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Schachzug von Vincenz verzögert Urteil im «Fall Raiffeisen»

Seit Ende Februar 2018 bleibt bei Raiffeisen kein Stein auf dem anderen. Nun hat das Gericht im «Fall Raiffeisen» zum ersten Mal Stellung genommen und erklärt, weshalb es nicht vorangeht. Verantwortlich dafür sei die Verzögerungstaktik von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz.

Jürg Abdias
Huber
30.06.19 - 09:00 Uhr
Wirtschaft
Pierin Vincenz
Wie lange kann Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz noch lachen?
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Der 27. Februar 2018 ist ein schwarzes Kapital in der Historie der Raiffeisenbank. Frühmorgens haben sich Zürcher Staatsanwälte bei den früheren Chefs von Raiffeisen Schweiz, Pierin Vincenz, und Aduno, Beat Stocker, Eintritt verschafft. Bei der Durchsuchung ihrer Arbeitsplätze wurde grossen Mengen an Unterlagen beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich nimmt die Ermittlung in Sachen ungetreue Geschäftsbesorgung gegen den 61-jährigen Bündner und einer seiner Mitstreiter auf. 

Sechzehn Monate später ist von einer Anklage gegen einen Beschuldigten noch keine Spur zu sehen. Obwohl die Dokumente und Datenträger nicht mehr in den Händen von Vincenz und seinen Mitstreiter sind, bleiben sie von den Staatsanwälten noch unberührt. Der Grund soll ein Strafrechtsexperte kennen, der sich gegenüber der «NZZ» dazu geäussert hat. 

Kluger Schachzug von Vincenz

Bei einer Durchsuchungsaktion muss dem Beschuldigten ein Dokument überreicht werden - bevor die Türschwelle übertreten wird. «Dort müsse stehen, unübersehbar und in fetter Schrift markiert, dass ein Betroffener sofort die Versiegelung aller beschlagnahmten Unterlagen erklären könne», erklärte der Experte gegenüber der Zürcher Traditionszeitung. Heisst, dass jeder Beschuldigte, der so ein Dokument unterschreibt, vor unrechtmässigen Einsichtnahmen von der Strafbehörden geschützt ist. Die Vermutung liegt nahe, dass an diesem Tag, als die Durchsuchungsaktion stattfand, sowohl Vincenz als auch Stocker die Siegelung sämtlicher Daten erklärten.

Die beschlagnahmten Ordner und Dokumente sowie die Smartphones und Laptops mussten die Staatsanwälte vor den Augen der Anwälte der Beschuldigten durchgeblättert und schnell überprüft haben. Wie die «NZZ» weiter schreibt, durfte nichts entfernt, kopiert oder fotografiert werden. Nach der Überprüfung wurden alle Akten und Geräte in nummerierte Boxen verstaut und jede mit einem blau-weissen Kleber gesiegelt. Die Boxen wurden dem Zürcher Zwangsmassnahmengericht übergeben. 

Antrag auf Entsiegelung

Laut dem Strafrechtsexperten stelle die Staatsanwaltschaft auf dem Gerichtsweg einen Antrag auf Entsiegeln «aller Dokumente». Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft kann sich die Verteidigung Einblick in das Material verschaffen. Heisst, sie können beim Richter für jede einzelne E-Mail und jede einzelne elektronische Konversation einen Antrag stellen, welche die Entsiegelung der Unterlage verwehrt. «Es handle sich um persönliche Aufzeichnungen, das Geschäftsgeheimnis sei betroffen oder das Berufsgeheimnis», so der Experte.  

Über jedes einzelne Dokument muss entschieden werden - für die Richter ein immenser Aufwand. Gesetzlich spricht man von einer Frist von maximal einem Monat. Auf die Frage der «NZZ», warum das dermassen lange dauert, hat das Zwangmassnahmengericht eine pausible Antwort parat. Gemäss ihrer schriftlichen Antwort sei in der Causa Raiffeisen/Aduno eine «enorme Datenmenge» gesiegelt. Die Rede ist von einem Fall, bei dem 500'000 Daten betroffen seien. Ob es um den Raiffeisen-Fall geht, wollte das Gericht nicht sagen. Im Zusammenhang mit diesem Fall, bei dem 500'000 Daten betroffen seien, verrät das Gericht, dass man mit «Hochdruck» arbeitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um den Raffeisen-Fall handelt, sei gross. Zudem sei zu beachten, dass die Verteidigung jedes Dokument weiter ans Bundesgericht ziehen kann. Ein Prozess, der wieder Monate dauern kann. 

Wie lange geht die Taktik noch gut?

Die Frage stellt ist nun, wie lange sich die Richter noch an die Nase herumführen lassen. Die Behörde kann auf andere Methoden zurückgreifen, wie zum Beispiel das Abhören von Telefonaten. Ob sie dies bereits getan hat, ist noch nicht bekannt. 

Zurzeit spielt die Verzögerung des Urteils in die Karten von Vincenz. Aber was, wenn bei den Richtern der Geduldfaden reisst? Dann könnte es für den ehemaligen Raiffeisen-Chef eng werden. Immerhin dürfen die Richter einen grossen Teil der Akten freigeben.

Jürg Abdias Huber ist Multimediaredaktor bei «suedostschweiz.ch». Der gelernte Kaufmann aus der Stadt Zürich hat Multimedia Production studiert und lebt im Herzen von Chur. Er arbeitet seit 2018 für die Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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