.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Davos in den letzten 20 Jahren besonders im Zwei- und Dreisternebereich massiv Betten verloren hat. Auch bei den Viersternhäusern ist ein Rückgang zu verzeichnen. Bezieht man jene Hotelbetten ein, die neu geschaffen worden sind oder momentan realisiert werden, wird ab 2013 nach heutigem Wissensstand unter dem Strich ein Verlust von etwa 20 Betten resultieren.

Zusätzliche Betten gibt es aber weder im Zwei-, noch im Dreisternsegment. Davos rüstet doch fast ausschliesslich in der Luxusklasse auf, wie der «Stillipark» anschaulich zeigt.

Es gibt eine Verlagerung von Zwei-, Drei- oder Viersternbetrieben hin zu Superior-Häusern. Als Beispiel dafür steht das kürzlich eröffnete Hotel «Grischa» oder das umgebaute Hotel «Edelweiss». Als Kongressdestination brauchen wir das. Das zeigen die entsprechenden Forderungen, die seitens des World Economic Forum immer wieder aufs Neue laut werden. Wir sind dank des Baus des «Stilliparks», des «Hilton» und des Engagements des neuen «Seehof»-Besitzers gut auf Kurs.

Die Studie macht in Davos auch zu viele Tagesgäste aus, die zu wenig Geld ausgeben. Das ist nicht die Klientel, die der «Stillipark» dereinst beherbergen soll.

Davos rückt nicht zuletzt wegen der stetig besser werdenden Strassen- und Bahnverbindungen näher zum Grossraum Zürich. Dementsprechend steigen die Frequenzen im Tagestourismus. Das ist gut, weil wir diesen unbedingt brauchen. Und dabei denke ich besonders an die Bergbahnen und die Gastronomie. Dass Tagestouristen, die für einen Pauschalpreis nach Davos reisen, nicht allzu viel Geld ausgeben, liegt auf der Hand. Aber es ist doch toll, dass sich jedermann gerne einen Abstecher nach Davos leistet.

«Es besteht ein Nachholbedarf»

Dazu kommt, dass Davos ein relativ grosses Segment an jugendlichen Gästen hat, das aber nur eine geringe Wertschöpfung generieren dürfte.

Wir sind froh und gleichzeitig stolz, dieses wichtige Gästesegment zu haben. Genau diese Jugendlichen kommen später als zahlungskräftige Gäste zu uns zurück. Für Davos ist die Pflege der jungen Gäste gewissermassen eine Investition in die Zukunft.

Der «Stillipark» lässt vermuten, dass Davos aber gleichzeitig dem Nobelkurort St. Moritz nacheifern will.

Ganz und gar nicht. Davos hat vielleicht nicht die Gästestruktur von St. Moritz. Sie ist aber nahezu identisch. Der Unterschied zwischen uns und St. Moritz ist, dass es prominente Gäste vorziehen, in Davos und Klosters inkognito Ferien zu machen. Bei uns besteht jedoch – und das muss ich eingestehen – ein gewisser Nachholbedarf in der Fünfstern-Hotellerie und hochklassigen Angeboten in der Gastronomie für VIP-Gäste. Aber wir werden diesbezüglich einen Sprung nach vorne machen, wie der Bau des «Stilliparks», des «Hilton» oder das neue Superior-Viersternehaus «Grischa» zeigen, das sogar auf diese Saison vier neue Restaurants eröffnet.

Aber es wäre doch toll und würde für gute Werbung sorgen, wenn die Schönen und Reichen dieser Welt vermehrt ins Landwassertal kämen.

Selbstverständlich heissen wir auch sie herzlich willkommen. Davos ist nicht so exklusiv, wie sich dieses Publikum das wünscht. Die Stärke von Davos ist die Vielfalt. Das zeigt auch die Studie der Credit Suisse.

… ist seit 2001 Direktor der touristischen Destination Davos Klosters. Der 53-Jährige ist verärgert über eine Studie des Forschungsdienstes der Grossbank Credit Suisse. Die Erhebung unter dem Titel «Tourismus Schweiz – Wintersportorte im Wettbewerb» ist diese Woche publiziert worden. Darin wird behauptet, Davos habe wegen stark rückläufiger Übernachtungszahlen ein Nachfrageproblem. Deshalb rangiert Davos unter den 31 bewerteten Schweizer Wintersportorten auf Platz 24. Wesentlich besser sieht es hingegen im Bereich Angebot aus. Da hat Davos hinter Zermatt und St. Moritz das drittbeste Resultat erzielt (Ausgabe vom Mittwoch). (mo)

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