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Wie der SAC seine Mitglieder am Seil herunterlässt

Der SAC betreibt nicht nur Hütten, er sorgt auch dafür, dass die Mitglieder sicher in die Berge kommen. Ein Besuch im Kletterausbildungskurs des SAC Rätia.

Südostschweiz
08.06.13 - 02:00 Uhr

Von Norbert Waser (Text) und Rolf Canal (Fotos)

Im Klettergarten in Haldenstein herrscht an diesem Abend Hochbetrieb. In den verschiedenen Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sind mehrere Seilschaften unterwegs. Eine Anweisung da, eine Meldung vom Finden eines Standplatzes, ein Jauchzer beim Erreichen des Top dort. Am Fuss der Felswand macht sich ein Grüppchen bereit, in dem Fachausdrücke wie Express, Prusik oder Halbmastwurf noch einige fragende Blicke auslösen. Es ist der Eröffnungsabend des dreiteiligen Kletterkurses der SAC-Sektion Rätia. Der Felskurs wird jeweils abwechselnd mit dem Gletscherkurs ausgeschrieben und bietet den über 2000 Mitgliedern kostenlos eine Grundausbildung an.

Hemmschwelle überwinden

Zumindest die Grundausrüstung müssen die Kursteilnehmer mitbringen. Einige der Teilnehmer haben in der Kletterhalle bereits erste Erfahrungen mit Seil und «Gstältli» gesammelt. Voller Tatendrang hat sich Adam Ziemka zum Kurs angemeldet. Der seit zwei Jahren als Apotheker in Domat/Ems arbeitende Pole hat bereits Ski- und Velofahren gelernt, nun möchte er auch noch Klettern lernen. «Ich möchte Leute kennenlernen, die gleiche Hobbys haben und ebenso Anfänger sind wie ich», nennt er seine Motivation zur Kursteilnahme. Bereits die Vorstellungsrunde zeigt, dass nicht nur er mit der Kursanmeldung eine erste Hemmschwelle bereits erfolgreich überwunden hat.

Und ewig locken die Berge

Die in Zürich aufgewachsene Marianne Bachofen aus Malix erfüllt sie sich mit Mitte 50 einen lang gehegten Wunsch. Als sie vor über 30 Jahren ihren heutigen Mann – einen Bündner – kennenlernte, schien ihr Traum von Touren in den Bündner Bergen greifbar nahe. Von Märschen und Biwaks im Militär abgeschreckt, hielt sich bei diesem aber die Wanderlust in Grenzen, und als die Kinder geboren waren, musste Marianne Bachofen die Berge weiter von unten betrachten. «Nun will ich es aber wissen», sagt die «Jungbergsteigerin». Nach ersten Erfahrungen in der Kletterhalle will sie im Felskurs den Umgang mit Seil und Karabiner lernen; auf dass der Traum vom Gipfelerlebnis in den Bündner Bergen doch noch in Erfüllung geht.

Wenn sich der Knoten löst

Nach dem ersten Abend werden Marianne Bachhofen und die anderen Kursteilnehmer aber wohl eher noch von Spierenstich, Achterknoten und Karabinerklemmknoten träumen. Die Kursleiter Franz Deck und Berto Braguglia, zwei erfahrene Ausbildner, erklären geduldig die Funktionsweise und Handhabung der Knoten.

Einen besonderen Kniff hat sich Stefan Riedi ausgedacht. Er filmt mit seinem iPhone das Knüpfen des Knotens, in der Hoffnung, so zu Hause einfacher üben zu können. Denn am zweiten Kursabend im Klettergarten, an dem erste leichtere Routen geklettert werden, wird erwartet, dass die Sicherungsknoten sitzen. Der dritte Teil wird dann ein Kletterwochenende im Alpsteingebiet (Bollenwees) sein. Dort wird das Leiterteam noch durch den Bergführer Bernhard Stöckl verstärkt und das Klettern in kleinen Seilschaften im Fels eins zu eins durchgespielt.

50 Tourenleiter im Einsatz

Nach Absolvierung des Grundkurses werden die Absolventen über Fertigkeiten verfügen, um sich einer Tourengruppe anzuschliessen. Ihnen eröffnet sich dabei eine grosse Auswahl. Im Jahresprogramm 2013 bietet der SAC Rätia über 70 Touren im Winter und 40 im Sommer an. Dieses Programm wird im Herbst für das ganze Jahr fixiert. Neben Klassikern wie Piz Beverin oder Piz Tambo im Winter oder Piz Morteratsch und Ringelspitz im Sommer, stehen da auch weniger bekannte Gipfel zur Auswahl. «Wichtiger als ein klingender Name des Gipfels sind ohnehin das Wetter und die Verhältnisse, und diese können einen namenlosen Berg ebenso zum Erlebnis werden lassen», sagt Tourenchef Beat Putzi.

Ihm stehen rund 50 aktive Tourenleiterinnen und -leiter zur Seite. Damit diese eingesetzt werden können, müssen sie nach absolvierter Grundausbildung alle fünf Jahre eine dreitägige Weiterbildung besuchen. Das Interesse an den Touren, vor allem bei den Klassikern, übersteigt dabei oft das Angebot. Die Obergrenze liegt im Winter bei zwölf Teilnehmern pro Leiter, abhängig vom Schwierigkeitsgrad. Ein eigenes Jahresprogramm haben die Senioren. «In den letzten Jahren hat eine erfreuliche Verjüngung stattgefunden», stellt Beat Putzi fest. Und wenn er – wie beim Kletterkurs in Haldenstein – auf zwei erfahrene Kursleiter wie Franz Deck und Berto Braguglia zurückgreifen, und junge, motivierte Kursteilnehmer begrüssen kann, dann freut das den Tourenchef doppelt. Da werden buchstäblich Verbindungen zwischen den Generationen geknüpft; mit Achterknoten und doppeltem Spierenstich.

Das «Bündner Tagblatt» begleitet das Jubiläumsjahr 150 Jahre SAC mit einer Artikelserie. Heute erscheint der vierte Beitrag.

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