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Hoffnung naht – aber nicht überall

Seit Donnerstag bereiten sich viele regionale Unternehmen auf den schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown vor. Wie der Betrieb dann aussieht, ist vielerorts noch völlig unklar – genauso wie die Zukunft einzelner Branchen.

Fabio
Wyss
17.04.20 - 21:19 Uhr
Wirtschaft
Restaurants wie die «Chronä» in Benken müssen weiterhin geschlossen bleiben.
Restaurants wie die «Chronä» in Benken müssen weiterhin geschlossen bleiben.
BILD URS SCHNIDER
Baucenter Josef Giger in Uznach
Baucenter Josef Giger in Uznach

Das Uzner Handwerkercenter von Josef Giger darf am 27. April seine Pforten wieder öffnen. Er kläre mit dem Verband derzeit ab, wie die detaillierten Vorgaben aussehen, sagt Giger. Vorbereitet ist er auf die verschiedensten Eventualitäten: «Ein Plan A und ein Plan B liegen in der Schublade.» An den Kassen sind bereits Plexiglasscheiben installiert, um Kunden und Personal vor den Viren zu schützen.
Auf einer Verkaufsfläche von 3000 Quadratmeter türmen sich die Regale des Baumarkts. Giger ist darum zuversichtlich: «Ich kann weiss Gott die Kunden verteilen.» Klarheit, ob Giger sein ganzes Geschäft wieder öffnen kann, hat er nicht. Die Abteilung mit Haushaltsgeräten könnte noch etwas länger abgesperrt bleiben. Swissavant, der Wirtschaftsverband Handwerk und Haushalt, klärt dies mit dem Bund ab. Falls das Handwerkercenter den Haushaltsbereich noch absperren müsste, würde Giger, um dem Kundenbedürfnis nach Pfannendeckel und Ähnlichem gerecht zu werden, den bestehenden Abholservice einfach weiterbetreiben. Dank diesem konnten die 25 Angestellten des Handwerkercenters auch während des Lockdowns weiterarbeiten. Viele Fabriken, Handwerker und Baubetriebe arbeiteten ebenfalls weiter und brauchten Gigers Werkzeuge. Weil nun aber die Mitarbeiter die Bestellungen via Telefon entgegennehmen und selber die Produkte aus den Regalen holen müssen, stieg der Aufwand: «Wir haben doppelt so viel Arbeit, aber die Hälfte des Umsatzes», sagt Giger. Dementsprechend hoffnungsvoll blickt er dem 27. April entgegen.

Herrenmode Müller in Schmerikon
Herrenmode Müller in Schmerikon

Viele Besitzer von Modegeschäften rechneten mit einer baldigen Öffnung ihrer Läden. Besitzen sie doch saisonabhängige Ware. Ralf Ackermann Inhaber des Schmerkner Herrenmodegeschäfts Müller hofft, dass er tatsächlich am 11. Mai öffnen kann, wie es der Bund derzeit plant. «Grundsätzlich hätten wir jetzt schon öffnen können. Hygienkonzepte können wir einhalten und für Massnahmen wären wir gerüstet», sagt Ackermann. Waschbare Schutzmasken schuff er für seine Mitarbeiter bereits an. Auch für die Kunden gäbe es Schutzmasken, wenn das Modegeschäft wieder öffnet.
Ackermann sitzt zwar auf 95 Prozent seiner Frühlings- und Sommerkollektion, will aber wegen des Bundesentscheids keinen Trübsal blasen: «Der Zeitpunkt der Öffnung lässt sich nicht ändern.» Weil der Bund Kundenströme in Ballungszentren vermeiden will, erwischte es die Branche Ackermanns – ein Zufall.
In der Zwischenzeit liefert er Waren aus – die Grössen der Stammkundschaft hat er im Kopf. Was danach kommt, steht in den Sternen: Es könne auch nach der Ladenöffnung noch über ein Jahr dauern, bis sich die Nachfrage und die Kundenströme wieder normalisierten. Klar ist für Ackermann bloss: «es geht weiter nach Corona». Und es werde durch die Krise positive Effekte geben. Das Zeitalter der ständigen Verfügbarkeit sei in den Hintergrund getreten – anstelle der Solidarität, ist Ackermann überzeugt. «Ich bin mir sicher, dass das regionale Gewerbe irgendwann davon profitieren wird.»

