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Ende einer erfolgreichen Politikerdynastie

Der angekündigte Rücktritt von Nationalrätin Brigitta Gadient ist weit mehr als nur eine bedauerliche Angelegenheit für die direkt betroffene Partei, die BDP.

Südostschweiz
02.10.10 - 02:00 Uhr

Mit Gadient wird Ende nächsten Jahres ein politischer Name, der die Bündner Politgeschichte geprägt hat, von der politischen Bühne abtreten. Vater Ulrich Gadient (1931) war langjähriger National- und Ständerat der Bündner Demokraten und dann der SVP, zu der sich im Jahr 1971 die Demokraten mit der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei zusammengeschlossen hatte. Eine legendäre Politfigur war Grossvater National- und Regierungsrat Andreas Gadient (1892-1976), der zu den Gründern der Bündner Demokraten gehörte, die sich im Jahr 1919 vom Bündner Freisinn losgelöst hatten. Brigitta Gadient tritt auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge ab und läutet das Ende einer Politikerdynastie ein.Die 1960 in Chur geborene Gadient mit Prättigauer Wurzeln hatte Politik sozusagen im Blut. Als Mitarbeiterin in den Parlamentsdiensten lernte sie den Betrieb im Bundeshaus bestens kennen, bevor sie 1995 für die Demokraten bei den Nationalratswahlen antrat und gleich ein hervorragendes Resultat erzielte. Bei den letzten Nationalratswahlen 2007 liess sie mit 22 524 Stimmen auch klar SP-Nationalrat Hämmerle hinter sich, der die ersten Plätze zu belegen pflegte. Gadient ist dank einem ausgedehnten Netzwerk in Bundesbern bestens verankert.Nicht von ungefähr kommt, dass sie in einem kürzlichen Rating, einer Bewertung der 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, auf den sechsten Platz kam und da- bei die meisten der weiteren sechs Bündner Parlamentarier weit hinter sich liess.Schon vor dem Hinauswurf der Bündner SVP aus der Mutterpartei steuerte Gadient mit ihren Bündner Parteikolleginnen und Parteikollegen einen eigenständigen Kurs in der Tradition der Bündner Demokraten und machte sich bei den SVP-Hardlinern entsprechend unbeliebt. Die erfahrene Politikerin erzielte als Zugpferd ihrer Partei bei den Wahlen immer über die Grenzen ihrer Partei hinaus beste Resultate.Deshalb wird es die BDP Graubünden alles andere als leicht haben, bei den Nationalratswahlen die- se Lücke zu füllen. Die neue SVP wittert Morgenluft und wird es leichter haben – entsprechende Kandidaturen vorausgesetzt -, in die Bresche zu springen. Gut möglich, dass sich die nach Proporz zu verteilenden fünf Nationalratssitze auf die starken Parteien aufteilt, auf SP, BDP, CVP, FDP und SVP. Nachdem Andrea Hämmerle, SP, Sep Cathomas, CVP, und nun auch Brigitta Gadient, BDP, nicht mehr antreten werden, wird es bei den Nationalratswahlen vor allem auch um eine Ausmarchung zwischen neuen Köpfen gehen – mit dem Bisherigenbonus werden Hansjörg Hassler, BDP, und Tarzisius Caviezel, FDP, ins Rennen steigen können. Die BDP, die mit Eveline Widmer-Schlumpf die erste Frau in der Regierung und die erste Bündnerin in den Bundesrat stellte, wird für einmal auf nationaler Ebene wohl ohne Frau auskommen müssen, da keine Frauenkandidatur aufgebaut ist.Der Verzicht auf eine weitere Politkarriere von Brigitta Gadient hat vor allem auch Auswirkungen auf den Kampf um die Sitze in der kleinen Kammer, auf den Ständerat. Mit dem Rücktritt von Theo Maissen (CVP) ist die CVP gefordert, den Sitz, den sie seit Jahrzehnten belegt, zu verteidigen. Tritt Regierungsrat Stefan Engler an – wie allgemein erhofft und erwartet -, wird die CVP die besten Voraussetzungen haben, diese Tradition fortzusetzen. Offen ist, ob Ständerat Christoffel Brändli (SVP), der keineswegs amtsmüde erscheint, antritt. Vor allem aber darf man gespannt sein, ob die FDP tatsächlich ihren andiskutierten Coup wagt, Regierungsrat Martin Schmid vorzeitig ins Stöckli befördern zu wollen und «ihren» Regierungsratssitz in einer Ersatzwahl zu besetzen. Für die BDP selbst geht eine Zugnummer für eine Ständeratswahl verloren – da wäre die BDP, wenn schon, wohl gut beraten, mit der FDP zusammen einen Sitz im Stöckli anzupeilen. Mit dem Verzicht von Brigitta Gadient ist ein Vorentscheid gefallen und kommt Bewegung in die Ausgangslage für die nationalen Wahlen des nächsten Jahres.

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