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Schaellis versteckte Botschaft gegen das schnelle Vergessen

Der Churer Gestalter Colin Schaelli und die Allegra Passugger Mineralquellen AG sagen dem schnellen Vergessen den Kampf an: Mit einer optisch und inhaltlich ungewöhnlichen Aktion erinnern sie an die Katastrophe in Japan.

Südostschweiz
18.08.11 - 02:00 Uhr

Von Olivier Berger

Chur/Passugg/Tokio. – «Wenn die Leute einen Moment innehalten und sich fragen, was das soll, haben wir ein Ziel schon erreicht», sagt Colin Schaelli. Der Wunsch des Schweizer Designpreis-Trägers von 2009 dürfte sich erfüllen: Die Plakate, welche der Churer für die Allegra Passugger Mineralquellen AG entworfen hat, sind auf den ersten Blick durchaus verwirrend. Seit dieser Woche hängen sie im Grossraum Zürich und erinnern mit ihren Arrangements aus Punkten oder Strichen in verschiedenen Farben an konstruktive Kunst.

Vier Stufen für mehr Bewusstsein

Die Plakate sind Teil einer Aktion, mit welcher Schaelli und Allegra Passugger das Bewusstsein für die Katastrophe in Japan erhalten wollen. Die Aktion verläuft in vier Stufen, die ineinandergreifen. Gestartet wurde sie bereits im Juli mit der Lancierung einer Halbliterflasche Passugger, deren Etikette ebenfalls Schaellis Entwurf zeigt. Der Verkaufserlös der Flaschen, welche etwas teurer verkauft werden als ihre «gewöhnlichen» Pendants, fliesst vollumfänglich nach Japan. Parallel zur Plakatierung hat Schaelli dieser Tage damit begonnen, im Internet Interviews mit Menschen aus Japan zu veröffentlichen. Zusammengefasst werden soll die ganze Aktion in einer kleinen Publikation.

Dass Schaelli die Menschen in Japan und ihre Situation am Herzen liegen, hat seinen Grund: Seit Jahren lebt und arbeitet er teilweise in Tokio. In den vergangenen Wochen hat er die Erdbeben-Regionen des Landes persönlich besucht und seine Reise auch fotografisch dokumentiert. «Die Art, wie die Japaner mit der Tragödie umgehen, ist vollkommen anders, als das bei uns wäre», erklärt er. «Viele nehmen die Ereignisse mit Gelassenheit hin oder sehen darin auch Gutes.»

Für die Allegra Passugger Mineralquellen AG steht bei dem Projekt laut Mitinhaber und CEO Urs Schmid nicht der finanzielle Mehrwert im Vordergrund. «Die Aktion passt sehr gut zu jenen Werten, welche wir mit unserem Produkt vertreten wollen.» Tatsächlich hat Allegra Passugger in den vergangenen Jahren bereits einen Klimafonds ins Leben gerufen; seit geraumer Zeit wird in Passugg ausschliesslich mit Öko-Strom produziert. «Der Erfolg eines Projekts wie dem vorliegenden muss nicht immer in Franken und Rappen messbar sein», betont Schmid. «Manche Dinge muss man einfach tun.»

Schaellis codierte Botschaften

Auch formal unterscheidet sich die Aktion stark von gewohnten Bildwelten. Die «konstruktiven» Plakate und Etiketten beispielsweise haben es im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Hinter den scheinbar allein aus ästhetischen Gründen arrangierten Symbolen verbirgt sich nämlich eine Botschaft. So hat Schaelli das Wort «Switzerland» in Morsezeichen und das Wort «Japan» in Farbcodes übersetzt.

Auch mit den Interviews im Internet bricht Schaelli die Gewohnheiten der Nutzer. «Die meisten von uns sehen im Internet ein Medium, das in erster Linie schnell und oberflächlich ist», erklärt er. «Die Interviews sind aber Lesestoff mit Inhalt und Tiefgang, also etwas, was man in diesem Medium nicht erwarten würde.»

Schaelli und Schmid sind überzeugt, dass sie mit ihrer Aktion «ansprechen ohne anzuschreien». In erster Linie gehe es darum, Bewusstsein zu wecken, so Schaelli, «denn Wissen kann erworben werden, Bewusstsein muss entstehen». Das verwirrte Innehalten vor den Plakaten könnte ein erster Schritt sein, an eine fast vergessene Tragödie zu erinnern.

Informationen: www.passugger.ch/Japan

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