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Das Schweizer Quartett ist homogen und doch sehr verschieden

Die Schweiz greift am Freitag im Skicross der Männer mit einem spannenden Quartett nach den Medaillen. Es besteht aus einem Exzentriker, einem Routinier, einer Startrakete und einem Schleicher.

Agentur
sda
17.02.22 - 20:00 Uhr
Schneesport

Das heisseste Eisen im Schweizer Team ist mit Ryan Regez der Exzentriker. Regez lässt sich auch mal nackt in der Natur ablichten, tritt mit bunten Leggings im Sportpanorama auf, klopft ungefiltert Sprüche und passt als emotionsgesteuerter Berner nicht richtig in die vergleichsweise ruhige, ostschweizlastige Schweizer Skicross-Gruppe. Das Kraftpaket sticht in vielerlei Hinsicht aus der ansonsten homogenen Equipe von Nationalcoach Ralph Pfäffli heraus.

Bisweilen ungeduldig, in wichtigen Momenten aber mit dem nötigen Killerinstinkt unterwegs, eckt Regez mit seiner schnippischen Art und seinem sporadischen Alleingang zwar manchmal an. Doch schaden tut das dem Team nicht. Vor allem nicht, wenn der 29-Jährige auf der Piste so performt wie in diesem Winter.

Der Schnellste auf der Tempo-30-Autobahn

Mit seinem Doppelsieg in den beiden letzten Rennen im schwedischen Idra Fjäll, einem weiteren Triumph und zwei Podestplätzen schob sich Regez in den letzten Wochen an die Spitze des Gesamtweltcups und in die Pole-Position für Olympiagold. Zumal er beim Test-Event Ende November in der Qualifikation der Schnellste war auf dem Kurs, den der Athlet selber mit einer Autobahn vergleicht, auf der Tempo 30 herrscht. Alex Fiva, der Teamleader, sagt über den Exzentriker und formstärksten Fahrer im Team: «Manchmal ist er eine Wundertüte, manchmal eine Tischbombe.»

Die Nachwirkungen einer Hand- und Schulterverletzung vom letzten März, die zu Beginn der Saison an seinem Selbstvertrauen kratzten, ihn seiner Explosivität am Start beraubten und in durchwachsenen Resultaten mündeten, hat Regez inzwischen überwunden. «Viel geheult» habe er, räumte er im Dezember in Arosa vor seiner Trendwende ein. Vor allem unterhielt er sich aber vertieft mit den beiden Kopf-Spezialisten im Kreis von Swiss-Ski. Die Gespräche mit dem Mentaltrainer und dem Sportpsychologen hätten ihn von seinen Zweifeln befreit, so Regez.

Fivas Erfahrung

Das einzige Manko des auf dem Papier derzeit stärksten Schweizers ist die fehlende Erfahrung - ein nicht zu unterschätzendes Tool im wichtigsten Rennen der letzten vier Jahre. Und eines, von dem der alte Hase Alex Fiva in reichlichem Masse zehren kann. Fiva, der amtierende Weltmeister, gewann heuer in Val Thorens. Der 45. Platz tags zuvor an gleicher Stätte steht aber auch sinnbildlich für die Inkonstanz, die den 36-Jährigen durch diesen Winter begleitet.

Das ist etwas, das Pfäffli im Fall von Fiva nicht beunruhigt: «Er kommt oft dann ins Marschieren, wenn ihn niemand auf der Rechnung hat. Er kann ein Olympia-Hund sein wie der Franzose Jean-Frédéric Chappuis, der in letzter Zeit nicht mehr die absoluten Top-Resultate hatte, den man an Winterspielen aber immer auf dem Zettel haben sollte.»

Die Startrakete und der Schleicher

Weil das Feld der Männer dermassen ausgeglichen ist und die Disziplin so viele Unwägbarkeiten bereithält, könnte sich fast jeder aus dem 32er-Feld durchsetzen. Dazu gehören auch Joos Berry und Romain Détraz. Sie komplettieren das schlagkräftige Schweizer Quartett.

Das Duo stach im Selektionsprozess mitunter Marc Bischofberger aus, den Olympia-Zweiten von 2018, und Jonas Lenherr, den Gesamtzweiten der Vorsaison. Berry gehört zu den besten Startern im Feld, Détraz gilt als vorzüglicher Schleicher. Beide Stärken könnten sich auf der auf langsamen Autobahn im Wortsinn als goldig erweisen.

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