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Rhapsodie und Architektur

Demnächst spielt das Ländlerorchester im Auditorium der Kantonalbank (GKB) in Chur. Ein Barockstückli eröffnet die «Ländler Rhapsodie» von Domenic Janett.

Südostschweiz
10.10.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Bald gehts rund mit Walzer, Polka und Mazurka; quer legen die Geiger einen Betruf darüber, mit verwegenen Soli stemmen die Klarinettisten drei Säulen darunter, und immer wieder versammelt der gute Hirte Domenic alle zum Tutti für Totengesänge und Tanzböden.Was hat diese Musik mit Architektur zu tun? Rat weiss der Hauptsitz der Kantonalbank am Postplatz. Die Architekten Dieter Jüngling und Andreas Hagmann haben ihn 2006 erweitert. Sie hörten am alten Palast den Chorälen und Soli zu, die seine Erbauer vor 100 Jahren anstimmten. Sie untersuchten Volumen, Materialien, Formen, Farben und Ornamente. Sie studierten, was ihre Urgrossväter Schäfer & Risch in der Zeit des gebirglerischen Jugendstils konnten. Und sie verwandelten deren Rhythmus, Harmonie und Tonalität in zeitgenössische Baukultur. Daraus wurden sandgelber Beton statt Tuffstein, dekorierte Wände statt geschnitzte Fensterstöcke, gegen den Fontanapark ein Gewächshaus statt ein Steinpalast und im Inneren einer der weltluftigen Räume des Kantons.Die in der «Ländler Rhapsodie» zusammenströmende Volksmusik ist ähnlich komponiert. Domenic Janett schwärmte hinaus in die Geschichte, um die traditionsreiche Volksmusik zu erweitern. Ins Engadin, wo Fränzli Waser unterwegs war, ins Zürcher Niederdorf, wo der verwegene Musikant Kasi Geiser spielte, bis er vom Stuhl kippte, und hinüber nach Amerika zu den furiosen Jazzern. Filigran baute Janett seine Rhapsodie auf Säulen, Träger, Farben und Girlanden, die aus dem Liedgut Graubündens kommen und ebenso aus den weiten Steppen Kaukasiens irgendwie nach Stugls in seine Komponistenstube fanden.Die Architekten und der Musikant mögen den Klang, den Eigensinn und die Geschichte des Ortes, ja der Heimat. Sie hüten sich aber vor dem dumpfen Pochen der Tirolerwalser-Lederhosen und haben mit dem Stumpen-Hackbraten-Sound des «Echos vom Pura Zmorgä» nichts zu schaffen.Wer meinen Vergleich prüfen will – am 23. Oktober um 19 Uhr spielt das Ländlerorchester in der Sala comünela in Samedan und am Tag darauf um 17 Uhr im Auditorium der GKB in Chur.

Köbi Gantenbein ist Chefredaktor von «Hochparterre». Er lebt in Zürich und Fläsch und spielt als fröhlicher Dilettant Klarinette in der «Banda delle Millelire».

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