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«Rathaus»-Pächter in spe möchte auf den Hauptplatz expandieren

Ein Zürcher Gastrounternehmen will wieder Leben ins traditionsreiche Rapperswiler «Rathaus» bringen. Die interessierte Pächterfirma beansprucht für ihr Konzept mehr Aussenraum – auf dem Hauptplatz.

Pascal
Büsser
22.12.22 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Soll aus Dornröschenschlaf erwachen: Das altehrwürdige Rapperswiler «Rathaus» samt zusätzlicher Aussenplätze entlang der Ostfassade (Bild) und auf dem Hauptplatz (vor den Häusern mit den grünen Fensterläden rechts im Bild).
Soll aus Dornröschenschlaf erwachen: Das altehrwürdige Rapperswiler «Rathaus» samt zusätzlicher Aussenplätze entlang der Ostfassade (Bild) und auf dem Hauptplatz (vor den Häusern mit den grünen Fensterläden rechts im Bild).
BILD PASCAL BÜSSER

Das altehrwürdige «Rathaus» in der Rapperswiler Altstadt endlich wieder aus dem Dornröschenschlaf wecken: Daran arbeitet die Ortsgemeinde Rapperswil-Jona nun gut zwei Jahre. Seit Anfang 2021 ist das Lokal zu. Das Pächterpaar hatte nach zehn Jahren gekündigt. Seither sucht die Ortsgemeinde als Besitzerin der Liegenschaft nach einer Nachfolgelösung – unterstützt von einem Fachbüro. Ende 2020 war ein Pächter kurz vor Vertragsunterzeichnung abgesprungen (die «Linth-Zeitung» berichtete). Die Verhandlungen mit einem zweiten Interessenten liefen Anfang 2022 trotz Absichtserklärung aus.

Firma mit Erfahrung

Inzwischen sind die Verhandlungen der Ortsgemeinde mit einem dritten Interessenten sehr weit fortgeschritten, wie Geschäftsführer Christoph Sigrist verrät. Es handelt sich dabei um die Firma Kramer Gastronomie aus Horgen. Diese betreibt laut eigener Website mit 250 Mitarbeitenden insgesamt elf Gastrolokale – von der Dorfbeiz, über eine Brauerei und ein Thairestaurant bis zum Hotel in St. Gallen.

Wieso interessiert sich die Zürcher Firma für das Rapperswiler «Rathaus», das mit diversen Räumlichkeiten und dem grossen Ratssaal oben als schwieriges Objekt gilt, wie die Ortsgemeinde selber sagt? «Wir finden die Liegenschaft und den Ort wunderschön», sagt Max Schiedt, CEO der Kramer Gastronomie AG. Man sehe Analogien zum «Zunfthaus zur Zimmerleuten» in Zürich, das zum Firmenportfolio gehört. Es ist ebenso ein historisches Haus mit diversen Räumlichkeiten und Sälen. «Wir gehen das Projekt deshalb mit Demut, aber auch einem hohen Mass an Erfahrung an», sagt Schiedt.

Für das Rapperswiler «Rathaus» sei ein Drei-in-Eins-Konzept vorgesehen. Im Erdgeschoss ist eine Rathausstube geplant, mit unkompliziertem, raschem Essen, «wo man auch mal nur etwas trinken kann», sagt Schiedt. Baulich solle die durch mehrere Sanierungen veränderte historische Bausubstanz wieder stärker zum Vorschein gebracht werden (siehe Visualisierung).

VISUALISIERUNG ZVG
«Wir gehen das Projekt mit Demut, aber auch einem hohen Mass an Erfahrung an», sagt Maximilian Schiedt CEO Kramer Gastronomie AG
«Wir gehen das Projekt mit Demut, aber auch einem hohen Mass an Erfahrung an», sagt Maximilian Schiedt CEO Kramer Gastronomie AG
PRESSEBILD

Im ersten Stock soll es derweil gediegener zu und her gehen, «mit klassischem Service und klassischen Gerichten», erklärt Schiedt. Ganz oben soll der Ratssaal mit Anlässen aller Art und «sehr gutem gastronomischem Angebot» bespielt werden. Weiterhin betreiben will die Pächterfirma in spe auch die Weinbar im Untergeschoss, respektive auf der Südseite an der Seestrasse. «Es ist eine witzige Idee, dass man dort im Vorbeigehen ein Glas Wein trinken kann», sagt Schiedt.

