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Das Escher-Denkmal am seltsamen Ort

Sehenswürdigkeiten sind Dinge, die würdig sind gesehen zu werden. Das kann auch Unauffälliges, Kurioses sein. Im Linthgebiet gibt es solche unbekannten Schätze: zum Beispiel das Escher-Denkmal in Ziegelbrücke.

Südostschweiz
23.07.13 - 02:00 Uhr

Von Sibylle Speiser

Ziegelbrücke. – Kaum jemand weiss vom Denkmal, das in Ziegelbrücke an Hans Konrad Escher von der Linth, den Erbauer des Linthkanals, erinnert. Denn die Gedenktafel befindet sich nicht an der Linth, sondern in einem kleinen Wäldchen neben dem Bahnhof.

Autos eilen vorbei, Richtung Weesen, Glarus oder Schänis. Fussgänger sind diesseits der Strasse, wo das Denkmal steht, nicht zu sehen. Diese sind auf der anderen Seite unterwegs, wo sich Trottoir, Fussgänger- und Radweg befinden und die Linth fliesst. Auch Andrea Brunner aus Zürich ist dort unterwegs.

Seit Kurzem arbeitet sie in Ziegelbrücke. Über das Denkmal jenseits von Linth und Strasse hat sie noch nie nachgedacht. «Es fiel mir noch nie wirklich auf», sagt sie. Dabei habe sie sogar schon einmal in einer Pause auf der Bank vor der Gedenktafel gesessen. «Dass es ein geschichtsträchtiger Ort ist, war mir da nicht bewusst.»

Landschaft sah früher anders aus

1832, knapp zehn Jahre nach dem Tod von Hans Konrad Escher von der Linth (1767–1823), errichtete die eidgenössische Tagsatzung zu seinen Ehren diese Gedenktafel. Die Tagsatzung war bis 1848 sozusagen das Vorgänger-Gremium des Ständerats.

Die Erbauer wollten das Denkmal keineswegs verstecken, wie man heute wegen des seltsamen Standorts meinen könnte. An einem felsigen Abhang thronte die Gedenktafel laut dem Ökologen Heiner Keller dazumal über der Linth. Keller ist der Autor des Buches «Eschers Erbe in der Linthebene –Abgeleitete Gewässer – Ungebändigte Hoffnungen» und wirkte als Umwelt-Experte auch bei der Linthsanierung mit.

Als das Denkmal errichtet wurde, «gab es noch keine Eisenbahn, keine Gebäude und nur bescheidene Strassen an diesem Ort», sagt Keller. Das Wasser floss laut ihm noch etwas höher, weil die Felsschwelle in der Linth beim Bahnhof Ziegelbrücke erst später weiter abgetragen wurde.

Für die Eisenbahn sei dann der ganze Fels hinter der Tafel entfernt worden. «Die Erbauer des Denkmals konnten nicht ahnen, wie die Landschaft heute aussieht.»

Immerhin wurde im Rahmen der Linthsanierung der Blick auf das Escher-Denkmal wieder freigegeben: Das Wäldchen wurde zur Strasse hin gelichtet.

Schön beschreibt Keller das Denkmal und dessen Standort, wie sie sich vor der Linthsanierung präsentierten, in seinem zuvor genannten Buch: «Wenn man vor der Gedenktafel steht und gedankenverloren, andächtig den Text auf der weissgrauen Platte liest, friert es einen fast ein wenig. Die Umgebung und das Umfeld haben sich seit 1823 so verändert, dass sie einen schmerzhaften Kontrast zum Text und zur Ausstrahlung des steinernen Denkmals bilden.»

Und weiter schreibt Keller: «Die Landschaft ist heute lärmig, damals war sie still. Heute kommt man mit dem Auto, Escher ging zu Fuss. Das Denkmal, sein Standort und seine steril gepflegte Grüngestaltung wirken verloren, morbid, einem Friedhof ähnlich, so wie sich Denkmäler auf dem Land halt eben oft präsentieren: in Stein gehauene Vergangenheit, die mit minimaler Pflege vor der Überwucherung durch Pflanzen geschützt werden muss.»

Das Denkmal musste warten

Zu lesen ist auf der Tafel über Hans Konrad Escher von der Linth unter anderem: «Ihm danken die Bewohner Gesundheit, der Fluss den geordneten Lauf. Natur und Vaterland loben sein Gemüt. Eidgenossen, Euch sei er ein Vorbild!»

Kellers Buch ist auch zu entnehmen, dass das Escher-Denkmal einige Jahre in den Geburtswehen lag. In Eschers Todesjahr beschloss die Tagsatzung, das Denkmal auf dem Biberlikopf zu errichten, dort, «wo man das wohltätige Nationalwerk, dem er den besten Theil seines Lebens weihete, am vollkommensten übersieht».

Daraus wurde aber nichts. Der Standort habe sich als ungeeignet erwiesen. Zwei Jahre später, 1825, wurde beschlossen, den Denkmal-Standort in die Nähe von Ziegelbrücke zu verlegen. Es blieb beim Beschluss.

Erst als Eschers Gattin 1832 starb, wurde die Tagsatzung in Sachen Denkmal plötzlich wieder aktiv. Der Kredit, der im Todesjahr Eschers für dessen Ehrung gesprochen worden war, sollte nun aber nicht mehr vollumfänglich nur für die Erinnerung an ihn ausgegeben werden.

«Escher hat es verdient»

Man wollte vom Kredit auch noch etwas für die Vollendung und Verbesserung «dieses Kanals» abzweigen. «Die anfängliche Euphorie war neuen Realitäten gewichen», folgert Keller in seinem Buch.

Er freue sich, dass im Rahmen des Projektes Hochwasserschutz Linth 2000 das Denkmal «endlich von den zuwachsenden Bäumen und vom Friedhof-Groove befreit werden konnte», sagt Keller heute. Escher habe es verdient.

Er sei eine Persönlichkeit mit ausserordentlichen Fähigkeiten, mit einer unvorstellbaren Schaffenskraft und einer körperlichen Leistungsfähigkeit gewesen, «die mich staunen lässt». Seine Leistung und sein Lebenswerk gingen weit über seine Tätigkeit an der Linth hinaus.

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