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Das Indoor-Festival in Disentis steht vor dem Aus

Ein hochkarätiges musikalisches Programm genügte nicht: Am Indoor-Festival Disentis blieben die Besucher aus. Ein grosses Defizit und eine ungewisse Zukunft sind die Folgen.

Südostschweiz
11.04.11 - 02:00 Uhr

Von Marco Nüssli

Disentis. – Schon im Vorverkauf hat sich das Fiasko abgezeichnet: Obschon die Veranstalter des Indoor-Festivals in Disentis mit Marteria, Juli und The Locos Bands von internationalem Renommée verpflichten konnten, wurden weit weniger Tickets abgesetzt als in den Vorjahren. So kam es, dass am Freitag eine Steff la Cheffe das Festival beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit eröffnen musste.

Die Trostlosigkeit zog sich über den ganzen Freitag, der dem Hip-Hop gewidmet war. Selbst Marteria, immerhin der Aufsteiger des deutschen Raps, hatte kaum mehr als 150 Fans vor der Bühne. Die Zuschauer standen in losen Grüppchen nebeneinander, Stimmung kam keine auf. Dies änderte sich am Samstag zwar ein bisschen, der Rock-Abend erfreute sich einer grösseren Resonanz. Dennoch wurden insgesamt nur 900 Tickets abgesetzt, für ein ausgeglichenes Budget hätten es mindestens 1200 sein müssen.

Nun klafft ein riesiges Loch in der Kasse. Bei einem Aufwand von 170 000 Franken dürfte der Ausfall mehrere Zehntausend Franken betragen. Aufgrund des hochklassigen Programms hätte damit eigentlich nicht gerechnet werden müssen.

Hervorragender Marteria

Die Namen aber hielten, was sie versprachen. Marteria etwa überzeugte bei seinem ersten Auftritt in der Region. Unbeirrt von der lausigen Stimmung legte er ein Konzert hin, dass in Sachen Hip-Hop mit zum Besten gehörte, was Graubünden je erlebt hat. Äusserst präsent am Mikrofon, voller Wortwitz und musikalischer Abwechslung: Seine Show beinhaltete alles, was sich ein Hip-Hop-Fan wünschen kann. Im Stück «Neuen Nikes» erzählte er beispielsweise, wie er dem Teufel für ein paar Schuhe seine Seele verkauft hat: «Meine Schuhe sind kinderleicht, meine Schuhe machen indische Kinder reich.» Leider waren die Textpassagen nicht überall in der Halle gut zu hören. In der ersten Reihe gingen sie im Bass unter, wer Marteria verstehen wollte, musste sich in die Nähe des Mischpults begeben.

Juli als brillanter Abschluss

Während die Churer Rapper von Breitbild den Freitag beendeten, traten zum Auftakt des Samstagsprogramms mit And Her Name Is Violet und Plasma zwei weitere einheimische Bands auf. And Her Name Is Violet gaben dabei ein Versprechen für die Zukunft ab und bewiesen, dass sie nicht zu Unrecht auch am diesjährigen Open Air St.Gallen auftreten dürfen. Plasma erinnerten mit ihrem wuchtigen Elektro-Rock in ihren besten Momenten gar an grosse Gruppen wie Muse.

Für die Höhepunkte sorgten am Samstag indes Juli und The Locos. Dem ansteckend fröhlichen Ska der Spanier war nicht anzumerken, dass da eigentlich eine Band auf der Bühne stand, die voller Groll in Disentis angekommen war. Grund: The Locos hatten sich auf der Anreise verfahren und merkten dies erst, als sie in Andermatt (Uri) auf einen geschlossenen Oberalppass trafen. Auf die Bühne schafften sie es trotz des Umweges über den Hirzel rechtzeitig.

Juli wiederum zeigten, dass sie nicht auf ihre grossen Hits «Perfekte Welle» oder «Dieses Leben» reduziert werden dürfen. Juli sind viel mehr als das, beinahe jedes Stück wusste zu gefallen. Überraschend rockig war ihr Auftritt, getragen von der überragenden Stimme von Frontfrau Eva Briegel. Julis Gig war der brillante Abschluss eines hochkarätigen Musikwochenendes in der Surselva. Schade bloss, dass dies nur so wenige Zuschauer erlebt haben.

Die Zukunft bleibt offen

Auch wenn das Defizit in der Kasse der Veranstalter vielleicht von Sponsoren gedeckt werden kann: In dieser Form hat das Indoor-Festival keine Zukunft, zumindest keine längerfristige. Die Surselva scheint zu abgelegen, als dass sich für ein Festival in dieser Grössenordnung genügend Besucher mobilisieren liessen. Der sichtlich enttäuschte OK-Präsident Florian Zanin kam zum selben Schluss. Neun Monate lang war er mit der Vorbereitung des Festivals beschäftigt, nun musste er zur Kenntnis nehmen, dass sich der immense Aufwand nicht gelohnt hat. Zwar würde Zanin sehr gerne weitermachen, eine zehnte Ausgabe anhängen. Nach den Erfahrungen des vergangenen Wochenendes bleibt aber selbst das in der Schwebe.

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