Historische Animositäten

Ohnehin soll sich das Rathaus nach aussen öffnen. So möchte die Kramer Gastronomie nicht nur die bisherige Terrasse Richtung Marktgasse benutzen. Sondern neu auch an der Ostfassade (Bild) eine Handvoll Tische aufstellen. Und: auf den Hauptplatz expandieren. In der unteren Ecke vor dem Rathaus sind zehn runde Tische mit Bänken geplant. Dazu ein Zapfhahn mit unterirdischer Leitung vom Rathaus herüber – für eine effiziente Bewirtung. Dafür braucht es allerdings eine Baubewilligung der Stadt.

Bestehender Sitzplatz: Bisher war der Aussenraum beim «Rathaus» auf den Platz auf der Westseite Richtung Marktgasse beschränkt.
Bestehender Sitzplatz: Bisher war der Aussenraum beim «Rathaus» auf den Platz auf der Westseite Richtung Marktgasse beschränkt.
BILD PASCAL BÜSSER

Das entsprechende Baugesuch wurde Ende letzter Woche bei der Stadt eingereicht, wie Ortsgemeinde-Geschäftsführer Sigrist sagt. In einem Vorbescheid habe die Stadt das Ansinnen als grundsätzlich bewilligungsfähig eingestuft. Allerdings sei dieser nicht rechtsverbindlich. Bauchef Christian Leutenegger bestätigt, dass es einen Vorbescheid seitens Bau- und Umweltkommission gab. Er will sich wegen des laufenden Verfahrens nicht inhaltlich zum weiteren Vorgehen äussern. Es sei noch zu prüfen, in welchem Verfahren das Gesuch zu behandeln sei – sprich: ob es eine öffentliche Auflage braucht oder nicht.

Ortsgemeinde und Firmenpatron Christian Kramer haben die Wirte am Hauptplatz Ende November zu einer Vorinformation eingeladen. Auf dem Portal «Linth24», dessen Inhaber Bruno Hug Hausbesitzer am Hauptplatz ist, murrte darauf ein nicht namentlich erwähnter Wirt, dass die Zürcher 700 Jahre nach dem abgewehrten Angriff, dem man jährlich am Fasnachtsanlass Eis-zwei-Geissebei gedenke, das Rapperswiler «Rathaus» nun doch noch einnehmen würden.

Bei der Ortsgemeinde hat man offenbar andere Sorgen, als historische Animositäten zu pflegen. «Ich glaube, es ist im öffentlichen wie im Interesse der Ortsgemeinde, wenn ein professioneller Betreiber, der bereits vergleichbare Lokale erfolgreich führt, wieder Leben in das ‘Rathaus’ bringt», sagt Geschäftsführer Sigrist. Aus Sicht der Ortsgemeinde sei die zusätzlich geplante Aussenbestuhlung eine Bereicherung für den ganzen Hauptplatz.

Hauptplatz «matchentscheidend»

«Für uns ist es betriebswirtschaftlich matchentscheidend, dass wir diese Fläche nutzen können», sagt Schiedt. «Gerade im Sommer wollen die Leute draussen sitzen.» Dabei sehe man primär die einheimische und eher jüngere Bevölkerung als Zielgruppe. Wobei man eine Feierabend-Bier- und keine Party-Location vor Augen habe. Die Reaktionen der Hauptplatz-Wirte am Informationsabend beschreibt Schiedt als «positiv-verhalten». Man verstehe, dass es Befürchtungen wegen neuer Konkurrenz geben könne. Man könne neue Angebote indes auch als Chance sehen, für alle mehr Gäste an den Hauptplatz zu locken.

