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Als Trump nach St. Moritz kam

Als Besitzerin eines Juwelierladens hatte Verena Schoch einst die ideale Beobachterposition auf das Treiben der Prominenten in «Top of the World». In einem Buch teilt sie jetzt so manch pikante Anekdote.

Ruth
Spitzenpfeil
19.03.18 - 11:51 Uhr
Stars & Sternli
Das Geld kam über die Strasse: Die Buchautorin Verena Schoch hatte einst den Schmuckladen gegenüber dem «Badrutt's Palace»
Das Geld kam über die Strasse: Die Buchautorin Verena Schoch hatte einst den Schmuckladen gegenüber dem «Badrutt's Palace»
PRESSEBILD

Kaum eine Sparte der literarischen Produktion verkauft sich derzeit besser als Biografien. Leser lieben es, am Schicksal echter Menschen teilzuhaben, das eigene Leben am viel aufregenderen oder tragischeren anderer zu messen. Sodann gibt es hierzulande einige Brennpunkte von Klatsch und Tratsch, die das Publikum seit eh und je faszinieren. Dazu gehört sicherlich St. Moritz. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Elfundzehn-Verlag Verena Schoch Karr zu einem zweiten Buch drängte. Die Autorin kann nämlich beides miteinander liefern.

Hautnah dabei

In ihrem ersten Werk hatte die aus Schaffhausen stammende Geschäftsfrau die berührende Geschichte ihrer Mutter aufgearbeitet, die von ihrer Vergangenheit als Verdingkind eingeholt wurde. Die Tochter kontrastierte dies mit ihren eigenen Erlebnissen als erfolgreiche Juwelierin im Nobelkurort. Von den Anekdoten aus «Top of the World» wolle man doch mehr lesen, meinten die Buchverkäufer. Und so setzte sich Schoch nochmals hin.

Vom fernen Florida, wo die muntere Seniorin seit mehr als 30 Jahren lebt, blickt sie zurück auf ein St. Moritz, das es so nicht mehr gibt. Es ist jedoch genau diese Zeit – von den Siebzigerjahren bis Mitte der Achtzigerjahre –, in welcher der Mythos entstand, von welchem der Ort heute noch lebt. Das abgedroschene Begriffspaar «die Schönen und die Reichen» darf seither in keinem Bericht von dort fehlen. Wer diese Klientel nun aber wirklich so hautnah wie wenig andere erlebte, war die Frau, die sich noch sehr jung von der Verkäuferin zur Besitzerin des hochkarätigsten Uhren- und Schmuckladens am Platz hocharbeitete.

Das «Embassy» befand sich an strategisch entscheidender Position gegenüber dem Eingang des «Badrutt’s Palace». Die Räumlichkeiten gehörten dem Hotel, und so war Schoch in gewisser Weise Teil der Besatzung des Luxusdampfers. Sie bekam mit, was die Angestellten tuschelten, war aber ihrerseits eine ganz besonders privilegierte Anlaufstelle der illustren Gäste. Wer sich nicht gewohnheitsmässig in diesen Kreisen bewegt, verdankt ihren Schilderungen durchaus neue Erkenntnisse. Es gibt doch tatsächlich Leute, die beim Juwelier einkaufen gehen wie unsereiner beim Coop.

Mit dem Skilehrer im Bett

Das Prominentenkarussell, welches Schoch in «Goldenes Kind» anwirft, ist nahezu mit jedem besetzt, der sich damals in den bunten Blättern tummelte. Da gibt es die üblichen Verdächtigen vom Dirigenten Herbert von Karajan über Fiat-Boss Gianni Angnelli bis zu Playboy Gunter Sachs und dem Schah von Persien. Sie sind jedem vertraut, welcher schon einmal in der Geschichte von St. Moritz stöberte. Doch auch von ihnen weiss sie Anekdoten aus einem Blickwinkel zu berichten, den man noch nicht kannte.

Fast etwas rührend oder vielleicht auch kokett erscheint es, dass sie die über Jahre eingeübte Diskretion beim Reden über bestimmten Kunden immer noch nicht abgelegt hat. So erscheint die Gattin, die vom Ehemann ausgerechnet an Heiligabend mit dem Skilehrer im Bett erwischt wird, ebenso wenig mit dem vollen Namen wie der besonders stilvolle und spendable Gastgeber, der sich später als Mafioso herausstellt.

Nur ein halbes Versteckspiel führt sie mit einem Besucher auf, der erst kürzlich wieder für gewaltigen Wirbel in Graubünden sorgte. Es ist aber unschwer zu erkennen, wer mit dem «verrückten Kerl» gemeint ist, der mit Halbschuhen und ohne Mantel durch Kälte und Schnee tänzelt, während im Laden seine Frau Ivana Trump eine Diamantuhr als Geschenk für die damalige First Lady, Nancy Reagan, kauft. Wir erfahren auch, dass die erste Mrs. Trump – wie übrigens auch die heutige – aus Osteuropa stammte. Sie war in ihrer Jugend Skirennfahrerin. Das Gästerennen auf der Corviglia habe sie jedenfalls haushoch gewonnen.

Das Buch von Verena Schoch Karr.
Das Buch von Verena Schoch Karr.

Angstfrei protzen

Das in leicht verdauliche Häppchen gegliederte Buch liest sich süffig und amüsant, auch wenn es sprachlich manchmal etwas holpert. Seine Leistung ist auch bestimmt nicht literararisch, sondern nostalgisch. Es wird einem nämlich fast etwas schmerzlich bewusst, wie sehr sich die Zeiten geändert haben.

Wahrscheinlich gibt es heute grössere Vermögen und wird mehr Geld auf der Via Serlas liegengelassen als damals. Doch die spielerische Grosszügigkeit, mit der man damals seinen Reichtum zelebrierte und sein Geld unter die Leute brachte, ist dahin. Angst ist allgegenwärtig. Schochs wichtigste Ausstattungsgegenstände waren Champagnerflasche und Pralinéschale, nicht Überwachungskameras, Sicherheitsschleusen und bewaffnete Bodyguards. «Wir arbeiteten hart und feierten ausgiebig», schreibt sie und ist stolz, ein Teil des Mythos gewesen zu sein.

BUCHTIPP

Verena Schoch: «Goldenes Kind. Geschichten aus St. Moritz». Verlag Elfundzehn. 143 S. 24.90 Franken.

Ruth Spitzenpfeil ist Kulturredaktorin der «Südostschweiz» und betreut mit einem kleinen Pensum auch regionale Themen, die sich nicht selten um historische Bauten drehen. Die Wahl-St.-Moritzerin entschloss sich nach einer langen Karriere in der Zürcher Medienwelt 2017, ihr Tätigkeitsfeld ganz nach Graubünden zu verlegen. Mehr Infos

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