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Der Fluch von Bellaluna

Mit dem Konkurs der Betreiberfirma (BT von gestern) ist die bewegte Geschichte des Gasthauses «Bellaluna» bei Filisur um ein weiteres trauriges Kapitel reicher. Das Unglück scheint an diesem Ort zu Hause zu sein.

Südostschweiz
05.07.14 - 02:00 Uhr

Luzi C. Schutz

Einsam steht das geradezu mythisch anmutende Restaurant «Bellaluna» auf dem Talboden neben der Albula zwischen Filisur und Bergün. Das ehemalige Direktionshaus einer Eisenschmelze trotzt dort – scheinbar – allen Launen des Wetters und der Zeit.

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die Betreiberfirma, die Villa Bellaluna GmbH, nach nur zwei Jahren bereits konkurs ist. Es mag für den Besitzer des Hauses, wohl nur ein schwacher Trost sein, dass es sich keinesfalls um den ersten Konkurs in Bellaluna handelt. Bereits während der verschiedenen Perioden des Bergbaus in Graubünden hatten gleich mehrere Gesellschaften ihr Glück erfolglos in Bellaluna gesucht.

Eisenschmelzen und Sägereien

Die Anfänge der Eisenschmelze liegen im Dunkeln, sicher aber weit mehr als 300 Jahre zurück. Die historische Schmelze, die noch heute als Ruine zu besichtigen ist, stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Das heutige Wirtshaus wurde nach einem Grossbrand im Jahre 1835 als Direktionshaus neu aufgebaut; die Bergbaugesellschaft war bald darauf Konkurs. Einige Jahrzehnte später entstand in Bellaluna ein Sägewerk, das jedoch von einem grossen Hochwasser vernichtet wurde. Anfangs des 20. Jahrhunderts legte der ehemalige Postkutschenhalter J. P. Schmidt in Bellaluna den Grundstein für eines der grössten Holzhandelsunternehmen im Kanton. Bald herrschte wieder reger Betrieb, das Wirtshaus war offen, rund 20 Arbeiter fanden in der Sägerei ein Auskommen. Doch im Sommer 1954 wütete die Albula wie noch nie zuvor und das Hochwasser riss einen grossen Teil des Betriebs mit sich. Der Betreiber gab den Standort aber erst auf, als er nur ein Jahr später von einem weiteren Grossbrand bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Neben ständigem wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergang war Bellaluna im Laufe der Jahrhunderte auch Schauplatz fast aller denkbaren schrecklichen Ereignisse: Feuersbrunst, Hochwasser, Lawinen, Steinschlag, Rüfen, Selbstmord – zu viele, um sie alle an dieser Stelle aufzuzählen.

«Bal al’üna»

Kein Wunder also hält sich im Dorf bis heute die Legende, dass sich hier früher die Hexen nachts um ein Uhr zum Tanz versammelt hätten – zum «Bal al'üna» eben. Von einem Fluch will niemand sprechen, doch vielen ist aufgefallen, dass noch nie irgendetwas gut herausgekommen sei, was irgendjemand dort hinten in die Hände genommen habe. Und der traurige Höhepunkt des Unglücks in Bellaluna sollte erst noch folgen: Ein brutaler Raubmord an der damals schon legendären Wirtin Paula Roth füllte im Jahr 1988 die Titelseiten der nationalen Zeitungen. Paula Roth, «die Hexe aus dem Albulatal», hatte 1962 das vom Zerfall bedrohte Gasthaus übernommen. Bald herrschte dort ein kunterbuntes Treiben zwischen Schafen, Hunden und Pfauen. Die originelle Art der Hobbykünstlerin zog nach und nach die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich – einmal wartete sogar eine Sekte in Bellaluna auf den Weltuntergang.

Nicht bei allen Behörden und Einheimischen kam diese Wirtschaftsweise gut an und man begegnete sich gegenseitig mit Skepsis. Doch liess man Paula gewähren und versorgte sie mit den notwendigen Einkäufen, so dass sie einmal während sechs Jahren keinen Fuss in die Dörfer Filisur und Bergün setzen musste. So vergingen die Jahre bis zu jenem verhängnisvollen Abend im April 1988, an dem Paula Roth im Hauseingang brutal niedergestochen wurde. Man munkelte weit herum, dass die Wirtin unter Matratzen ein grosses Vermögen versteckt habe – das kam auch weniger vertrauenswürdigen Personen zu Ohren. Das angebliche Vermögen bestand jedoch in einer Unmenge von Kleingeld, das zusammen wenige tausend Franken ergab. Die schreckliche Tat und der darauf folgende Gerichtsprozess erregten grosses Aufsehen und allgemeines Entsetzen in der ganzen Schweiz. Paulas Mobiliar wurde versteigert und das «Bellaluna» regelrecht geplündert von Leuten, die noch immer nach dem erhofften Vermögen suchten. Das letzte Kapitel einer langen und leidvollen Geschichte schien geschrieben. Doch dann, im Jahre 2001, kauften zwei junge Brüder das zerfallene Haus und bauten es mit viel Engagement zu einem weitherum bekannten Gast- und Kulturhaus aus. Nur wenige Jahre später mussten aber auch sie ihr «Lebenswerk» aufgeben und schrieben es zum Verkauf aus. Nach langer und intensiver Suche konnte ein neuer Besitzer und Betreiber gefunden werden. Zwei Jahre später muss nun aber auch dieser das Handtuch werfen und denkt darüber nach, es als Privatresidenz zu verkaufen.

Die bewegte Geschichte des «Bellaluna» ist damit um ein weiteres trauriges Kapitel reicher.

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