«Wir setzen alles daran, etwas auf die Beine zu stellen, woran die Menschen in Rapperswil-Jona Freude haben werden und worauf sie stolz sein können», sagt Schiedt. «Wenn das nicht gewünscht ist, müssen wir das akzeptieren. Es wäre allerdings schade, da wir uns in die Lokalität verliebt haben.» Das heisst, ohne zusätzliche Aussenplätze auf dem Hauptplatz keine Übernahme? «Dann würden wir nochmals tief in die Bücher gehen», sagt Schiedt. «Aber eine Absage unsererseits wäre dann sehr gut möglich.»

Eröffnen würden die neuen Pächter «so schnell wie möglich». Je nach Gang der Dinge bedeute dies Frühling bis Herbst 2023, sagt Schiedt.

 

Beliebter Freitagsmarkt braucht neuen Standort

Wegen des Schlossumbaus muss der Rapperswiler Freitagsmarkt vom Hauptplatz weichen. Möglicherweise zieht er dauerhaft um.

Muss zügeln: Der Freitagsmarkt wird 2023 nicht auf dem Rapperswiler Hauptplatz stattfinden.
Muss zügeln: Der Freitagsmarkt wird 2023 nicht auf dem Rapperswiler Hauptplatz stattfinden.
BILD ARCHIV

Er ist eine Institution – und aus der Rapperswiler Altstadt kaum mehr wegzudenken: der Freitagsmarkt. 1974, also vor bald 50 Jahren wurde er aus der Taufe gehoben. «Verdrängt Rathaus-Beiz den Freitags-Markt?», titelte die Plattform «Linth24» kürzlich. Und spielte damit auf die geplanten neuen Aussensitzplätze des Restaurants «Rathaus» an (Artikel oben).

Terrasse nicht der Zügel-Grund

Laut Tobias Treichler, Geschäftsführer von Rapperswil Zürichsee Tourismus, könnte der Markt indes weiterhin auf dem Hauptplatz stattfinden, auch wenn das «Rathaus» dort Aussensitzplätze anbieten würde. Dies erklärt er auf Anfrage der «Linth-Zeitung».

Allerdings braucht der Freitagsmarkt für das kommende Jahr auch einen neuen Standort, wenn die neue Aussengastronomie nicht käme. Dies wegen eines anderen Projekts von Ortsgemeinde und Stadt Rapperswil-Jona: dem Schlossumbau. Denn jeweils von 7 bis 11 Uhr morgens finden Baustellen-Transporte via Hauptplatz und grossem Kran vom und zum Schloss statt.

«Wir bemühen uns, trotz Bauarbeiten auf möglichst viele Interessen Rücksicht zu nehmen», erklärt Christoph Sigrist, Geschäftsführer der Ortsgemeinde. Namentlich auf die Gastronomen am Hauptplatz, weswegen die Arbeiten auf den Vormittag der Werktage beschränkt würden. Aber auch auf verschiedene Veranstaltungen. Den Freitagvormittag, wenn der Markt jeweils ist, auch noch herzugeben, sei nicht möglich, ohne die Bauarbeiten übermässig in die Länge zu ziehen.

Kommt der Markt zurück?

Laut Tourismus-Chef Treichler ist ab Anfang Jahr eine vertiefte Evaluation von Ersatzstandorten geplant. Im Fokus stehen dabei der Fischmarktplatz und die Marktgasse – wobei Treichler Letztere präferiert. Es müssten aber noch vertiefte Abklärungen getroffen werden. Neben Gesprächen brauche es auch eine Bewilligung der Stadt.

Offen ist, ob der Freitagsmarkt zum Jubiläum 2024 auf den Hauptplatz zurückkehrt. An sich sei er dort etabliert und akzeptiert, sagt Treichler. «Wir sehen die Situation aber als Chance, die Situation grundsätzlich auf mögliche Veränderungen zu überprüfen.»

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