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Bäcker Stgier muss kleinere Brötchen backen

Per Ende März muss Geschäftsführer Claudio Stgier in Lenzerheide und Savognin gleich zwei seiner fünf Filialen schliessen. Auch darum, weil Detailhändler ihr Brot vermehrt von Grossbäckereien beziehen.

05.02.18 - 18:47 Uhr
Wirtschaft
Claudio Stgier (rechts) muss Filialen schliessen.
Claudio Stgier (rechts) muss Filialen schliessen.
MARCO HARTMANN

Eine bittere Pille für den «Feinschmecker Bäcker von Mittelbünden», wie sich die Bäckerei Stgier auf ihrer Internetseite nennt. Die beiden Filialen in Lenzerheide und Savognin rentieren zu wenig und müssen per Ende März geschlossen werden.

Immerhin: Die meisten der 25 Angestellten können weiterbeschäftigt werden, wie Claudio Stgier einen Bericht von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) bestätigt. «Eine Angestellte geht in Pension und die übrigen können in den Filialen von Valbella, Cazis und Tiefencastel arbeiten», so Stgier.

Mehr Konkurrenz, weniger Leute

Auch wenn frische Backwaren aus einheimischer Produktion laut Stgier momentan bei vielen Hotelbetrieben hoch im Kurs sind: Die Umsätze in den Filialen der beiden Tourismusorte Lenzerheide und Savognin sind zu stark zurückgegangen. Der Bäcker aus Tiefencastel erklärt sich dies mit dem Rückgang der Bautätigkeit und des Tourismus im Allgemeinen, gerade in Savognin. In Lenzerheide hätten sich zudem die fehlenden Parkmöglichkeiten als Nachteil herausgestellt. Denn die Filiale in Valbella, bei der Kunden direkt beim Geschäft parkieren könnten, laufe bestens.

Erschwerend kommt für Stgier hinzu, dass er immer mehr Dorfläden verliert, die früher wichtige Abnehmer des Stgier-Brotes waren. Denn die Detailhändler beziehen ihr Brot gemäss Stgier je länger, je mehr von Grossbäckereien. Diese würden industrielles Aufbackbrot liefern, sagt Stgier. «Früher durfte der ortsansässige Bäcker praktisch alle Wiederverkäufer beliefern. Heute ist das nur noch zum Teil der Fall.» Und wenn die Leute halt lieber gefrorenes Brot essen würden, könne er nur «einen guten Appetit» wünschen. Dazu kommt die Konkurrenz neuer Anbieter von Backwaren wie etwa Tankstellenshops.

Bäckerei zu verkaufen

Der 52-jährige Stgier, der die Bäckerei 1998 von seinem Vater Pius übernommen hat, steht auch selbst an einem Scheideweg. Nebst der Verkleinerung des Betriebes sucht er nämlich einen Nachfolger. Seine beiden Töchter hätten einen anderen Weg eingeschlagen. «Ich will den richtigen Zeitpunkt für die Weitergabe auf keinen Fall verpassen», meint er.

Stgier hatte sich einen Namen gemacht mit besonderen Backwaren und publikumswirksamen Aktionen. So lancierte er zum Beispiel das «Patati-Brot» mit Kartoffeln aus dem Albulatal. Damit schaffte er es gar in die Regale von Coop. 2008 belieferte er gar Papst Benedikt XVI. und die Schweizergarde mit Brot.

Stgiers Strategie war stets eine des Wachstums. So baute er immer mehr Filialen auf, 1999 in Cazis und Rhäzüns. Später war Stgier auch in Savognin, Lenzerheide und 2008 in Valbella präsent. War dieser Expansionskurs rückblickend ein Fehler? «Nein, für diese Zeit war es richtig. Heute denke ich, weniger ist vielleicht doch mehr», sagt Stgier. Ein guter Bäckereibetrieb sei nämlich nicht einer, der an möglichst vielen Orten feine Brote backe. Ein guter Betrieb müsse sich laufend den aktuellen Bedingungen anpassen. Stgier selber fühlt sich heute zunehmend fremd im Bäckereibusiness. «Heute muss man für eine Innovation einen Businessplan einreichen, einen Projektentwurf machen», meint er. Er selber sei jemand, der lieber einfach drauflosarbeite.

Kooperation als Möglichkeit

Stgier ist es wichtig, dass er einem allfälligen Nachfolger einen gesunden Betrieb weitergeben kann. Darum liess er seinen Betrieb vor zwei Jahren von einem Experten einschätzen. «Investitionen stehen im Moment keine an, die Situation ist perfekt für eine Übergabe», lautete dessen Fazit.

Wie gross wertet Stgier denn die Chance, dass jemand seinen Betrieb übernimmt? «Es wird harzig. Es gibt ungefähr zehn Bäckereien in Graubünden, die einen Nachfolger suchen. Alle haben zu kämpfen», sagt er. Eine Option könnte da vielleicht eine Kooperation mit einem anderen Betrieb sein. Stgier seinerseits wird auf jeden Fall wieder vermehrt Postauto fahren, was nebst dem Backen seine zweite grosse Passion ist.

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Es ist schade das man Ortssässige Bäckereien mit dieser Wachstumsstrategie von Herr Stgier verdrängt hat und nun kommt Herr Stgier selber zum Schluss das vielfach weniger mehr ist. So merkt man auch das die Strategie sehr Kopflos war. Nur Schade für die Betriebe, welche über Generationen in diesen beiden Regionen ihr Handwerk ausgeübt haben und durch den Betrieb Stgier verdrängt wurden. Das Fazit, schlussendlich gibt es gar keine Bäckereien mehr! Es gehen wertvolle Arbeitsplätze, Tradition und qualitativ hochstehende Lebensmittel in den Regionen verloren!

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