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Fragezeichen um Servettes Investor Majid Pishyar

Sechs Jahre nach dem Konkurs und der Zwangsrelegation könnte Servette heute in die Fussball-Super-League zurückkehren. So oder so steht der Genfer Traditionsklub aber vor einer ungewissen Zukunft.

Südostschweiz
31.05.11 - 02:00 Uhr

Von Marco Ackermann

17 Meistertitel und sieben Cupsiege hat Servette errungen. Nur die Grasshoppers können auf nationaler Ebene mehr Trophäen vorweisen. Nach dem letzten Meistertitel im Jahr 1999 standen die Genfer sogar an der Schwelle zur Champions League. Heute Abend müssten sie sich schon damit begnügen, der Challenge League entfliehen zu können. Wenn sie in der Barrage gegen Bellinzona nicht imstande sind, das 0:1 aus dem Hinspiel zu korrigieren, bleiben sie eine weitere Saison von der Schweizer Elite-Liga ausgeschlossen.

Zweites Projekt in Portugal

Der Nichtaufstieg würde für Majid Pishyar eine grosse Enttäuschung darstellen. Der iranische Unternehmer der global tätigen «32group» hatte vor knapp drei Jahren (von kritischen Nebengeräuschen begleitet) das Präsidentenamt bei Servette übernommen – mit dem Ziel, an vergangene Erfolge anzuknüpfen. Fürs Jahr 2014 soll er gleich einmal den Meistertitel ins Visier genommen haben. Und Pishyar scheut angeblich keine Kosten. Er soll pro Saison sechs Millionen Franken in den Klub pumpen.In Genf stellt man sich berechtigterweise die Frage, was beim Verpassen des Aufstiegs passieren würde. Wäre Pishyar mit seiner Geduld am Ende? Vor ein paar Tagen hatte er mit der Ankündigung überrascht, bei einem zweiten Fussballklub einzusteigen. Er soll sich nun auch beim portugiesischen Erstligisten Beira-Mar engagieren.

Optimistische Servette-Anhänger wollen nichts von einem Wegzug Pishyars wissen. Sie vermuten eher, dass der Präsident auch in der Challenge League im Amt bleiben würde, um am Betreuerstab und am Spielerkader diverse Änderungen vorzunehmen. Man müsste sich für einen harten Kampf gegen Konkurrenten wie St. Gallen, Lugano und Vaduz wappnen. Die Position von Trainer-Fuchs Joao Alves (58) wäre gefährdet. Der portugiesische Ex-Internationale war geholt worden, weil er über Routine in Aufstiegsrennen verfügt.

Keine Alternative

Als Pishyar letztmals einen Fussballklub verlassen hatte, hinterliess er einen Scherbenhaufen. Der achtfache österreichische Meister Admira Wacker Mödling tauchte während seiner Ära wegen Geld- und Lizenzproblemen in die dritthöchste Division ab. Pishyar verteidigte sich stets, er sei damals von anderen Vereinsverantwortlichen nicht korrekt über die finanziellen Verhältnisse informiert worden. In Genf sei die Situation anders. Er liebe diese Stadt, weil er sie schon zu seinen Jugendzeiten habe kennenlernen dürfen. Und Servette liege ihm am Herzen. Er sieht sich als Helfer. Dem entgegnet ein Journalist aus der Romandie: «Wie kann man eine Stadt lieben, wenn man nicht einmal ihre Sprache spricht?» Der Geschäftsmann aus Vorderasien soll seine Konversationen in Genf vorwiegend auf Englisch führen.

Pishyar sei zwar nicht ein Verrückter à la Marc Roger, welcher Servette in der Saison 2004/05 mit seiner Hochstapler-Philosophie in den Ruin getrieben hat. Doch auch der bärtige Iraner neige zu vollmundigen, etwas übertriebenen Ankündigungen. So möchte er in der Calvin-Stadt für zirka 30 Millionen Franken ein feudales Nachwuchszentrum errichten. Das Organigramm müsse ständig angepasst werden. Als zwei von drei Vizepräsidenten sind momentan Pishyars Söhne Amin und Ehsan eingetragen. Ein paar Offizielle aus dem Verwaltungsapparat bekomme man in La Praille, wo Servette ansässig ist, nie zu sehen.

Offenbar jedoch gibt es in Genf für den Posten des Servette-Präsidenten keine ernsthafte Alternative zu Pishyar. Die einflussreichen Leute würden sich nur dann im Stade de Genève zeigen, wenn es um die Wurst gehe und sich ein Grosserfolg anbahne. Und es würden Befürchtungen geäussert, dass mit Servette auf die Dauer kein Geld zu verdienen sei.

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