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Am Ricken weiss man, wie man einen Panther fängt

Die ganze Schweiz versucht derzeit, den schwarzen Panther von Solothurn zu fangen. Am Ricken ist dies vor knapp 80 Jahren einem Bürger von Walde gelungen – Richi Müller.

Südostschweiz
10.05.12 - 20:15 Uhr

Es handelt sich hier unzweifelhaft um Leute, die nicht an der grossen Route des Verkehrs, sondern in einem abgelegenen Seitentale wohnen und deshalb vom Fall des entwichenen Zooinsassen keine Ahnung hatten; auf der anderen Seite sind es Leute mit stark verschlossenem Charakter, die ihre Abenteuer nur zögernd ausplaudern. NZZ, 1934.

Walde. – In Zürich wundert man sich im Januar 1934: Da hatte man im Herbst 1933 schweizweit über das entlaufene Pantherweibchen Suma vom Zürcher Zoo berichtet, nur in Walde am Ricken wusste man offenbar nichts von dem entflohenen Raubtier, das durch die Gegend schlich. Jedenfalls wusste Richi Müller nicht, was für ein Tier er da vor sich hatte, als er im Dezember 1933 auf den hungrigen schwarzen Panther traf.

Auch bei dem schwarzen Panther, der derzeit durch die Wälder im solothurnischen Kestenholz streifen soll, fehlt ein eindeutiger Beweis.

Der Panther unter der Scheune

Inzwischen wurde die Geschichte vom Pantherjäger am Ricken mehrmals aufbereitet – zuletzt von Primarlehrer Roger Giger, der für das Pantherfest von 2008 in Walde eine Broschüre zur Geschichte vom erlegten Panther und seinem Jäger Richard Müller herausgab.

Was an dem Dezembertag in Walde passierte, gaben mehrere Zeitzeugen wider: Richi Müller wollte auf dem Grundstück seines Bruders Paul am Ort Stützel ob Walde holzen und bemerkte das schwarze Tier, das sich unter dem Boden einer kleinen Scheune verkrochen hatte.

Müller schoss auf das Tier und traf es am Bauch, gab er später auf dem Bezirksamt in Uznach zu Protokoll. Zwei Schläge mit der Holzhacke gaben dem Tier schliesslich den Rest. Müller, der nicht zum ersten Mal gewildert hatte, brachte das Tier zu einem Bekannten im Dorf. Aber auch er wusste nicht, was für ein Tier er vor sich hatte. Das Tier wurde ausgeweidet und das Fleisch als Pfeffer zubereitet. Der damals elfjährige Franz Artho erinnerte sich noch Jahre später an das Fleisch vom Richi Müller: «Es war rötlich und sehr zäh – wir dachten damals, dass es sich um Fuchsfleisch handelte», sagte Artho in den 80er-Jahren in verschiedenen Zeitungen. Das Fell des Tieres wollte Müller zu Schuheinlagen weiterverarbeiten. Er hatte es noch bei sich, als die Polizei bei ihm anklopfte.

Die Belohnung versoffen

Die Geschichte vom geschossenen Panther wurde schliesslich ruchbar. In der Dorfbeiz wurde die Geschichte vom komischen Tier unter der Scheune von Paul Müller erzählt – an der Versammlung der Raiffeisenbank war der erlegte Panther vom Zoo Zürich Gesprächsthema, wie sich Zeitzeugen später erinnerten. Schliesslich bestellte das Bezirksamt in Uznach Richi Müller ein. Dass auf den Panther vom Zoo Zürich ein Kopfgeld von 2000 Franken ausgeschrieben war, wusste Müller nicht – er gab sich mit 200 Franken Belohnung zufrieden. Allerdings musste er 100 Franken abgeben – als Busse dafür, dass er den Abschuss des Tieres nicht gemeldet hatte.

Der Pantherjäger stirbt einsam

Ein Nachbar, der heute noch in Vorderwalde lebt, weiss: «Als Richi in Walde wieder ankam, hatte er noch ein Stück Brot und Speck übrig, das er sich von dem Geld gekauft hatte – der Rest ging wohl in den Beizen auf dem Weg nach Walde drauf.» Denn der ledig gebliebene Richi Müller war in Walde dafür bekannt, dass er dem Alkohol übermassig zusprach. In Walde war er ein Aussenseiter – ein Sonderling, der oft mit sich selbst sprach und gerne Pfeife rauchte.

Richi Müller, der nach der Panther-Geschichte bald wieder in Vergessenheit geriet, verstarb einsam und verbittert 1960. Am Ort, wo sein Haus stand, wurde das Schulhaus von Walde errichtet. (cp)

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