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Glarner Asbestopfer wird nicht entschädigt

Das Bundesgericht hat in zwei Fällen von Krebs wegen Asbest entschieden. Die Glarner Klage wird abgewiesen, der Fall sei absolut verjährt.

Südostschweiz
23.11.19 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Unter freiem Himmel: In früheren Jahren transportiert die Eternit Rohmaterial und Produkte mit der Eisenbahn.
Unter freiem Himmel: In früheren Jahren transportiert die Eternit Rohmaterial und Produkte mit der Eisenbahn.
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Das Bundesgericht hat zwei Urteile gefällt zu Krebsfällen wegen Asbest. Bei beiden ging es um Genugtuungsforderungen und darum, ob diese verjährt seien. Eine Glarner Klage wird abgewiesen, der Fall ist absolut verjährt, wie das Bundesgericht in einer Medienmitteilung von gestern schreibt. Der Berner Fall wird nochmals aufgerollt.

Der Niederurner ist in unmittelbarer Nähe der Eternit AG aufgewachsen. Er lebte von 1961 bis 1972 mit seinen Eltern in einem Haus, das von der Fabrik gemietet war, wie im Urteil ersichtlich ist.

Nach seinen Angaben kam der Mann in seiner Jugend – er war damals zwischen acht und 19 Jahre alt – häufig mit Asbest in Kontakt. Staub sei in sein Schlafzimmer gedrungen, beim Spielen mit Eternit-Platten oder beim Herumklettern auf Eternitrohren habe er Kontakt mit der Faser gehabt. Ebenso als er zuschaute, wie am Bahnhof Asbestsäcke für die Fabrik abgeladen wurden.

Mit 51 Jahren erkrankt, mit 53 gestorben

2004 erhielt das Opfer die unheilvolle Diagnose eines Mesothelioms oder Brustfellkrebses. Und schon 2006 starb er mit nur 53 Jahren.

2009 forderten seine Frau und sein Sohn eine Genugtuung, der Erkrankte hatte laut dem Urteil noch selber die Absicht geäussert, eine Entschädigung zu fordern. Ihre Klage gegen die Eternit AG und deren frühere Besitzer sowie die SBB wurde 2012 vom Glarner Kantonsgericht und 2013 vom Obergericht wegen Verjährung abgewiesen.

Die Erben gelangten ans Bundesgericht. Dieses sistierte aber das Verfahren im April 2014. Vor einem Entscheid sollten die eidgenössischen Räte das Verjährungsrecht neu regeln. Das war nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von 2014 nötig. Er hatte in einem anderen Fall entschieden, eine zehnjährige Verjährungsfrist gemäss Schweizer Gesetz verletze das Recht auf Zugang zu einer gerichtlichen Beurteilung.

Das neue Verjährungsrecht greift nicht

Das Bundesparlament änderte das Recht in der Folge, es tritt auf Anfang 2020 in Kraft. Künftig gilt eine absolute Verjährungsfrist von 20 Jahren. Das Gesetz enthalte aber keine Rückwirkung und keine Übergangslösung, so die Mitteilung des Bundesgerichts.

Die Opfer von früheren Fällen werden an den Entschädigungsfonds verwiesen, der 2017 gegründet worden ist. Sie haben allerdings nur dann Aussicht auf Geld, wenn sie erst nach 2006 erkrankt sind, oder wenn ein Härtefall anerkannt wird.

Es ist zu lange her, Frist läuft seit 1972

Die Bundesrichter weisen die Beschwerde der Glarner Erben vor diesem Hintergrund ab: «Massgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens». Die Verjährung habe spätestens 1972 begonnen, nach der letzten geltend gemachten Exposition mit Asbeststaub. «Spätere Pflichtverletzungen (von Informationspflichten) sind nicht ausgewiesen.»

Bis 2009, als die Erben ihre Ansprüche geltend machten, sind rund 37 Jahre vergangen. Die absolute Verjährungsfrist von derzeit noch zehn Jahren ist damit laut Urteil längst abgelaufen. Aus dem Entscheid des EGMR könnten die Erben nichts Gegenteiliges für sich ableiten, so die Bundesrichter. Insbesondere sei aus dem Urteil nicht zu entnehmen, dass absolute Verjährungsfristen nach schweizerischem Recht grundsätzlich ausgeschlossen wären. Der vom EGMR geschützte Anspruch auf eine gerichtliche Beurteilung schliesse solche Fristen nicht aus.

Berner Fall mit BahnAngestelltem liegt anders

Der Berner Fall betrifft einen Angestellten der BLS Lötschbergbahn, der bis 1998 bei der Bahn gearbeitet hatte und 2004 verstorben war. Die BLS verzichtete 2004 darauf, sich gegen allfällige Entschädigungsforderungen mit dem Argument der Verjährung zu wehren.

Das Berner Obergericht muss nun erneut über die Bücher und prüfen, ob die BLS schon vor 1998 die Schutzmassnahmen ergriffen habe, die nach damaligem Wissen nötig waren. Wenn nein, sei davon auszugehen, dass der Angestellte bis zum Ende seiner Tätigkeit Asbest ausgesetzt gewesen sei. Dabei ist die Grundfrage, ob der Fall bereits 2004 absolut verjährt war.

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Auf dem Friedhof in Niederurnen und anderswo liegen viele ehemalige Asbestopfer.Die Leute hatten dort Arbeit und niemand reklamierte .Trotz allem verstarben viele vermutlich an Asbestose.

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