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Ein Winter, der Davos Tod und Zerstörung brachte

Vor 50 Jahren ereignet sich in Davos eine verheerende Lawinenkatastrophe. 13 Menschen sterben, 51 Wohnhäuser liegen in Trümmern. Die Aufzeichnungen der Geschehnisse sind eine Abfolge des Grauens. Der Davoser Bernardo Teufen steht damals in der Rettungszentrale im Einsatz.

Béla
Zier
16.02.18 - 05:13 Uhr
Ereignisse
Bernardo Teufen  Mitglied der damaligen Davoser SAC-Rettungskolonne
Die Lawinenkatastrophe von 1968 fordert in Davos zahlreiche Todesopfer und richtet grosse Schäden an.
ARCHIVBILD, SLF

Alle Lawinen seien in weniger als 24 Stunden niedergegangen, erinnert sich der Davoser Bernardo Teufen. Der 73-Jährige ist Zeitzeuge der Geschehnisse, die am 26. und 27. Januar 1968 in Davos zu Tod und Verwüstung führen. Wie verheerend die Lawinen wüten, darüber wird in den Aufzeichnungen des Davoser Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zum Winter 1967/68 detailliert berichtet. Es sind erschreckende Schilderungen.

Was sich damals nach einem der insgesamt 41 Lawinenniedergänge in Davos zugetragen hat, liest sich im SLF-Bericht so: «Der erste Eindruck der Rettungsleute in der Schadenzone war niederschmetternd: Hilferufe, spärlich gekleidete und ziellos umherirrende Menschen, Trümmer und nochmals Trümmer. Eine absolute Ungewissheit über die vermissten Personen und die betroffenen Gebäude. Dies alles bei Nacht und anhaltendem Schneesturm.»

Das Elternhaus wurde evakuiert

Bernardo Teufen ist damals 23 Jahre alt, angehender Bergführer und studiert in Zürich Volkswirtschaft. Die Wochenenden verbringt er bei seinen in Davos Dorf wohnhaften Eltern.

«Die Retter haben bis zum Umfallen gearbeitet.»

«Ich wusste, dass es sehr viel Schnee hat, aber die detaillierte Situation in Davos kannte ich noch nicht», sagt Teufen, der sich an jenem Tag abends auf der Zugfahrt von Zürich Richtung Davos befindet. Wie gewohnt nach Hause gehen kann er nicht. Seine Eltern haben in telefonisch darüber informiert, dass sie aufgrund der Lawinensituation evakuiert wurden und sich im Hotel «Flüela» in Davos Dorf in Sicherheit befinden.

«Das war Horror»

Teufen ist 1968 Mitglied der Rettungskolonne der Sektion Davos des Schweizer Alpen-Clubs (SAC). In Davos angekommen, steht er allerdings ohne Ausrüstung da, weil sich diese im unterdessen nicht mehr erreichbaren Elternhaus befindet. Der SAC entscheidet, dass er sich im Restaurant «Alpenluft» in Davos Dorf einfinden soll, das zur Rettungszentrale umfunktioniert worden ist.

In der Rettungszentrale ist Teufen für die Telefon- und Funkkontakte zuständig, macht viele Notizen. «Ich habe alles mitbekommen, was passiert, man spürte, in welcher furchtbaren Stresssituation sich die Leute befanden.» Man habe nirgendwo hinkönnen, weil alles wegen der Lawinen blockiert gewesen sei. «Das war Horror, vor allem wenn man in der Zentrale sass und entscheiden musste, was man macht», beschreibt Teufen seine Gefühle in dieser Lage. «Ich habe auch die Meldungen über die Toten erhalten, das war erschreckend.»

Davos ist damals während dreier Tage praktisch von der Aussenwelt abgeschnitten. Das SLF vermerkt später zur Davoser Lawinenkatastrophe: «Eine solche örtliche und zeitliche Konzentration von teilweise unbekannten oder sehr selten auftretenden Niedergängen und eine derartige Schadenwirkung war selbst im grossen Lawinenwinter 1950/51 in keinem Alpenland festzustellen.»

Die Erinnerung ist nicht verblasst

«Davos ist zusammengestanden, die Retter haben bis zum Umfallen gearbeitet», blickt Teufen zurück. Probleme verursachen Funklöcher und zerstörte Telefonleitungen: «Das war zum Verzweifeln, weil man die Leute nicht erreicht hat.» Die Nacht verbringt er in der Rettungszentrale, dann sind die gröbsten Ereignisse vorbei. «Ja, daran denkt man schon zurück, obwohl 50 Jahre eine lange Zeit sind», sagt Teufen.

In Davos verursachen an jenen zwei Tagen im Januar 1968 41 Lawinen Schäden. Bei sechs Niedergängen werden Menschen verschüttet. Im Siedlungsgebiet sterben 13 Personen in Lawinen. Insgesamt sind 51 Wohnhäuser, 14 Ställe und 11 Hektaren Wald zerstört oder beschädigt.

Béla Zier ist Redaktor der gemeinsamen Redaktion Online/Zeitung «Südostschweiz» und «suedostschweiz.ch» und berichtet über die Region Davos und das Prättigau. Er ist seit 1993 für die Medienfamilie Südostschweiz tätig und arbeitet dort, wo er auch wohnt. In Davos. Mehr Infos

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