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«Ich fand es etwas würdelos, wie mit mir umgesprungen wurde»

Bevor er am Freitag in seiner Heimat mit mehr als fünfjähriger Verspätung endlich die Olympia-Goldmedaille im Zweierbob erhält, spricht Bob-Pilot Beat Hefti über die nicht einfachen letzten Jahre.

Agentur
sda
27.06.19 - 10:00 Uhr
Schneesport

Am Freitagabend endet ein fünfjähriges Hin und Her. Die ursprünglich zweitplatzierten Appenzeller Bobfahrer Beat Hefti und Alex Baumann erhalten bei einem Fest in Schwellbrunn die Olympia-Goldmedaillen von Sotschi 2014, die den Russen Alexander Subkow/Alexej Wojewoda wegen Dopings aberkannt wurden.

Vor eineinhalb Jahren beendete der erfolgreichste Schweizer Bob-Pilot der letzten zwei Jahrzehnte seine Karriere. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA blickt der heute 41-Jährige, der zuvor bereits zwei Olympia-Bronzemedaillen als Anschieber gewonnen hatte, ohne Bitterkeit, aber gewohnt scharfzüngig zurück.

Haben Sie die Goldmedaille schon mal in den Fingern gehabt?

«Nein. Wir mussten unsere Silbermedaillen bis am 13. Juni zurückschicken. Am 15. oder 16. Juni sagte mir Ralph Stöckli (Leiter Olympische Missionen von Swiss Olympic) dann, die goldene sei in Lausanne angekommen. (lacht) Das war ja schon wichtig zu wissen, dass wir sie beim Fest dann auch haben.»

Es sind aber neue Medaillen, nicht die von Subkow und Wojewoda?

«Es ist eine Originalmedaille, aber nicht die von Subkow. Sie sagten, sie hätten keine Möglichkeit, die Medaillen in Russland zu holen. Putin sagt ja immer noch, sie seien im Recht. Ich habe dem IOC vorgeschlagen, dass sie unsere Namen auf die Medaille eingravieren, damit man die Medaillen von denen von Subkow unterscheiden kann. Normalerweise ist nur der Wettbewerb auf der Medaille, und die wäre dann natürlich doppelt vorhanden.»

Fünf Jahre sind eine lange Zeit. War das ein emotionales Auf und Ab, ob es am Ende noch den Olympiasieg gibt?

«Nein. Man ist im täglichen Geschäft, trainiert, bestreitet Wettkämpfe. Ich freue mich aber enorm, nun mit den Menschen aus der Region und den Leuten, die mich jahrelang unterstützt haben, noch dieses Fest zu feiern, das wir ja damals nicht konnten. Das ist für mich ein schöner Abschluss.»

Aber den Moment des Olympiasiegs, der Freude über den Triumph, der wurde euch ja schon irgendwie gestohlen. Ärgert Sie das?

«Den Moment kann man nicht mehr rückgängig machen. Was zurückbleibt ist eine Enttäuschung darüber, dass du es mit fairen Mitteln versuchst und eigentlich erwartest, dass dies die anderen auch tun. Es ist mehr Enttäuschung als Ärger. Hattet ihr das wirklich nötig? Für mich ist es jetzt ein Abschluss, ich bin froh, dass nun alles richtig gestellt ist.»

Ab wann haben Sie wirklich geglaubt, dass den Russen der Sieg aberkannt wird?

«Nach dem ersten Entscheid im November 2017. Da wusste ich, jetzt ziehen sie es durch. Das IOC würde nicht eine solche Ansage machen, wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher wären. Da war es für mich nur noch eine Frage der Zeit und wie lange sie es über Gerichte noch hinauszögern können.»

Die Diskussion um mögliches Doping hatte aber bereits viel früher begonnen.

«Meine Einstellung war immer: So lange es keinen Entscheid darüber gab, war Subkow nicht gedopt.»

Gibt es nun nachträglich noch zusätzliche Prämien?

(lacht) «Viele Leute denken, ich kriege nun nachträglich noch viel Geld. Das ist aber nicht so. Ich finde das nicht ganz sauber. Die Russen mussten dem IOC als Entschädigung viel Geld bezahlen, davon bekommen aber wir Athleten nichts. Auch wenn es ja sonst auch keine Prämien gibt vom IOC, da könnten sie sich etwas überlegen. Und vom IOC kommt am Freitag nicht mal einer vorbei. Das finde ich schwach.»

Von den Schweizer Verbänden haben Sie die ausstehenden Prämien aber erhalten?

«Von Swiss Olympic haben wir die Prämien für den Olympiasieg bereits erhalten. Mit Swiss Sliding laufen noch Diskussionen. Alex und ich hatten damals einen Vertrag mit dem Verband und hätten deshalb noch Prämien zugute. Sie sagen aber, die damaligen Sponsoren würden nicht mehr bezahlen. Das ist allerdings nicht unser Fehler. Mit meinen eigenen Sponsoren hatte ich immer Fixbeträge ohne Prämien, damit ich Planungssicherheit hatte.»

