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Silikonbrüste: Paris macht mit Rückruf Ernst

Die Regierung in Paris empfiehlt 30 000 Französinnen offiziell, ihre Brustimplantate zu entfernen. Das Krebsrisiko hält sie allerdings für nicht erwiesen.

Südostschweiz
24.12.11 - 01:00 Uhr

Von Stefan Brändle

Paris. – Also doch. Der französische Gesundheitsminister Xavier Bertrand hat gestern Zeitungsmeldungen von dieser Woche bestätigt und den Rückruf minderwertiger Brustimplantate der Marke PIP empfohlen (Ausgabe vom Mittwoch). Er betonte, dies geschehe «aus vorbeugenden Gründen und ohne Dringlichkeitscharakter». Das Entfernen sei aber selbst dann angebracht, wenn es keine Anzeichen von Rissen oder anderen Mängeln des Silikonkissens gäbe. Eine krebsfördernde Wirkung schliesst Bertrand nicht aus, doch hält er den Kausalzusammenhang nicht für erwiesen. Das französische Krebsinstitut Inca hatte am Donnerstag zuhanden der Regierung erklärt, dass bei den betroffenen PIP-Produkte «bis zum heutigen Tag kein erhöhtes Krebsrisiko» im Vergleich zu anderen Implantaten festgestellt worden sei. Nach behördlicher Darstellung leiden in Frankreich acht Frauen mit PIP-Implantaten unter Krebssymptomen; eine 53-Jährige ist den Folgen erlegen.

Folgen noch nicht absehbar

Bisher hatte die französische Regierung die betroffenen Frauen nur angehalten, ihren Chirurgen oder Hausarzt aufzusuchen. Die Rückrufaktion betrifft 30 000 Französinnen. Weltweit sollen 300 000 Frauen, namentlich in Europa und Südamerika, Implantate der südfranzösischen Firma Poly Implants Prothèses (PIP) erhalten haben. In der Schweiz sind knapp 300 Frauen betroffen (siehe Kasten).

Die Folgen des Skandals sind noch nicht absehbar. In Paris kündigte Regierungssprecherin Valérie Pécresse schon Mitte Woche an, dass der Staat die Kosten für die Entfernung der Implantate übernehmen werde. Für den Kauf und die Einsetzung neuer Brusteinlagen müssen die Betroffenen aber selber aufkommen. Ausgenommen sind nur Brustkrebspatientinnen, die PIP-Produkte wegen ihrer Krankheit – und nicht als reine Schönheitsoperation – erhalten hatten. Nach Experten dürfte ihr Anteil aber verschwindend klein sein, da die PIP-Implantate in Fachkreisen als Billigware galten und von seriösen Chirurgen nicht benutzt wurden.

In Grossbritannien – neben Frankreich und Spanien das hauptbetroffene Land – haben die Gesundheitsbehörden am Donnerstag ihrerseits erklärt, PIP-Produkte stellten kein erhöhtes Risiko für die Trägerinnen dar. Trotzdem haben bereits 250 Engländerinnen Klage gegen sechs Kliniken eingereicht, die solche Implantate einoperiert hatten. Die Anwälte dieser Frauen verzichten auf Klagen gegen die Herstellerin im südfranzösischen La Seyne-sur-Mer, da PIP Konkurs gegangen und aufgelöst worden ist.

Eine Million Euro «gespart»

PIP hatte die reissanfälligen und zum Teil platzenden Implantate von 2001 bis im Frühjahr 2010 hergestellt. Vom Konkurs bedroht, prüfte Unternehmensgründer Jean-Claude Mas im Sommer 2010 noch das Übernahmeangebot eines amerikanischen Konkurrenten. Später setzte er sich an einen unbekannten Ort ab. Laut Augenzeugen und Verbänden französischer PIP-Patientinnen benutzte das Unternehmen zum Teil Industriesilikon für die Implantate. Auf diese Weise sparte PIP gemäss französischen Medien rund eine Million Euro an Materialkosten ein. Die Folgekosten dürften um ein Vielfaches höher liegen.

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