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Die Dorfsägereien sterben aus

Zurzeit sind in Graubünden nur noch neun Gemeindesägen in Betrieb. Was einst zu jedem Dorf gehörte, wird immer mehr zur Seltenheit. Auch die Dorf- sägerei in Schiers steht vor der Schliessung.

Südostschweiz
14.07.13 - 02:00 Uhr

Aus wirtschaftlichen Gründen soll die Dorfsägerei in Schiers dichtgemacht werden

Von UELI HANDSCHIN

Der Schritt erfolgt laut Gemeindepräsident Christoph Jaag aus wirtschaftlichen Gründen. Schiers habe eine hohe Schuldenlast zu tragen. Mit den Mitteln «sehr haushälterisch» umzugehen sei deshalb ein Muss, sagte Jaag auf Anfrage. Der Vorstand beantragt die Schliessung der Säge der Gemeindeversammlung vom 4. Oktober, wie die Exekutive im Bezirksamtsblatt mitteilte.

Gespart wurde bislang unter anderem durch die Straffung der Verwaltung. Dass auch die Dorfsägerei in den Fokus der Sparmassnahmen gerät, liegt auf der Hand, weil der Betrieb alles andere als kostendeckend ist. Rund 700 Kubikmeter Rundholz werden pro Jahr eingeschnitten, doch wird damit mindestens 40 000 Franken Verlust produziert. Jeden Kubikmeter verarbeitetes Holz subventioniert die Gemeinde also mit rund 60 Franken.

Der Gemeindevorstand ist sich aber bewusst, dass der Souverän den Antrag auf Schliessung trotz der miesen finanziellen Bilanz ablehnen könnte. Denn vielen Bürgerinnen und Bürgern wird es schwerfallen, sich ihr Dorf ohne Sägerei vorzustellen. Mit 26,6 Quadratkilometern Wald oder gut 42 Prozent der Fläche ist die Gemeinde die waldreichste im Prättigau. Nur schon deshalb ist die Säge eine Institution.

Viele Schierserinnen und Schierser wollen den Service nicht missen, denn sie werden zuvorkommend bedient. «Wir haben den besten Säger der Welt», lobt Jaag die Arbeit von Peter Joos. Joos verstehe etwas von Holz, sei ein ausgezeichneter Handwerker und immer bemüht, die Wünsche der Kunden zu erfüllen. Auf ihn will die Gemeinde nicht verzichten. Er wird, falls der Souverän die Stilllegung beschliesst, künftig im Werkdienst tätig sein.

Wird die Schliessung Tatsache, gibt es im Prättigau keine einzige Gemeindesäge mehr. Die Zweitletzte wurde letzten Herbst in Fideris zugemacht. Auch dafür waren finanzielle Gründe ausschlaggebend. So war es wie in Schiers unmöglich, Mittel für Investitionen in neue Maschinen zu erwirtschaften. Auch wurde erfolglos nach einem Nachfolger für den Betriebsleiter gesucht.

Weiterhin tätig in der Region bleiben drei private Sägereien. Die Jakob Berger AG in Grüsch verarbeitet rund 6000 Kubikmeter Holz, die Ruwa Holzbau AG in Küblis 4000 Kubikmeter und der Kleinbetrieb von Fluri Züst in Furna 1000 Kubikmeter pro Jahr. Insgesamt ist das nur knapp ein Drittel der Menge, die in Prättigauer Wäldern pro Jahr gefällt wird, wie Felix Wyss, Förster in Furna und Geschäftsführer der Holzvermarktungsorganisation Prättigau-Davos, erklärte.

Damit geht der Region der Grossteil des Mehrwerts verloren, der mit der Verarbeitung des heimischen Rohstoffs erzielt werden kann. Ändern will dies ein Familienbetrieb aus Vorarlberg. Joachim Erhart von der Adolf Erhart GmbH in Sonntag im Grossen Walsertal präsentierte den Gemeindepräsidenten und Forstleuten im Frühjahr den Plan für den Bau eines Sägewerks in Fideris. Die Kapazität soll zwischen 30 000 und 50 000 Kubikmeter betragen.

Spruchreif ist laut Wyss noch nichts. Erhart will Starkholz verarbeiten, also Stämme mit einem Durchmesser von über 45 Zentimetern. Im Prättigau fallen davon nicht genug an, um den geplanten Betrieb auszulasten. Der österreichische Investor ist auf Lieferungen aus ganz Graubünden angewiesen. Entsprechende Verträge wären Voraussetzung für die Eröffnung eines Bündner Zweigbetriebs.

Entscheidend ist zudem, was in Domat/Ems geschieht. Entsteht auf der Industriebrache der ehemaligen Grosssägerei tatsächlich wieder eine Sägerei, stellt sich die Frage, ob diese wie Stallinger und Mayr-Melnhof nur dünnes Holz verarbeiten und das Starkholz Erhart überlassen will. Ausserdem muss Land der früheren Spanplattenfabrik, das heute der Hunger Transporte AG gehört, erworben werden können. Und auch in Fideris wird schliesslich das Stimmvolk entscheiden. Die Gemeindeversammlung muss einer Zonenplan-änderung zustimmen.

Dem Branchenverband Graubünden Holz sind kantonsweit noch neun Gemeindesägen bekannt. Neben derjenigen in Schiers laufen noch die der Gemeinden Davos, Domat/Ems, Ferrara, Medel/Lucmagn, S-chanf, Scuol-Tarasp, Tinzong-Rona und Vella. Zwar gibt es weitere kleine Betriebe, wie etwa in Tomils (siehe Kasten). Doch ändert das nichts an der Tatsache, dass Kleinbetriebe nicht mehr konkurrenzfähig sind und noch stärker an Bedeutung verlieren. So musste in Domat/Ems der Betrieb stark zurückgefahren werden. Rundholz wird nur noch für den Eigenbedarf eingeschnitten, Aufträge von Firmen, die für den grössten Teil der Arbeit sorgten, werden nicht mehr ausgeführt. Auch in die Emser Säge hätte viel Geld investiert werden müssen – doch ohne jede Garantie, mit modernen Maschinen schwarze Zahlen zu schreiben.

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