Coiffure Ingrassia, Schänis
Coiffure Ingrassia, Schänis

Da seit Donnerstag klar ist, dass am 27. April neben Kosmetiksalons auch Coiffeure wieder öffnen, wollen die Kunden nun ihre gewachsene Haarpracht loswerden: «Im Moment bin ich mit der Terminierung voll beschäftigt und versuche für jeden Kunden und jede Kundin einen passenden
Termin zu finden.», sagt Sabrina Ingrassia, Inhaberin des Schänner Coiffure-, Barber- und Kosmetiksalons Ingrassia. Sie selber ist bis Ende Mai schon fast ausgebucht, ihre Angestellten hätten teils noch Termine frei. Es gibt viel zu tun, aber: «Wir freuen uns sehr darauf unsere Kunden wieder bedienen zu dürfen.»
Damit das Team vorschriftsgemäss wieder starten kann, hat Ingrassia schon für Desinfektionsmittel und genügend Handschuhe gesorgt. Vorsorglich deckt sie ihren Salon auch mit Schutzmasken ein. Im Barber Shop kommen wohl Gesichtsvisiere aus Plexiglas zum Einsatz, da Kunden keine gängigen Schutzmasken tragen können. Bis voraussichtlich Ende Mai müssen neuerdings auch die Termine beim Barber reserviert werden, damit keine Wartezeiten entstehen, und die vom Bund vorgegebenen Massnahmen eingehalten werden können.
Ungewiss gestaltet sich für die Coiffeure derzeit noch, ob Risikogruppen zum Coiffeure gehen können oder nicht. Ingrassia wird, sobald sie selber mehr Informationen hat, die entsprechende Kundschaft kontaktieren. Schon jetzt plant sie pro Kunde mehr Zeit ein, als vor dem Shutdown. «Nicht wegen der langen Haare, sondern um nach jedem Termin zu desinfizieren.»

Physiotherapie Stefan Greter, Rapperswil-Jona
Physiotherapie Stefan Greter, Rapperswil-Jona

Physiotherapeuten, Masseure und Ärzte können ab dem 27. April wieder nicht dringliche Termine wahrnehmen. Bei der Physiotherapie Greter in Rapperswil-Jona hofft man damit auf eine bessere Auslastung, zurzeit läuft der Betrieb auf etwa 30 Prozent, sagt Inhaber Stefan Greter. Er ist sich bewusst, dass er damit in der Branche aber noch gut dasteht. Er kenne Physiotherapeuten, die bei einer Auslastung von zehn Prozent lägen oder den Betrieb vorübergehend gleich ganz geschlossen hätten. «Dadurch erhielten wir neue Patienten aus Benken, Eschenbach oder Bubikon, diese hätten den Weg zu uns sonst wohl nicht
gefunden», vermutet Greter.
Wie ab dem 27. April der Regulärbetrieb aussehen wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Viele Hygienevorschriften sind bei der Physiotherapie Greter schon umgesetzt: Desinfektionsständer stehen beim Eingang; das Personal trägt Masken; beim Warteraum sitzen Patienten weit auseinander, respektive es wird vermieden, dass sich dort überhaupt mehrere Personen gleichzeitig aufhalten. Greter bezweifelt, dass die Auslastung massiv ansteigen wird, hofft aber, dass er mit dieser Einschätzung falsch liegt: «Der Terminkalender vor dem Lockdown war proppenvoll. Das wird nicht so schnell wieder anziehen; Sportveranstaltungen fallen weg, ältere Patienten werden nur zögerlich kommen und Hausbesuche werden wir bei Heimen wenig machen können.» Auch wenn vieles derzeit noch ungewiss ist, Greter ist überzeugt, die Hygienemassnahmen werden seinen Beruf noch lange begleiten. 

Blumengeschäft Löwenzahn, Eschenbach
Blumengeschäft Löwenzahn, Eschenbach

Das Wegwerfen von Blumen nimmt ein Ende: Die Floristen und Gartencenter dürfen ihre Läden am 27. April wieder öffnen. «Die Frage ist aber das Wie», sagt Helene Posratschnig-Büsser. Sie und und ihre Angestellten des Blumengeschäfts Löwenzahn in Eschenbach setzen alles daran, dass die Kunden dann wieder vorbeikommen können. «Wir wissen noch nicht, wie viele Personen sich im Laden aufhalten können. Wenn wir zu dritt arbeiten, können vielleicht nur zwei Kunden reingelassen werden», rätselt Posratschnig. Auf genauere Informationen vom Floristenverband wartet sie noch. So sei auch noch ungewiss, ob Mundschütze zur Pflicht werden. Die Eschenbacherin hofft nicht, denn unter der Maske komme man ins Schwitzen – durch die körperliche Arbeit im Blumenladen umso mehr.
Im Gegensatz zu den meisten Floristen hat das Blumengeschäft Löwenzahn während des Lockdwons Blumen verkauft. Der Gratislieferdienst und die Abholstation sei von Rapperswil-Jona bis zum Ricken sehr gefragt, sagt die Inhaberin. Am 27. April können wohl auch Tankstellenshops wieder Blumen verkaufen. Posratschnig beliefert diese und sagt, die Tankstellenbetreiber würden regelrecht nach den Blumen schreien, damit sie ihre Regale füllen können. Für Posratschnig selbst ist es kein Problem, um an die Blumen zu kommen: «Es gibt mehr als genug an den Blumenbörsen, und die Preise sind stabil.» Die sich anbahnende Normalität löst bei der Floristin Freude aus, sie hofft, dass sie wiederum mit Blumen anderen Freude schenken kann.