Haben Sie selber je über Doping nachgedacht?

«Es war für mich nie ein Thema. Selbst, wenn ich nie erwischt worden wäre, es hätte mich innerlich zerrissen, wenn ich betrogen hätte.»

Es wurde Ihnen auch nie etwas angeboten?

«Nein, wirklich nie. Wir haben immer mit Nahrungsergänzungsmitteln gearbeitet. Der Rest ist Training und auf Ernährung achten. Es wäre in der Schweiz auch sehr schwierig, da wird so viel kontrolliert. Und du würdest das nachher ein Leben lang nicht mehr los, wenn du als Dopingsünder gebrandmarkt bist.»

Hatten Sie nie Angst, einmal unverschuldet mit Doping in Kontakt zu kommen?

«Doch, sehr. Ich habe oft halbvolle Flaschen weggeworfen, weil ich mir nicht sicher war, ob jemand dran gewesen sein könnte. Auch wenn ich dann vielleicht zwei Stunden Durst hatte. (Thomas) Lamparter (ehemaliger Anschieber und Sportchef von Swiss Sliding) war da auch immer vorbildlich, hatte immer ein Schloss an seiner Tasche. Ich staunte manchmal, wie sorglos die Jungen da zum Teil waren.»

Wäre der weitere Verlauf Ihrer Karriere anders verlaufen, wenn Sie 2014 schon den Olympiasieg gehabt hätten?

«Das ist schwierig abzuschätzen. Ich glaube nicht, dass gross etwas geändert hätte.»

Und beim Wechsel von Alex Baumann, der 2016 zum Team von Rico Peter ging?

«Ich denke nicht. Das hatte andere Gründe. Ich war dem Verband zu stark geworden, sie wollten nicht, dass in den Medien immer nur über Hefti berichtet wird. Der Verband hat am liebsten drei starke Piloten, sie haben deshalb alles gemacht, um mir Alex wegzunehmen. Sie wollten sicher verhindern, dass sie bei meinem Rücktritt niemanden mehr haben. Ich habe das ja grundsätzlich sogar unterstützt, ich hatte keine Angst, denn ich wusste, dass ich athletisch klar besser bin. Aber mit Anschiebern, die erst ein Jahr dabei sind, hatte ich natürlich keine Chance mehr.»

Bereuen Sie, wie Ihre Karriere zu Ende ging?

«Gar nicht, ich würde es wieder gleich machen. Ich fand es ein wenig würdelos wie mit mir umgesprungen wurde, nachdem man 20 Jahre lang das Geld gebracht hat. Am Schluss wurde man einfach abgesägt.»

Sie haben sich mit Ihrer unbequemen Art halt nicht nur Freunde gemacht.

«Ich war sicher nicht immer einfach. Aber was in den letzten Jahren im Bobverband passiert ist, habe ich genau so vorausgesagt.»

Sie sehen die Zukunft des Bobsports in der Schweiz also nicht so optimistisch, obwohl es doch aktuell einige viel versprechende Junge gibt?

«Es wird sicher weiter gehen. Ich bedaure aber den Abgang von Wolfgang Stampfer (bisher Nationaltrainer) enorm. Für mich war er in den letzten 20 Jahren der beste Trainer, den ich erlebte. An der Bahn, im Material, als Mensch. Stampfer wurde zu wenig geschätzt. Es wurde immer so getan, als ob Christoph Langen alles geleistet hätte. Ich glaube, das werden sie nächstes Jahr spüren. Jetzt muss Christoph zeigen, was er kann.»

Sie sind kein Fan von Langen?

«Das ist es nicht. Er hat sicher seine Stärken. Ich finde es einfach ein bisschen schade, dass man immer wieder Leute von aussen holt, wenn wir doch in der Schweiz viele ehemalige Spitzenfahrer und gute Trainer haben. Die Deutschen machen das besser und binden diese oft kurz nach dem Rücktritt in die Arbeit ein. Wir sollten das auch stärker tun.»

Würden Sie sich denn im Verband engagieren?

«Ich würde gerne etwas in der Schweiz machen. Ich habe letztes Jahr auch mal mit Stampfer diskutiert. Am liebsten wäre mir Stampfer im Weltcup und ich im Europacup gewesen. Ich möchte halt nicht mehr so viel und so weit reisen. Aber mit der Situation, wie sie jetzt ist, ist es schwierig. Ich würde lieber jetzt etwas machen als in zehn Jahren. Es wäre gut, wenn Sportler möglichst schnell nach dem Rücktritt eingebunden würden. Dann finden sie den Draht zu den aktiven Sportlern einfacher.»

Muss man denn heute anders mit den jungen Sportlern umgehen als früher?

«Das ist sicher so. Heute musst du mehr Psychologe sein als früher.»

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