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Sonnenarchitektur

Der Solarpreis Schweiz und der ihn regierende Sonnen- und Umweltpolitiker Gallus Cadonau haben in 20 Jahren drei bemerkenswerte Beiträge zur Baukultur und Architektur geliefert:

Südostschweiz
12.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

die Magie der Zahl, die Integration des Bauteils und den politischen Raum.1. Wer sich durch die Kataloge blättert, muss zahlenfreudig sein. Unerbittlich werden Volt, Kilowatt und CO2 aufgereiht. Die Magie der Zahl ist für die gerne mit weichen Argumenten redende Architektur anregend und bedenkenswert. Sonnenschönheit ist messbar.2. Der Solarpreis setzt sich für die Integration der Sonnengeräte ins Dach und in die Fassade ein. Dem Solarhaus soll man seine Sonnenfreude nicht ansehen. Der baukünstlerischen Entfaltung setzt das einen engen Spielraum. Das ist gut, wenn wir an all die von Designdruck Getriebenen denken. Das ist schlecht, wenn wir an die denken, die Baukunst können und mit neuer Technik neue – und anregende – Form wollen.3. Ein Preis kämpft fürs Gute und sagt: «Schau her, das geht!» Der Solarpreis kann dieses politische Projekt aber auch führen. Die geschickte Verknüpfung von wirtschaftlichen, politischen und eigenen Interessen – das können Architektur und ihre Institutionen von Cadonau lernen. Wie zart ist doch da die Debatte und wie selbstbezogen oft der Daseinsgrund.Und nun? Der Solarpreis zeigt eindrücklich, was technisch möglich ist. Zum Beispiel beim Wohnhaus Cadruvi/Joos in Ruschein, das mehr Strom produziert, als es verbraucht. Und auch bei der oft gelobten Monte-Rosa-Hütte des SAC. Sie ist zweifellos eine einmalige Verdichtung von kühnem Designwillen, technischem Können und grosser Ausstrahlung. Doch kann dieses Edelstück mehr als andere SAC-Hütten? Gewiss, sie kann mehr – sie gibt mehr Gästen mehr Komfort. Solche Exzellenz fördert vorab unsere Freizeitgesellschaft, die munter ständig mehr Ressourcen verbraucht. Ein Vorschlag an Gallus und seine Sonnenfreunde: Lobt nicht nur Effizienz und Plusenergie, sondern fragt auch nach der Suffizienz. Zukunftsfroh sind nicht nur Projekte, die mehr wollen und das immer schneller und besser, sondern auch solche, die zukunftsverträgliche Wohn- und Arbeitsformen vorführen. Lebensformen, die grundsätzlich weniger Energie brauchen. Es reicht nicht, den Alkoholismus mit Schnaps zu bekämpfen – gutes Bergwasser ist besser geeignet.

Köbi Gantenbein ist Verleger und Chefredaktor von «Hochparterre». Er lebt und arbeitet in Zürich und Fläsch.

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