Oberstufenschule Weesen-Amden
Oberstufenschule Weesen-Amden

In einem zweiten Schritt der Exit-Strategie sollen am 11. Mai die obligatorischen Schulen wieder für den Präsenzunterricht öffnen. Norbert Hegner, Schulleiter der Oberstufe Weesen-Amden, befürchtete, dass die Schulen gerade in den Oberstufen länger geschlossen bleiben. «Weil die digitalen Tools schon bekannt waren, ist das Homeschooling in den Oberstufen einfacher umzusetzen», sagt Hegner. Vielerorts gab es aber auch Ängste; durch Fernunterricht könnten gerade Schüler in der rebellischen Pubertätsphase, vogelfrei werden. Das deckt sich aber nicht mit den Erfahrungen Hegners: Rückmeldungen der Eltern zeigten, dass Schüler die Situation nicht ausnutzten. Auch der Schulleiter selber hat mit grösseren Problemen gerechnet, herausfordernd sei die momentane Situation aber trotzdem: Die Lehrpersonen mussten sich weiterbilden. Auch hat man extra für diese Zeit einen Spezialstundenplan entworfen. «So ist klar, wann die Schüler und Lehrpersonen präsent sein müssen. Schüler können teilweise Eins-zu-Eins betreut werden.» Vor einer Bildungslücke hat er darum keine Angst. «Wenn es länger gedauert hätte, wären vielleicht Kinder aus bildungsfernen Schichten benachteiligt gewesen. Aber diese paar Wochen sind nur ein kleiner Teil des gesamten Lebens.» Ob es bei diesen paar Wochen bleibt, ist aber noch nicht ganz klar. Definitiv beschliesst der Bund erst am 27. April, wenn die Faktenlage klarer ist. Der Entscheid vom Donnerstag sei noch unklar, findet Hegner. Ob in Teilgruppen oder Vollklassen unterrichtet wird, steht noch offen. «Egal wie, wir sind sofort bereit», sagt Hegner.

Restaurant «Chronä», Benken
Restaurant «Chronä», Benken

Die Branche, die es mit am Härtesten trifft, tappt weiter im Dunklen: die Gastronomen. Im Mai und Juni werden die Restaurants wohl noch geschlossen sein, vermutet Hanspeter Ritz. Sein Restaurant «Chronä» in Benken setzt wie viele andere auf einen Takeaway. «Es ist besser, als zu Hause zu sitzen», sagt der Wirt. Das grosse Geld liesse sich damit aber nicht verdienen, trotz des regen Interesses: Die Margen seien einen Tropfen auf den heissen Stein, so Ritz. Weil rund zwei Drittel seiner Kunden vorbestellen, erleichtert es ihm die Planung. «So entstehen keine Wartezeiten, und wir müssen wenig Ware wegwerfen.»
Das Senioren-Mittagessen, welches alle zwei Wochen stattfindet, fällt dem Coronavirus zum Opfer. Wobei, nicht ganz. Ritz liefert stattdessen mit seinem Privatauto täglich aus. Die ältere Benkner Generation erhält für zehn Franken eine Mahlzeit und einen Schwatz obendrauf: «Viele schätzen es enorm, dass wir ein paar Worte miteinander wechseln», gibt Ritz an. Diese positiven Erlebnisse täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die ganze Branche in Existenzängsten steckt. «Ich rechne damit, das jedes dritte Restaurant schliessen muss», vermutet Ritz. Kredite seien zwar einfach zu beschaffen, aber diese zurückzuzahlen, wäre schwierig. «Wenn die Beizen wieder aufgehen, verdient man nicht plötzlich doppelt so viel – aufgeschoben ist nicht aufgehoben.» Falls im Juli die Restaurants öffnen, sieht Ritz eine kleine Hoffnung: Im Sommer sei zwar in der Regel «tote Hose». Dieses Jahr blieben die Leute ja vielleicht zu Hause – und die «Chronä» eventuell offen.

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