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Die Schweiz von innen oder aussen ändern?

Wir können natürlich so tun, als sei bei uns alles in Ordnung. Die Schweiz ist der leuchtende Stern am Himmel Europas, das einzige Land, welches aufgrund seiner guten Zahlen eigentlich EU-fähig ist, während die uns umgebenden EU-Staaten mehr oder weniger pleite sind.

Südostschweiz
01.07.12 - 02:00 Uhr

Von Klaus J. Stöhlker

Auch die Deutschen. «Werdet wie die Schweizer», geht der Ruf vom Süden in den Norden unseres Halbkontinents.

Wie gross der Stress ist, unter welchem auch wir Schweizer leiden, zeigen zwei Beispiele: Wo immer ich Politikern oder Wirtschaftsführern begegne, wird sofortiges Lob erwartet: «Sie haben das grossartig gemacht. Sie haben es den anderen gezeigt. Auf Sie ist Verlass!» Ich sehe die Dankbarkeit in den Augen der vielfältig Geplagten. Ob Parteiführer oder Chief Executive Officer, die meisten sind einfach müde, sei es ihrer Aufgabe, ihrer Mitarbeiter, der ewigen Konkurrenz oder einfach nur «der ganzen Scheisse», durch welche sie täglich waten müssen.

In Basel-Stadt erhält jeder siebte Einwohner Zuschüsse zu den Sozialleistungen, weil er sonst ins neue Prekariat abrutschen würde. Jeder vierte Basler bezieht heute eine Prämienverbilligung für seine Krankenkassenbeiträge, und dies, obwohl in Basel-Stadt die höchsten Durchschnittssaläre der Schweiz bezahlt werden. Wer wundert sich, dass das Volk konservativ, grün, gegen Steuersenkungen für Firmen und reiche Mitbürger und gegen alles Neue stimmt?

Die Schweiz hat längst Abschied genommen vom letzten Jahrhundert, wo sie als Gewinnerin aus dem Kalten Krieg hervorging. Sie verpuppt sich, was nicht jeder gerne hört, seit einer Generation zu einem globalen Schmetterling, der im Reichtum der Araber, Inder, Russen und Brasilianer, der reichsten Menschen der Erde überhaupt, seinen Flug angetreten hat. Autorennfahrer und Popsänger, Rohstoffhändler und Hedge-Fonds-Manager übertreffen den alten Schweizer Reichtum bei Weitem. Wir werden zu Rentiers, die nicht mehr investieren, sondern von Dividenden und Immobiliengewinnen leben.

«Kein Wunder, dass die Menschen laufend Fehlentscheide treffen bei der Beurteilung von Personen», sagt Klaus Eisenblätter, der in Zug ansässige Gründer der Global Profiling AG. Er lehrt uns, hinter die Fassaden der hoch trainierten Gesichter zu blicken, die nicht selten mehr versprechen, als sie dann liefern können. Wer auf die falschen Chefs, Partner oder Mitarbeiter setzt, hat rasch verloren. «Die Wirtschaft sind wir», heisst das soeben bei Stämpfli in Bern herausgegebene Buch des St. Galler Unternehmers Oliver Fiechter, worin er die Schweizer Variante eines dritten Wegs aufzeigt, 40 Jahre nach Ota Sik und 20 Jahre nach Tony Blair. Fiechter verlangt, das Wissen der Menschen wieder zur Basis der Wirtschaft zu machen. In vier Wochen wird der Schweizer Grossschriftsteller E. Y. Meyer nach 17-jährigem Schweigen, auch bei Stämpfli, seinen neuen Roman «Wandlung» vorstellen, wo er die Schweiz auf dem Weg aus dem Kalten Krieg in die Globalisierung beschreibt.

Mehr als andere sind die Bewohner unserer Bergkantone gefährdet. Keine Zweitwohnungen mehr, fehlende Investitionen in den Tourismus, abwandernde Industrien, demnächst noch teurere Energie, darbende produktive Landwirtschaft, die zum Dasein als Gärtnerei verdammt ist. Wie Basel immer reicher wird, die Basler selber aber immer ärmer, ist auch die Schweiz im Begriff, immer reicher zu werden, wovon die Bevölkerung zu wenig spürt. Der Auftrieb des Landes kommt von aussen, nicht wirklich von innen. Dies ist zu ändern, sagen Eisenblätter, Fiechter und E. Y. Meyer.

Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsbildung in Zollikon (Zürich).

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