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Glarus feiert Sol Gabettas Vivaldi

Standing Ovations in der ausverkauften Aula: Cellistin Sol Gabetta und das «Orchestra da Camera di Mantova» konzertierten am Freitag mit einem fulminanten Programm.

Südostschweiz
26.02.12 - 01:00 Uhr

Von Swantje Kammerecker

Glarus. – Nach dem unvergesslichen Regierungskonzert 2008, bei dem Sol Gabetta mit dem Kammerorchester Basel und den Rokoko-Variationen Tschaikowskys in Glarus gastierte, konnte die Glarner Konzert- und Theatergesellschaft die inzwischen noch berühmtere Cellistin ein weiteres Mal engagieren. Das lässt Musikfreunde nicht nur aus dem Kanton, sondern aus der ganzen Schweiz und sogar dem Ausland am Freitagabend in die Aula strömen – das Glarner «Festspielhaus» ist ausverkauft.

Spielfreudiges Orchester

Mit dabei ist diesmal das «Orchestra da Camera di Mantova», ein innovatives und spielfreudiges Streichorchester, welches sich während 30 Jahren unter anderem in speziellen Komponisten-Projekten (Beethoven, Mozart und Haydn) und mit gefeierten Solisten ein Renommee erwarb. Beachtlich ist auch die Kunst des Cembalisten, der auf einem historischen Originalinstrument der Glarnerin Magdalena Mattenberger-Kobelt spielt.

Zur Eröffnung erklingt Carl Philipp Emanuel Bachs Sinfonie Nr.2 in B-Dur. Der Stil der neuen Empfindsamkeit der Frühklassiker wird hier sehr gut getroffen, das Temperament jedoch noch charmant gezügelt. Unbändiger geht es später in Mozarts Divertimento für Streichorchester (1772) zu: Aus der Interpretation der italienischen Musiker, die vom Konzertmeister gestenreich geführt werden, strahlt pure Lebensfreude, ein Schwelgen im Klang und Vergnügen am Detail. Bezeichnenderweise spielen die Geigen und Bratschen im Stehen, erst mit Sol Gabettas Auftritt setzt man sich. Vier barocke Solokonzerte erwarten das Publikum.

Platti und Vivaldi

Der Paduaner Giovanni Platti (1697–1763), Oboist am fürstbischöflichen Hof Würzburg, hat insofern eine Beziehung zu Vivaldi, als er dessen Cellokonzerte nach Deutschland exportierte. Sol Gabetta interpretiert sein wenig bekanntes, aber lohnendes Konzert in g-Moll, welches die damaligen Möglichkeiten des Cellospiels voll ausschöpft, mit Verve und in enger Zwiesprache mit dem Orchester.

Zu Vivaldi hat die Cellistin eine besondere Beziehung. Zwei CDs vom «Progetto Vivaldi» dokumentieren dieses Schaffen, aus dem in Glarus drei Vivaldi-Konzerte erklingen.

Gabetta erinnert sich, dass sie bereits in der Aufnahmeprüfung zum Kindergarten als Dreieinhalbjährige ein ganzes Violinkonzert von Vivaldi vorgesungen habe. Als Sechsjährige hat sie dieses Werk selbst auf der Geige gespielt, sie studierte dieses Instrument bis zum Alter von acht Jahren parallel zum Cello.

In den vergangenen Jahren ihrer steilen Karriere begegnete sie Vivaldi neu, indem sie sich ausgiebig dem Spiel des Barockcello widmete. Ein farbiger und nuancenreicher Ton und eine unglaublich behände Bogenführung treffen auf eine reife und mutige, durch und durch persönliche Interpretation. So entsteht ein spannender musikalischer «Actionfilm». Dazwischen blitzt unvermittelt und doch wohldosiert ein Schalk in den Gesten und Klängen auf, was das Publikum immer wieder zum Lächeln bringt.

Gabetta zeigt sich ausdauernd

Vivaldi lebt vom Kontrast: In den brillanten, temporeichen Ecksätzen wird die Musik vom ganzen Klangkörper befeuert, in den sanglichen «Herzstücken» der Mitte sparsam und fast intim begleitet. Die Dramaturgie des Abends erreicht mit dem «Winter» aus Vivaldis Jahreszeiten-Konzertzyklus seinen Höhepunkt. In der Fassung für Solocello und Orchester kommt die Ausdruckskraft und Virtuosität dieses Klassikhits noch extremer herüber: Rasende Sechzehntel-Repetitionen in schwindelnder Höhe, schroffe Akkorde, zärtliche Verzierungen und ein in der Tenorlage wunderbar warmes Largo halten in Atem.

Ein passendes musikalisches Bild zum aktuellen Glarner Winter mit seinen heftigen Temperaturausschlägen und Schneemassen samt Lawinen und Felsturz. Unter dem Kraftakt verliert der Cellobogen etliche Haare; nur die Kondition von Sol Gabetta scheint unerschöpflich: Unter Bravos und Standing Ovations gibt es noch ein paar Zugaben.

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