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«Mühe macht das Tempo des Währungszerfalls»

Die Exportindustrie in Graubünden zeigt sich in Sachen Eurokurs erstaunlich resistent. Der Druck von aussen macht sie noch wettbewerbsfähiger, die Zeit für Gegen- massnahmen wird aber immer kürzer.

Südostschweiz
14.01.11 - 01:00 Uhr

Von Norbert Waser

Im Gegensatz zum Tourismus, der weitgehend der Wechselkurssituation ausgeliefert ist, entwickeln die exportorientierten Industrieunternehmen in Graubünden ein hohes Mass an Kreativität im Umgang mit dem starken Schweizer Franken. «Was Mühe macht, ist die Geschwindigkeit des Währungszerfalls», sagt Andreas Wieland, CEO der in der Medizinaltechnik tätigen Hamilton in Bonaduz. «Denn Gegenmassnahmen brauchen zum Teil erheblich Zeit.» Letztlich sei es immer die Produktivität, gekoppelt mit der Währung, die die Wettbewerbsfähigkeit ausmache. So werde das superproduktive Deutschland mit dem tiefen Eurokurs wohl bald Exportweltmeister sein, demgegenüber sei Italien mit einer um 40 Prozent tieferen Produktivität für die Schweiz als Wettbewerber kein Problem, obwohl diese mit dem gleichen Euro arbeiten müssten.

Import liberalisieren

Mehr Mühe als die Kursveränderungen machen Andreas Wieland künstliche Hindernisse. Statt währungspolitische Feuerwehrübungen erwartet er von der Politik Freihandelsabkommen. «Der freie Marktzugang ist entscheidend für unser Geschäft.» Er fordert auch eine Liberalisierung der Importe. «Ich verstehe nicht, wieso ein Deutscher 20 Prozent weniger für ein Auto bezahlt als wir in der Schweiz», nennt er ein Beispiel.

Unterschiedliche Märkte

Eine differenzierte Sicht zur Währungssituation hat auch Beat De Coi, Präsident des Landquarter Optosensorikherstellers Cedes. Der US-Dollar und auch der chinesische RMB machen ihm keine Sorgen, weil Cedes in einer ähnlichen Grössenordnung in diesen Währungen einkauft, wie er auch verkauft. «Mit dem Euro sieht das anders aus, hier spüren wir die Schwäche des Euro massiv», räumt der innovative Unternehmer ein. «Wir nehmen aber auch diese Herausforderung an und werden durch den Druck von aussen nur noch stärker.» Den Beweis dafür sieht er im erfolgreichen letzten Jahr. «Cedes ist stark gewachsen und hat einen sehr guten Abschluss hingelegt», freut sich De Coi. Teilhaben daran durften auch die Mitarbeitenden, die einen «schönen Bonus und anständige Lohnerhöhungen» erhalten haben.

Wareneinkäufe in Euro

Unterschiedlich wirken sich die Wechselkursveränderungen auch auf die Trumpf-Unternehmungen in Grüsch aus. «Weil wir mehrheitlich in Euro fakturieren, beeinflusst das unseren Umsatz negativ, andererseits erfahren wir einen positiven Effekt durch die Wareneinkäufe in Euro», nennt Geschäftsführer Aldo Brändli ein Beispiel. Negativ wirke sich der Wechselkurs aus schweizerischer Sicht auf das Betriebsergebnis aus, für die Gruppe gelte das nicht so, weil diese in Euro bilanziere.

Effekte halten sich die Waage

Die positiven und negativen Effekte der Frankenaufwertung halten sich auch bei der in 80 Ländern tätigen Würth-Gruppe in etwa die Waage. «Weil Würth mehrheitlich im Euroraum einkauft, erhöht die relative Euroschwäche die Konkurrenzfähigkeit unserer Konzerngesellschaften in Märkten mit anderen Währungen», stellt Roman Fust, Geschäftsführer der Würth Finance, fest. Zu einer Ergebnisbelastung würde der starke Franken bei den in der Schweiz tätigen Gesellschaften mit mehr Kosten als Erträgen führen. «Längerfristig liegt das Hauptrisiko für die Entwicklung der Würth-Gruppe eher in der massiven Staatsverschuldung in vielen Ländern», so Fust.

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