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Sprachlicher Jahrhundertschatz «Grosses Glossarium» wird gehoben

250 Jahre lang lagerten die Handschriften und Zettel unbeachtet im Keller der Basler Universitätsbibliothek. Nun machen Linguisten das «Grosse Glossarium der deutschen Sprache» von Johann Jakob Spreng erstmals zugänglich.

Agentur
sda
09.05.18 - 08:00 Uhr
Wirtschaft
Das "Deutsche Glossar" von Johann Jakob Spreng besteht aus gegen 100'000 handschriftlichen Zetteln. Nun wird das Werk erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Das "Deutsche Glossar" von Johann Jakob Spreng besteht aus gegen 100'000 handschriftlichen Zetteln. Nun wird das Werk erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Universität Basel/Florian Moritz

Spreng führte sein handschriftliches Wörterbuch von 1740 bis zu seinem Todesjahr vor genau 250 Jahren. Das Werk besteht aus 20 Bänden und einer grossen Schachtel mit 33‘000 losen Zetteln. Mit seinen 95‘000 Einträgen wäre es das grösste deutsche Wörterbuch seiner Zeit geworden - doch für den Druck fanden sich nicht genug Käufer.

Die Wörtersammlung von Johann Christoph Adelung in drei Bänden von 1774 bis 1799 hatte gerade einmal 50‘000 Einträge. Erst das «Deutsche Wörterbuch» der bekannten Märchensammler Gebrüder Grimm von 1854 übertraf das geplante Basler Glossar, wie die Universität Basel in einer Mitteilung vom Mittwoch schreibt.

«Wäre das damals umfangreichste deutsche Wörterbuch gedruckt worden, wäre das eine Sensation gewesen», sagte Projektleiter Heinrich Löffler, emeritierter Sprachwissenschaftler der Universität Basel, der das Material ans Licht gebracht hat. Solche Glossarien galten als wichtig für die aufkommende Pflege der deutschen Schriftsprache, die bei den Gelehrten das Latein ablösen sollte. Spreng verfasste, wie damals üblich, sämtliche Einträge selbst.

«Seiner Zeit voraus»

Dass Spreng für sein Wörterbuch damals nicht genug Interessenten fand, könnte laut Löffler daran liegen, dass er als ausserordentlicher Professor an der Universität ohne Salär - zuerst für Deutsche Rhetorik und Poesie, später für Schweizergeschichte und Griechisch - als Aussenseiter galt. Das Bewusstsein für das neue Deutsch als Hochsprache oder gar als Wissenschaftssprache war noch nicht verbreitet: «Spreng war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus.»

Zudem litt der Gelehrte dauernd an Geldnot und hielt sich als Waisenhauspfarrer über Wasser. 1763 wurde ihm ein Publikationsverbot auferlegt, da er sich in frivolem Ton über katholische Heiligenlegenden ausgelassen haben soll.

Lange unterschätzt

Die Bände wie die Schachtel mit den Zetteln und Notizen lagen fast 100 Jahre lang bei den Erben Sprengs. 1862 kam das Konvolut in die Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek. Lange hatte es den Ruf, chaotisch und unvollständig zu sein; so fehlten auf den ersten Blick die Einträge für zehn Bände respektive Buchstaben.

Erst als die Linguisten das Material auslegten und ordneten, stellten sie fest, dass die vermissten Wörter vollständig auf den Zetteln vorhanden waren. Diese steckten allerdings in über 1000 kleinen Couverts, die unter dicken Staubschichten durcheinander lagen.

Löffler stiess bei Recherchen über das älteste Baseldeutsche Wörterbuch «Idioticon Rauracum» auf den «unentdeckten Schatz». Nun sind Löffler, Kollegen und Freiwillige in der Universitätsbibliothek seit drei Jahren intensiv daran, sämtliche Bände und Zettel des «Glossariums» zu reinigen und zu digitalisieren. Etwa ein Drittel ist bisher geschafft. Bis zum geplanten Abschluss in drei Jahren dürften sich 4500 zweispaltige Druckseiten angesammelt haben.

Unter dem Titel «Ein sprachlicher Jahrhundertschatz wird gehoben» organisiert die Universitätsbibliothek Basel zum diesjährigen 250. Todestag von Spreng vom 30. Mai bis 1. September 2018 eine Ausstellung. Neben den Arbeiten zum «Glossarium» sind weitere Materialien wie Bücher und Abschriften von Predigten zu sehen. Unter anderem lädt auch ein Probeband der künftigen ersten Edition von Sprengs Wörterbuch zum Blättern ein.

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